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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


Südamerikanische Woll-Lieferanten.
Von Ernst Moßbach.


Anknüpfend an einen frühern Aufsatz der Gartenlaube, 1874, Nr. 21, „In der Heimath des Lamas[WS 1], führe ich den Leser nochmals auf die Hochplateaux der Anden Südamerikas und zwar auf die höchsten, die „Paramos, Punas und Purumas“.

Mit diesen Namen bezeichnen die dortigen Indianer den nur drei bis fünf geographische Meilen breiten, aber fast siebenhundert Meilen langen Landesstrich, welcher sich unmittelbar an die bis sechstausendsechshundert Meter hohen Schneeberge der Küsten-Cordillere im Osten anreiht und von der nördlichsten Republik Columbia oder Neu-Granada durch den Kontinent bis an Patagonien erstreckt. Dieser Hochgürtel wird von einem mehr oder weniger winterlichen Klima beherrscht, je nachdem er in seiner wellenförmigen Bodenbildung über oder unter viertausendsechshundert Meter Meereshöhe liegt. So eisig kalt hier die Luft Morgens und Abends weht und so todt und abgeschieden diese Gegenden im Allgemeinen erscheinen, so brennend heiß sind daselbst die Strahlen der mittägigen Sonne von oben und so bemerkbar die Lebenspunkte, hervorgerufen durch die Wirkung des Feuers von innen.


Schur der Alpacos.
Nach einer Skizze von Ernst Moßbach.


In der That befinden wir uns hier auf vulcanischem Boden und mitten in vulcanischer Thätigkeit. Von den nach Hunderten zählenden, theils erloschenen, theils noch thätigen Vulcanen erinnere ich nur an die bekanntesten der letzteren Kategorie in Neu-Granada und den erst im Jahre 1861 entstandenen Vulcan von Chillan in Chile.

Und wenn auch diese Feuerschlünde verstummen und ihre inneren Gluthmassen die Küstenländer erbeben machen und die Bewohner dort in Angst und Schrecken setzen, hier oben auf den Punas fühlen wir nichts von ihrer zerstörenden Gewalt, hier üben sie nur Wohlthat.

Mit dem Worte Calientes (das heißt spanisch „warm“, respective „warme Orte“) hört man öfter Gegenden dieser Hochregion benennen, die, was ihr Klima anbelangt, jene Bezeichnung durchaus nicht verdienen. Das Wort bezieht sich vielmehr auf die heißen Quellen, deren viele den höchsten Gebirgsschluchten entspringen und eine halbe Meile weit fließen, ohne zu gefrieren.

Die Quellen sprudeln nicht fortwährend an einer und derselben Stelle, sondern vertauschen diese nicht selten mit anderen, wenn sich der Spalt, dem sie entweichen, verstopft. So kommt es auch vor, daß sie in den porösen Torf- und Moorboden der Thalbecken dringen, welcher von geschlossenen Decken dichten Yaretamooses überwuchert wird, und daß die sich unter demselben ansammelnden Dämpfe jene Decke aufbauchen, zerreißen und wie Dämpfe aus dem Ventile eines Kessels aufsteigen. Danach sprudelt das warme Wasser wieder krystallhell, weiter, bis sich die Operation durch irgend eine Störung anderswo erneuert. Der Reisende, welcher hier an warmen Quellen vorüberzieht, ist bisweilen Zeuge solcher kleiner Dampfsäulen. Unheimlich unterbrechen dieselben dann durch ihr leise brodelndes Geräusch die lautlose Einsamkeit, aber in ihrer Umgebung sprießt ein kräftiges Pajagras, und selbst das Tolagestrüpp, welches sonst nur kümmerlich und vereinzelt wächst, hat sich auf den inselförmigen Erhöhungen der Brüche dichter angesiedelt und dient den Wasservögeln zum sichern Versteck ihrer Nester. Auch kleine Heerden von

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: „In der Heimath der Lamas“
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_193.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)