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verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


Temme, aus Münster: In der Paulskirche machen wir zwar die Geschichte nicht; wir sind aber verantwortlich dafür, daß sie sich gut mache. Geschrieben zu Frankfurt a. M. in der Paulskirche am 23. März 1849.

Uhland, L., aus Tübingen: Untröstlich ist’s noch allerwärts, doch sah ich manches Auge flammen und klopfen hört’ ich manches Herz. Paulskirche, 21. Mai 1849.

Umbscheiden, Ph., Friedensrichter aus Dahn in Baiern: Projectirte Ueberschrift der Paulskirche: „Primo unitatem, modo cum libertate sese ipsos prodidere.“ (Hier haben sie erst die Einheit, dann mit der Freiheit sich selber verrathen.) Frankfurt a. M., 21. Mai 1849.

Venedey, J., Schriftsteller aus Köln, Abg. für Hessen-Homburg: Man muß selbst dem lieben Herrgott helfen, gutes Korn zu machen. Paulskirche, August 1848.

Vogt, Karl, Prof. in Gießen, Abg. für Gießen: Die Monarchie kann – die Republik will – wann wird das Können wollen und das Wollen können? 23. December 1848.

Waitz, Georg, Professor in Göttingen, Abg. für Kiel: Deutschland ist nie eine volle staatliche Einheit gewesen und wird schwerlich je ein Einheitsstaat werden. Frankfurt a. M., 5. December 1848.

Welcker, E, Geheimer Rath aus Heidelberg: Das ganze Deutschland soll es sein! Zum freundschaftlichen Andenken. Frankfurt a. M., 18. December 1848.

Wesendonk, H., Advocatanwalt aus Düsseldorf: Auch jetzt noch hoffnungsvoll und doch schon so oft betrogen. Frankfurt a. M., 18. December 1848.

Wigard, Franz Jacob, Professor aus Dresden: Alles für das Volk nur durch das Volk selbst. Frankfurt a. M., 9. December 1848.

Würth, Joseph, aus Sigmaringen: Wie auch die Wolken sich thürmen, ich verzweifle nicht an Deutschlands Zukunft. Gott läßt Deutschland nicht verfallen. Frankfurt a. M., 5. März 1849.

Wuttke, Heinrich, Privatdocent aus Leipzig, Stellvertreter für Robert Blum: Für den Politiker – und überhaupt im Leben – ist Beharrlichkeit die nothwendigste Eigenschaft. Manchen begünstigt bei seinem ersten Wurfe das Glück, aber wer nicht von der Laune des Glücks gehoben wird, von dem gilt das Wort des Dichters: „Was du in der Jugend erstrebst, das hast du im Alter die Fülle,“ nur dann, wenn er unverrückt, fest und zäh seinen Zielpunkt im Auge behält. Und was langsam erreicht wurde, das ist am sichersten gewonnen. Frankfurt a. M., 7. Februar 1849.

Wydenbrugk, v., Abg. aus Weimar, Minister: Der Freiheit eine Gasse – alles Andere folgt. Frankfurt a. M., 15. December 1848.

Zimmermann, Wilhelm, Professor aus Stuttgart: Begeisterung und Besonnenheit sind die Pole des Lebens. Frankfurt a. M., 21. December 1848.

Zitz, Advocat aus Mainz: Und hätte auch die erste deutsche Nationalversammlung, wie vielfach gefürchtet wird, keinen durchgreifenden Erfolg, so wird sie immer die Wirkung haben, daß sich die Männer, welche es aufrichtig mit Freiheit und Volksglück meinen, kennen und verstehen gelernt haben. Frankfurt a. M., 9. Februar 1849.

Wir fügen diesen Denkblättern noch eins hinzu, das zwar nicht zu dieser Sammlung gehört, aber als ein gleichartiges hier in Erinnerung gebracht zu werden verdient. Es ist ein Gedenkblatt Alexander von Humboldt’s, mit dem es folgende Bewandtniß hat. Der Buchhändler Strodtmann gab Anfangs der fünfziger Jahre „Stimmen der Zeit“ heraus, Aeußerungen der hervorragendsten Männer über die damaligen Verhältnisse in kurzen Aussprüchen, die in facsimilirter Urschrift zu einem historischen Album vereint wurden. Das Blatt Alexander von Humboldt's enthält in höchst sorgfältiger, selten deutlicher Schrift folgende Aussprüche:

„Am meisten ärgert sie, sobald wir vorwärts gehen!

Goethe.“

„Quo magis socordiam eorum irridere libet, qui praeeunti potentia credunt extingui posse etiam sequentis aevi memoriam. Nam contra, punitis ingeniis, gliscit auctoritas; neque aliud reges, aut qui eadem saevitia usi sunt, nisi dedecus sibi, atque illis gloriam peperere.

Tacit. Annal. IV. 35.“

Man möchte über den Stumpfsinn Derjenigen um so mehr lachen, die, weil sie augenblicklich die Gewalt in Händen haben, nun auch glauben, das Gedächtniß der Nachwelt ausmärzen zu können. Aber im Gegentheile, bestraft nur die Geister, und es wächst ihre Geltung; Könige und Alle, die Zwingherren gewesen, haben doch nichts anderes Dauerndes zu Stande gebracht, als ihre eigene Unehre und die Verherrlichung Jener.)

Berlin, den 29. Januar 1852.

Al. v. Humboldt.




Blätter und Blüthen.

Porcia im Schleier. (Mit Abbildung. S. 281.) Ob wir in den Gärten von Tiflis oder an den Seen Skandinaviens, am Ebro oder im schottischen Hochlande das Ideal weiblicher Schönheit zu suchen haben, oder ob die grethchenhafte Anmuth eines deutschen Mädchens den Preis verdiene – wer kann es entscheiden! Aber immer und immer wieder taucht bei Künstlern und Frauenkennern die Frage auf: Ist nicht Italien das gelobte Land der weiblichen Schönheit? Die Gestalten Rafael’s und Tizian’s, die bleichen Madonnen und blühenden Lavinien, sie wandeln noch heute unter dem lachenden Himmel Hesperiens. Die Anmuth italienischer Frauen war und ist ein unerschöpflicher Gegenstand für die bildende Kunst aller Zeiten.

Wir bringen heute eine „Bellezza“ der Romagna.

Porcia, das anmuthige Original unseres Bildes, lebt in Rom und gilt in den dortigen Künstlerkreisen für eine der liebreizendsten Schönheiten von ganz Italien. Wer von unseren Lesern dankte nicht mit uns unserm liebenswürdigen Landsmanne – wir verrathen seinen Namen nicht –, daß er uns durch Ueberlassung von Porcia’s Photographie in den Stand setzte, mit der schönen Blume vom Strande der Tiber für das wohlgelungene Bild sorgte der treffliche Neumann – unser Blatt zu schmücken! Wie gefährlich mögen diese großen Augen in der Wirklichkeit sein!


Das verhexte Vieh. (Mit Abbildung, Seite 289.) Die Kapuziner in Schwaz (Tyrol) besitzen in der Hinterrieß ein kleines Kloster – Kirche, Klosterzellen, Wirthshaus, Kuh und Saustall, Alles friedlich unter einem und demselben Dache vereinigt. Zu den frommen Vätern kam eines Tages ein reicher Bauer von Lengrieß, welchem sein Vieh krank geworden war. Er sagte, es sei verhext, und bat, man möge ihm helfen.

Als der Kapuziner, welcher mit dem Bauern ging, in den Stall getreten war, meinte er: „Ja, die Thiere sind so stark verhext, daß ich unter vierzig Gulden nichts machen kann.“ Der Bauer kratzte sich den Kopf und zahlte das Geld. Der Pater aber beräucherte und besprengte die vierbeinigen Patienten mit Weihwasser und las die üblichen Zauberformeln. Das Resultat war, daß noch mehr Vieh erkrankte und der Bauer bei Gericht wegen Unterlassung der Anzeige Strafe zahlen mußte.

Solche Zustände sind kaum glaublich, und doch stehen sie in Tyrol und Baiern in voller Blüthe. Wir haben gedruckte Beweise. Guttenberg würde sich wohl im Grabe umkehren, wenn er wüßte, daß seine edle Kunst, die Befreierin des Geistes von Nacht und Dunkel, sich zur Herstellung eines Productes leihen mußte, welches unter dem Titel „Dreiundachtzig Geheimnisse für Jedermann in landwirthschaftlichen und häuslichen Verhältnissen“ in Landshut erschienen ist. Kein Wunder daher, wenn, wie der obige Fall zeigt, in Ställen gegen Hexerei Mittel zur Anwendung kommen, wie sie in den „Dreiundachtzig Geheimnissen“, gedruckt 1873, zu finden sind. Einige derselben lauten:

„Pulver für das Vieh, wenn es bezaubert ist: Teufelsdreck, Drachenblut, Meisterwurzel, Baldrianwurzel, Teufelsabbiß, schwarzen Kümmel, Salz, Alles zu Pulver gestoßen, Montags und Donnerstags ein halb Loth eingegeben“; oder: „Rothen Knoblauch, Weihrauch, Kampher, in ein Säcklein genäht, in das Brühfaß gezweckt“; oder: „Hole drei weiße Kieselsteine aus einer Leichenpforte, mache sie heiß, gieße die Milch darauf und drei Pfund Teufelsdreck und Eberwurzel, laß dieses drei Tage stehen in dem Stall, darnach thue sie wieder in der Stunde dahin, wo Du sie geholt hast. Alles im †††“; oder Gebetformeln: „Es giengen drei Frauen über den Berg Sinai, die erste sprach: ‚Meine Küle hat’s heisch‘; die andere sprach: ‚Es kann seyn‘; die dritte sprach: ‚Es kann seyn, oder es ist, so helfe dir der Name Jesu Christ †††‘“; oder: „Abt und Abtin, Drach und Drachin, Zauberer und Zauberin, du sollst stille steh’n, du sollst zu Gott, deines Herrn Geboten geh’n, du sollst mir mein Vieh meiden, bis der heilige Ritter St. Georg vorüber reit’t, das verbiete ich dir bei dem lebendigen Gott, dazu helf’ mir Gott †††“; oder: „Man nehme einen Zettel und schreibe, und lege ihn über die Thür des Stalles, wo er aus- und eingeht: Trottenkopf, ich verbiete dir mein Haus und Hof, daß du nicht über mich tröstet, oder trägst in ein ander Haus, bis daß du alle Berge steigest und alle Zaunstecken zählest und über alle Wasser steigest, so kommt denn der liebe Tag wieder in mein Haus! †††“.

Dieser und viel anderer Blödsinn – gedruckt 1873 in Baiern, kaum zehn Wegstunden von der Residenzstadt entfernt – arbeitet in den Hütten des Landvolkes und in den Bauern- und Bürgershäusern an der Volksbildung, zu deren Förderung neuerdings für nöthig befunden wurde, den früheren Klöstern ungefähr hundertneunzig weitere hinzuzufügen. Das heißt denn doch den gesunden Sinn im Volke mit Kolben todtschlagen und den frechen Uebermuth der Pfaffen nähren. So ist es begreiflich, daß ein frommer Pater, als ein Bauer sich bei ihm beklagte, daß trotz seiner Beschwörungsformeln ihm vieles Vieh gestorben sei, antworten konnte: „Es hat doch genützt; sonst wäre ihm alles Vieh krepirt.“ Der Bauer glaubte es und ging beruhigt heim.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1875, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_292.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)