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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

Des Kämpfers Ruh’.
Mit Abbildung.

So warst du! Ja, das ist dein liebes Bild,
Streitbarer Pfarrherr mit dem Frohgemüthe!
Welch Leben unter deinem Schirm und Schild
In Haus und Garten und Gemeinde blühte,
Das reinste, nun schon längst vergangne Glück
Ruft heiter mir dein liebes Bild zurück.

Bescheidner hat wohl selten Einer sich
Erbaut die Gartenlaube – auf zwei Stecken;
Und doch, wie freut’s vom ersten Lenze dich,
Wenn zum Beschatten sich die Blätter strecken
Und aus dem Boden ungeziert und frei
Die bunten Blumen lockt der lust’ge Mai.

Denn also hältst du’s auch in deinem Haus.
Nicht ängstlich hütest du die jungen Triebe:
„Die Bäume und die Herzen schlagen aus
Von selbst im freien, warmen Strahl der Liebe
Ein frei Entfalten, keinen Seelenputz,
Doch gegen Ungeziefer trotz’gen Schutz!“

Das war dein Satz; er war es alle Zeit,
In Haus und Kirche. Seht ihr auf dem Thurme
Hoch auf dem Kreuz den Hahn der Wachsamkeit?
Ihn pflanzte auf der Muth im Glaubenssturme:
Da ruft er, bricht das Ungeziefer ein,
Noch heute: Mensch, du sollst ein Kämpfer sein!

Du warst ein Kämpfer, doch nicht Glaubensgroll
Ließ deinen Brustton von der Kanzel tönen.
Dein liebster Kampf war, überzeugungsvoll
Den Glauben mit dem Wissen zu versöhnen;
Du freutest dich, wenn immerdar Verstand
Und Herz der Eintracht Siegeskranz umwand.

Wie also du gefolgt der Gottheit Spur,
Nachsinnend ihren ewigen Gesetzen,
Die mahnend steh’n im Buche der Natur,
Sogst du aus ihr Erhebung und Ergötzen;
Voll Dankes athmetest du Gotteshauch
Aus jedem frischen Blatt am kleinsten Strauch.

So wölbtest deines Gärtleins Laube du
Zu einem Tempel an des Friedhofs Frieden,
Der Meise lauschend in stillsel’ger Ruh’
Und doch vom Geisterweltgang ungeschieden.
Ein Frühling aus der Jugend, hell und mild.
So grüßt im Herzen mich dein liebes Bild.

Friedr. Hofmann.


Gifte im Haushalt.
Von Siegfried Mühsam.

Jedes lebende Wesen ist ein chemisches Laboratorium, in welchem die interessantesten chemischen Processe vor sich gehen. Die Zuführung des Materials zu diesen Processen, die bei Thieren und Pflanzen verschieden ist, wird bei beiden „Nahrung“ genannt. Die Nahrungsmittel sind die Grundlage und die Bedingung des Bestehens des Organismus. Wie dieser aber durch Vorenthalten der Nahrungsmittel seiner Auflösung entgegengeht, so ist die Erhaltung desselben von der Auswahl der Mittel und der Menge derselben abhängig. – Im schroffsten Gegensatze zu dem Begriffe Nahrungsmittel steht der Begriff „Gift“. Wir sind aber nicht berechtigt, alle Körper, denen die Eigenschaften der Nahrungsmittel abgehen, als Gifte zu betrachten, ebensowenig wie wir als Nahrungsmittel ansehen dürfen, was nicht ein Gift ist. – Was ist nun aber ein „Gift“? Ja, darüber hat sich schon mancher Gelehrte den Kopf zerbrochen, ohne eine allgemein verständliche Erklärung, die auch gleichzeitig eine wissenschaftliche Berechtigung hat, gefunden zu haben. Bezeichnen wir als Gift einen jeden Körper, der schädlich auf den thierischen Organismus wirkt und ihn zu zerstören geeignet ist, so würden wir hierdurch die mechanisch wirkenden Körper nicht ausschließen. Wir dürfen, wie gesagt, weder die der Eigenschaften der Nahrungsmittel entbehrenden Substanzen als Gifte, noch die mit dem vollen Besitze dieser Eigenschaften ausgestatteten als Nichtgifte bezeichnen; denn selbst unter gewöhnlichen Verhältnissen unschädliche Nahrungsmittel, wie Brod, Fleisch, Kartoffeln etc., die gewiß Niemand in die Kategorie der Gifte zählen würde, können unter Umständen als solche wirken, wenn sie beispielsweise zur Unzeit oder im Uebermaße genossen werden, während andererseits anerkannte sogenannte Gifte oft nicht nur ohne Nachtheil dem Körper zugeführt werden können, ohne schädliche Wirkung zu äußern, sondern geradezu die Nahrung unterstützen helfen, oder, bei gewissen Krankheitserscheinungen, als Arzneimittel und zur Erhaltung des Körpers mit Erfolg angewendet werden. Vergleicht man die vielen sich oft widersprechenden Erklärungen, so gelangt man schließlich zu der Ansicht derer, die da behaupten, daß es keine Substanz gebe, die ein absolutes Gift sei, sondern nur solche Stoffe, die unter gewissen Bedingungen Gifte würden. Festhalten müssen wir jedoch, daß nur Körper als Gifte betrachtet werden dürfen, die durch ihre chemische Eigenschaft störend auf die Verrichtungen des thierischen Organismus wirken. Alle mechanischen Einwirkungen kommen als Vergiftungen nicht in Betracht. Wir wollen also bei solchen Stoffen, deren Genuß oder sonstige Ueberführung in das Blut eine schädliche Wirkung auf das Individuum ausübt und das Leben zu vernichten im Stande ist, die gewöhnliche Bezeichnung „Gift“ beibehalten. Das Gift theilt sich dem Organismus in flüssiger oder Gasform mit; die feste Form geht vor der Wirkung in die flüssige über. Die Vergiftungen sind unvermeidlich, so lange wir auf den Umgang mit Giften angewiesen sind, und diese finden wir in unseren Nahrungs- und Genußmitteln, in denen die schädliche Substanz entweder bereits vorhanden ist und das betreffende Mittel für seine Bestimmung qualificirt – dies sind die eigentlichen Hausgifte – oder welchen sie absichtlich zugesetzt wird, um eine qualitativ oder quantitativ vortheilhafte Veränderung hervorzubringen – dies sind die Verfälschungen. Sodann kommen diejenigen Gifte in Betracht, auf deren Benutzung wir durch ein bestimmtes Gewerbe angewiesen sind, ferner die, denen wir durch Sorglosigkeit und Unvorsichtigkeit begegnen, und schließlich die, welche in Folge der Verwechselung von Nahrungsmitteln mit giftigen Substanzen in’s Haus gebracht werden. Am häufigsten begegnet man den Gewohnheitsvergiftungen, das heißt der Anwendung solcher Gifte, deren specifisch giftiger Charakter nicht bestritten werden kann, an deren Genuß man aber durch den fortgesetzten Gebrauch geringer, sich allmählich steigernder Mengen gewöhnt wird. Nicht nur die Arsenik-Esser in Steiermark bieten hierfür ein interessantes Beispiel, sondern wir haben an uns selbst nur zu oft Gelegenheit, wahrzunehmen, wie sich der Körper mit seinen Feinden ausgesöhnt hat.

Wir wissen uns des ersten schüchternen Versuches, eine wirkliche Cigarre regelrecht zu rauchen, zu erinnern. Und welch große Mengen einer giftigen Substanz haben wir seit jener Zeit geschluckt; denn nicht der durch die Verbrennung des Krautes erzeugte Rauch, nicht die im Tabak enthaltenen indifferenten Stoffe sind es, die uns den Genuß des Tabaks so unwiderstehlich machen, sondern einzig und allein ein Gift, ein sehr heftig wirkendes Gift ist es, dessen Genusse wir fröhnen, das uns den Tabak zu einem der beliebtesten Genußmittel gemacht hat. Die Blätter der zu der Classe der Solaneen gehörenden verschiedenen Arten von Nicotiana liefern den allgemein bekannten Tabak. In Amerika zuhause, wird er fast überall cultivirt, um zu Rauch-, Schnupf- oder Kautabak verwendet zu werden, und erfreut sich nun einer Verbreitung über die ganze Erde. Die am häufigsten angebauten Arten Nicotiana tabacum und Nicotiana macrophylla

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_298.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)