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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


den nun aller Groll wie Nachtgewölk weggeschwunden ist,“ erzählt er seinem in Berlin weilenden Sohne.

Ja, sogar eine besondere Vergünstigung gewährte ihm der Herzog, die Censurfreiheit für seine „Chronik“, deren Fortsetzung ihm gestattet worden war. Wie gut der leichtherzige und vergeßliche Schubart dieselbe indessen benützte, beweisen die zahllosen Beschwerden, welche von den Regierungen und Reichsstädten einliefen. Sehr häufig warnte ihn der Herzog selber, und fast jede Nummer brachte in Folge davon einen Widerruf ihres Herausgebers.

Nach seiner Freilassung hat Schubart außer der „Chronik“ und den ihm für festliche Gelegenheiten aufgetragenen Prologen, die keinen dichterischen Werth haben, nichts mehr geschaffen – er ließ sich an behaglichem Wohlleben genügen und suchte wieder häufig den Wirthshaustisch auf, wo er einer lustigen Tafelrunde Scherze und Anekdoten mittheilte.

Wie unvorsichtig er trotz seiner traurigen Erlebnisse war, beweist ein ebenfalls bisher nicht veröffentlichter Rapport Seeger’s, in welchem er dem Herzoge in gerechtem Zorne am 30. Juni 1789 meldet:

„Ewer Herzoglichen Durchlaucht habe ich mit dem heutigen Rapport dasjenige Stück der Schubartischen Chronik, das ich bey meinem gewöhnlichen Besuche in der Buchdruckerey unter der Presse angetroffen, deßwegen unterthänigst einsenden sollen, weil etwas von der höchsten Person Ewer Herzoglichen Durchlaucht darinnen gerügt ist. Da der Hof- und Theater-Dichter Schubart mir gar nichts vorhero von dieser Rüge wissen ließe und auch ebenso wenig von dem Buche selbst, welches ihm die Veranlassung dazu gebe, bekannt ware: so schickte ich gleich balden nach diesem Buche, worauf er mir sagen ließe, daß er es wirklich gar nicht bey der Hand hätte, aber so bald er es wieder bekäme, mir zustellen wollte, um es an Ewer Herzogliche Durchlaucht unterthänigst einsenden zu können. – – Soeben erhalte ich von Schubart das oben unterthänigst bemerkte Buch, welches ich mit derjenigen tiefsten Ehrfurcht beyfügen sollen etc.“

Herzog Karl’s Zorn ist längst verraucht, er beachtet den Angriff auf seine Person nicht und kritzelt nach seiner Gewohnheit mit Bleistift auf den Rapport:

„Erhalten und finde es unter meiner Würde, auf das Geschmier eines Blätterschreibers zu attendiren.“ –

Die Censurfreiheit ist aber für den Chronisten zu verlockend. Er benutzt sie in so ausgedehnter Weise, daß Nürnberg, Worms, Landau und der kursächsische Gesandte sich beklagen; neue Warnungen helfen nichts, und so klatscht endlich auch auf ihn die „Censurgeißel“ herab.

Lange zwar drückte ihn der Zwang nicht. Seine Tage waren gezählt: schon im vierten Jahre der Freiheit, am 10. October 1791, schloß ihm der Tod die Augen; er hatte erst das Alter von zweiundfünfzig Jahren erreicht. Ohne viel Gepränge wurde er in’s Grab gesenkt, das durch kein Denkmal bezeichnet und bald verschollen war. Die Mitwelt hatte das Interesse für ihn verloren, seit er ein freier Mann war und nicht mehr ihres Mitleids bedurfte – und die Nachwelt kümmerte sich weniger um seine Lieder, unter welchen doch verschiedene ein Anrecht auf Unvergänglichkeit haben, als um sein romantisches Lebensschicksal. Dasselbe hat Roman- und Novellenschreibern willkommenen Stoff geboten, doch ist derselbe meistens nur in einseitiger Weise zur Darstellung gekommen. Diejenigen, welche mit Schubart’s Dichtungen vertraut sind und die von Strauß gesammelten Briefe kennen, werden vorstehende kleine Ergänzungen zu denselben willkommen heißen.

E. Vely.




Ein Autodidakt.


Es ist seit einer Reihe von Jahren ein liebenswürdiger Brauch meines Freundes Ernst Keil, die Mitarbeiter der „Gartenlaube“ dem Publicum in Bild und Wort vorzuführen. So früher Gerstäcker und Benedix, die ebenfalls ihre Selbstbiographien schrieben, so zuletzt den feinen Naturbeobachter Guido Hammer, diesmal Herbert König.

Dieser ist nun laut Redactionsbeschluß auch zu einer Selbstbeschreibung seines Lebens verurtheilt, und wir wollen sehen, wie er sich aus der Schlinge ziehen wird.

Künstler, wie alle Menschen, deren Leben sich unter fortwährendem Ringen und Kämpfen abnutzt und abspinnt, können selten mit einem wohlhäbigen Philistergesichte aufwarten. Darum möge der Beschauer meines Gesichts entschuldigen, wenn ich ernster und verbitterter dreinschaue, als es der gute Ton einem so verehrungswürdigen Leserkreise gegenüber gestattet. In einem Alter, da Andere schon im Sattel sitzen, hatte ich den Fuß erst im Steigbügel. Zehnmal schwang ich mich auf, zehnmal fiel ich wieder herunter, und ich weiß bis zur Stunde noch nicht, ob ich oben sitze oder unten liege. Schon mein Eintritt in die große Welt war wenig glückverheißend, indem mich mein erster Ausflug nach Hamburg führte, um Augenzeuge des schrecklichen Brandes zu werden. Nach einer Reihe fehlgeschlagener Pläne und Hoffnungen kam ich im Jahre 1848 aus dem äußersten Norden Deutschlands in München an. Einen bewährten Freund, den letzten Rettungsanker, an den ich mich anzuklammern dachte, suchte ich vergebens auf und sehr niedergeschlagen kehrte ich in den bescheidensten aller Gasthöfe zurück. Ich überzählte meine Baarschaft, wozu ich nicht viele Stunden brauchte, denn ich stieß auf ein furchtbares Deficit. Da mein erster Grundsatz war und ist: „Kopf oben behalten“, entwarf ich in dieser Lage mehrere humoristische Skizzen und stellte mich mit diesen den Herren Braun und Schneider, den Verlegern der „Fliegenden Blätter“, vor. Meine Arbeiten wurden angenommen, was wohl weniger ihrer Brauchbarkeit, als der zartfühlenden Rücksichtnahme jener braven Männer zuzuschreiben war, und die Folge dieses ersten Schrittes war, daß ich im Laufe der Jahre mit allen hervorragenden illustrirten Zeitungen Deutschlands in Verbindung trat und ihnen ein dauernder Mitarbeiter wurde.

Während meines zweijährigen Aufenthalts in München führte mich ein günstiges Geschick mit den vorzüglichsten Persönlichkeiten unter den Vertretern der Kunst und Wissenschaft zusammen, was ich allerdings nur meinem glücklichen Temperament zu verdanken hatte: Kaulbach und Schwind zeichneten mich mehrmals aus; Rottmann, Schnorr von Carolsfeld, Genelli, Kreling halte ich das Glück näher kennen zu lernen, ebenso den jetzt berühmten Karl von Piloty. Diese feine, durch und durch noble Künstlernatur ließ schon damals ihre einstige Größe ahnen. Was Piloty zeichnete, war so correct wie einfach und vom edelsten Geiste durchweht, und es gab keinen seiner Studiengenossen, der sich nicht gern vor ihm neigte. Als ein Cavalier von Geburt und Gesinnung erschien mir und Jedem, der ihn kannte, der talentreiche Graf Pocci; eine ernste, in sich abgeschlossen Natur begegnete mir in Franz von Kobell, eine liebenswerthe, wahrhaft bescheidene in Dr. Hermann Schmid, den ich den Lesern der „Gartenlaube“ nicht erst näher zu bezeichnen brauche. Die unglückselige Lola-Affaire sollte ich von A bis Z, theilweise aus nächster Nähe, kennen lernen.

In Kreuz- und Querzügen, nachdem ich München Lebewohl gesagt, durchreiste ich nun Deutschland nach allen Richtungen, einen Theil Oesterreichs, Ungarns, der Donaufürstenthümer, Belgiens, Hollands und Frankreichs, Bleistift und Skizzenbuch als unzertrennliche Begleiter mit mir führend. Und diese sind mir fortan die liebsten Gefährten auf allen meinen Reisen geblieben; sie stören nicht durch unnütze Bedürfnisse, belästigen nicht durch überflüssige Gespräche, bereiten aber dafür den reinsten Genuß dem, der sie zu brauchen versteht. Der Mensch sollte mit Bleistift und Skizzenbuch auf die Welt kommen – er würde sich nie langweilen.

Im Jahre 1852 kam ich auch nach Leipzig zu längerem Aufenthalt. Hier trat ich in nähere Verbindung zur „Gartenlaube“ und „Illustrirten Zeitung“, bis mich der Verleger des „Kladderadatsch“, wenn auch nicht für diesen selbst, sondern für eine Montagszeitung, unter festen Contractverhältnissen nach Berlin berief. Dieser Stadt, mit Recht der Wohnsitz der Intelligenz genannt, muß jeder sich dort länger aufhaltende Gast, sich verpflichtet fühlen – das fühlte auch ich. Der Mensch, um sich nur halbwegs hier zu behaupten, muß all seine Kräfte anspannen, immer schlagfertig fein, sich niemals schlaff und überwältigt zeigen, wenn

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_303.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)