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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


bangen Augenblicke, bis Alles niedergefallen war, dünkten uns so lang wie Stunden; die Luft wurde zum Ersticken heiß durch die von den Lavasplittern ausgehauchten Dämpfe, aber getroffen wurden wir glücklicher Weise nur leicht von kleineren Stücken, und endlich konnten wir uns hervorwagen; der Berg grollt fort; es fällt ein dichter Aschenregen, und nun heißt es, die Minuten nützen, bevor die nächste Stille eintritt.

Aufathmend, ein Jeder sein gerettetes Steinstück unter dem Arme, eilten wir in weiten Sätzen über die rauchenden Trümmer dahin, der schützenden Platte, undankbar genug, nicht einen Blick gönnend. Mit zerrissenem Schuhwerk, mit verbrannten und verwundeten Füßen kamen wir am Strande bei dem Badehäuschen an, warteten hier den nächsten Ausbruch ab und winkten dann unser Boot herbei, das jenseits des Canales in sicherem Bereiche gewartet hatte. Unser dritter Gefährte, der bei der Besteigung des alten Kegels von der Partie zurückgetreten war, versicherte uns, die peinliche Spannung, in welcher er sich befunden, als er sich vor dem Ausbruche in das Badehaus zurückzog und uns ungedeckt glaubte, könnte nicht geringer gewesen sein, als unsere eigene; er hatte das Felsstück wohl gesehen, aber von seinem Standpunkte aus nicht annehmen können, daß es Deckung biete, somit geglaubt, wir wären ungedeckt weiter geeilt, bis er wieder aus der Hütte treten konnte und uns unter der Platte kauernd sah.

Drei Jahre später besuchte ich abermals Santorin; der Vulcan hatte sich bis zu stundenlangen Pausen zwischen zwei Ausbrüchen beruhigt, und nun bot die Ersteigung gar keine Gefahr mehr.

Dr. Hlt.




Blätter und Blüthen.

Bilder aus den Ostalpen. (Mit Abbildung, Seite 365.) Krain, durch seine Höhlen und Grotten und deren geheimnißvolle Bewohner ebenso berühmt wie durch seine unterirdischen Flüsse und periodischen Seen, ist trotzdem ein von den Touristen wenig besuchtes Land; es theilt eben das Schicksal der Ostalpenländer überhaupt, von denen in jedem Reisehandbuche zu lesen ist, daß sie viel zu wenig bekannt und besucht sind. Doch ist dieser Umstand von gewissen Gesichtspunkten aus nicht einmal gar so sehr zu beklagen. Denn seit Telegraphendrähte und Schienenstränge sogar schon auf Berggipfel hinauf führen und daselbst schwarzbefrackte Kellner in luxuriös eingerichteten Hôtels den Reisenden empfangen, seitdem ist der Besuch gewisser Punkte zwar in’s Ungeheuere gestiegen, aber es ist doch sehr fraglich, ob nicht gerade durch diese modernen Zuthaten der Zauber unserer Berge theilweise sehr gelitten hat, ob wir auf solchen Aussichtspunkten noch dasselbe Entzücken fühlen, wie ehedem, wo vielleicht nur eine elende Sennhütte vor hereinbrechendem Sturm und Ungewitter Schutz bot. Ist doch die majestätische Ruhe, die Einsamkeit und das Schweigen des Hochgebirges, in dem uns Nichts an all das kleinliche Getriebe unseres Alltagslebens erinnert, nicht der unbedeutendste Factor jenes Entzückens, das uns Städter die Gebirgstouren allen andern vorziehen läßt.

Doch auch in den Ostalpen beginnt es anders zu werden. Von Jahr zu Jahr mehren sich auch dort die Touristen, namentlich seitdem die neugebauten Eisenbahnen den Besuch derselben so wesentlich erleichtern. Ueberall trifft man die Spuren der alles bessernden oder wenigstens bessern wollenden Hand des Menschen, und von manchen Punkten kann man schon heute sagen, daß sie in nicht gar ferner Zukunft von Touristen so überschwemmt sein werden, als lägen sie in der Schweiz.

Solche Punkte besitzt Krain mehrere, und unter ihnen steht Veldes wohl obenan.

Sieben Meilen nordwestlich von Laibach führt von der Rudolphsbahnstation Radmannsdorf-Lees ein guter Fahrweg in etwa einer Stunde nach dem genannten reizenden Badeorte. An dem Ufer eines kleinen fast viereckigen Sees, dessen Flächeninhalt schon ein bedeutender ist und dessen Wasser sich durch eine wundervolle Klarheit auszeichnet, erhebt sich eine senkrechte Felswand von circa hundertzwanzig Meter Höhe, die auf ihrem Scheitel das zwar alte, aber noch gut erhaltene Schloß „Veldes“ trägt. Veldes heißt auch das am Fuße jenes Felsen gelegene Dorf und der See. Schloß, Dorf und See erbielten ihren Namen von dem vorhin erwähnten schroffen Felsen; denn „Veldes kommt von Velß oder Felß“ sagt der gelehrte Valvasor, welcher vor mehr als zwei Jahrhunderten die noch heute unübertroffene Geschichte Krains schrieb, „die Nachkömmlinge aber haben das Wort verstümpelt und aus Felß Feldeß, wie es noch von etlichen aufgezeichnet wird, endlich aber Veldes geformirt“.

Zum Schlosse, welches 1004 Kaiser Heinrich der Zweite dem heiligen Albuin, Bischof von Brixen, schenkte, führt an der Seeseite ein ziemlich steiler, schmaler Fußsteig hinauf. Oben angelangt, genießt man eine prachtvolle Aussicht auf den See und das denselben umrahmende Gebirge. Gegen Westen hebt sich der krainer’sche Bergriese, der dreigipflige Terglou weit über seine Umgebung empor, gegen Osten erblicken wir den gewaltigen Stou und die Kalkkolosse der Karawanken. Tief darunter aber liegt der liebliche See und in ihm eine kleine, grüne Insel, welche die Wallfahrtskirche zu „Unserer lieben Frauen im See“ trägt. „Eine lustige Insel“ nennt sie unser Chronist, „die gewißlich nicht ebenso sehr ihrer ausbündigen Anmuth und Schönheit, als ihrer übrigen Gelegenheit wegen für eine schöne Rarität der Natur mag gepriesen werden. Mit ihrer Schönheit erbuhlt sie zwar auch günstige Augen, darum weil sie erfreulich grünend und mit Wasser umringt einer grünseidenen Decke gleicht, die mit einer silbernen Einfassung umher geziert, oder einem Kleinode von Smaragden, die mit vielen Perlen umher besetzt sind. Weil aber mit solcher Lustbarkeit und Zier manche andere Insel mehr von der Natur beehrt worden, kann sie unter solchem Vorwande des Titels einer Naturrarität sich nicht berechtigen, sondern muß denselben mit einer anderen Gelegenheit und Bewandtniß erwerben, nämlich mit dieser, daß der See, welcher sie umfängt, grausam tief ist und sie dennoch nebst dem Kirchlein getreu mitten in seinem Schooße duldet.“

Als ich das erste Mal gegen Abend über den See fuhr, fiel mir ein eigenthümliches Läuten auf, das von Zeit zu Zeit vom Thurme jenes Kirchleins herüberschallte. Auf mein Befragen erklärte mir der alte Krainer, welcher mich führte, in seinem gebrochenen Deutsch, daß dies die sogenannte Wunschglocke sei. Jedermann dürfe sie läuten, und was er dabei wünsche, gehe in Erfüllung. Der Kranke aber, der Genesung hoffe, müsse den Strang mit jenem Theil des Körpers ziehen, an dem leidet, mit dem Arme, dem Fuße, den Zähnen etc.

Das Dorf Veldes ist zwar nur klein, hat aber einige Gasthäuser und eine Wasserheilanstalt, wo Freunde der Natur und des Seebades stets den erwünschten Comfort finden werden. Das herrliche Stückchen Land wird namentlich dem Nord- und Mitteldeutschen, welcher derartige Seethäler daheim nur selten findet, einen durch den Reiz der Neuheit doppelt erhebenden Naturgenuß bieten.

St. in G.

Noch einmal die Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger. Als ergänzender Nachtrag zu dem in Nr. 6 unseres Blattes enthaltenen Artikel „Ein Triumph der Selbsthülfe“ geht uns nachstehende officiöse Mittheilung zu:

„Im December 1874 fand in Nürnberg die statutarische Delegirtenversammlung der Genossenschaft statt. Von den hervorragenden Beschlüssen derselben sind zu erwähnen: 1) die Revision des Pensionsstatuts. Eine Commission ist gewählt worden – zu ihr gehören bedeutende Fachmänner und Mathematiker – welche zu prüfen hat, ob und welche Modificationen und Verbesserungen vorzunehmen sind. Die Commission hat ein neues Pensionsstatut auszuarbeiten und der nächsten Delegirtenversammlung vorzulegen. Auf Grund dieses neuen Pensionsstatuts soll dann die Verleihung des Corporationsrechtes nachgesucht werden. 2) Die Gründung eines Separatfonds zu genossenschaftlichen Zwecken. Diese Gründung wird bewerkstelligt durch eine Umlage innerhalb der Genossenschaft und hat zum Zwecke, die unvermeidlichen Verwaltungsausgaben der Genossenschaft nicht mehr, wie bisher, der Generalcasse aufzubürden.

Das Vermögen der Genossenschaft betrug laut Abschluß vom 30. November 1874:

Activa: 243,403 Thlr. 19 Sgr. 8 Pf.
Passiva: 41,735 ,, 26 ,, 4 ,,
–––––– ––– –– ––– ––
Vermögen: 201,667 Thlr. 23 Sgr. 4 Pf.

Ein neues Dichtergrab in Thüringen. Der dramatische Verherrlicher seiner schönen, sagen- und geschichtereichen Heimath, Alexander Rost, ist am fünfzehnten Mai gestorben und am achtzehnten in den Friedhof Weimars gebettet worden, wo er bei Vielen ruht, deren Namen zu den Ehren Deutschlands gehören. Wie jeder Hochbegabte ist auch er zu früh geschieden; sein Geist und seine Schaffelust hatten Kraft und Vorrath noch für manches Jahr froher Arbeit. Auch die Genugthuung der öffentlichen Anerkennung seiner Werke hob in der letzten Zeit mehr als je seine früher oft gedrückte Dichterseele, und das so spät gewonnene Glück des eigenen Herds schmückte seinen nahenden Lebensabend. Warum sollten wir’s verschweigen, wie sehr es seinem bescheidenen Herzen wohl that, als die „Gartenlaube“ ihren Lesern ihn im Bilde vorführte? Und als eine zweite Freude dieser Zeit pries er die Nachricht, daß sein letztes großes Drama „Der ungläubige Thomas“ von dem Theaterpublicum der vorzüglichsten Bühnen, wie in Dresden, mit warmem Beifalle begrüßt worden sei. Ja, es ist gewiß, daß diese seine zwei letzten großen Freuden seinen letzten Stunden viel von der Bitterkeit alles Scheidens genommen haben. Möge die treue Liebe und Sorge, welche dem Dichter in seinem langen Leiden die nun verlassene Gattin widmete, dieser dankbar vergolten werden! Ihn selbst aber, unsern Alexander Rost, ehre die Bühne und das Volk durch treue Pflege und Verbreitung seiner Werke! Namentlich das Letztere würden wir als die würdigste „Liebesgabe“ für den Dichter preisen, weit höher, als den Denkmalstein, mit welchem nur allzuoft die Theilnahme für den Todten sich für immer abfindet.



Kleiner Briefkasten.

M. Hansen in Saarlouis. Derartige Institute giebt es nicht. Lassen Sie aber den jungen Mann auf die Wanderschaft gehen! Er wird leicht in größeren Städten, wo sich Taubstummenanstalten befinden, Arbeit erhalten, falls er nämlich ein guter Arbeiter ist. In Leipzig, Berlin, Nürnberg, Dresden z. B. stehen in den besten Holzbildhauerwerkstätten Taubstumme in Arbeit.

M. Th. in New-York. Näheres über „Das fünfundzwanzigjährige Jubiläum der Geraer Handelsschule“, welches am achten October v. J. mit Glanz begangen worden ist, können Sie aus der Festschrift unter obigen Titel erfahren; dieselbe enthält außer der Rede des Begründers und Directors der Anstalt, Dr. Ed. Amthor’s, auch den Festbericht.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 376. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_376.jpg&oldid=- (Version vom 14.12.2016)