Seite:Die Gartenlaube (1875) 393.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


No. 24.   1875.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennige. – In Heften à 50 Pfennige.



Zwei Diener.
Eine Hofgeschichte aus der Patriarchalzeit.
(Fortsetzung.)


Die Comtesse unterbrach ihre Rede plötzlich, weil sich inzwischen die Thür des kleinen Vorsaals ein wenig öffnete und durch den Spalt Frau Weiß in das Zimmer blickte.

„Nun, Frau Weiß, was giebt es? Ich wünsche nicht gestört zu werden.“

„Ich möchte nur unterthänigst melden, daß Fräulein von Straff im Garten ist,“ berichtete die Kammerfrau. „Die Dame scheint mir sehr aufgeregt zu sein. Zweimal schon ging sie nach diesem Pavillon, als wollte sie hier eintreten, und beide Male kehrte sie doch wieder um. Jedenfalls werden ich das Fräulein abweisen, wenn sie noch zum dritten Male kommt.“

„Fräulein Hulda kommt nur heute wahrlich recht ungelegen,“ sagte die Comtesse, die während des Berichtes aufgestanden war und sich dem Vorsaale genähern hatte. „Aber wenn das Fräulein so aufgeregt ist, so möchte ich die Aermste doch nicht gern zurückweisen, ohne sie gehört zu haben. Wer kann wissen, was sie betroffen hat, und ob sie nicht unser bedarf.“

„So soll ich also –“

„Ich will das Fräulein hier im Vorsaale empfangen,“ entschied die hohe Dame nach kurzem Ueberlegen. „Einem oder dem Anderen meiner lieben Gäste könnte ein Zusammentreffen mit Fräulein von Straff vielleicht unerwünscht sein.“

Das kluge Auge der Comtesse ruhte bei diesen auffällig langsam gesprochenen Worten mit einem besonders forschenden Ausdrucke auf dem Gesichte des Junkers. Kurt bemerkte dies wohl, vermochte aber die Bedeutung des Blickes nicht zu ermessen.

„Unsere Wünsche können für Euer Erlaucht nicht maßgebend sein,“ entgegnete er. „Wir werden das Zimmer verlassen, um nicht zu stören.“

Bei diesen Worten erhob sich Kurt und schritt mit seiner Dame nach dem vorderen Eingange des Pavillons.

„Nein, bleiben Sie,“ bat die Comtesse, deren Bedenken bei dieser Unbefangenheit des Paares ebenso rasch verschwand, wie es gekommen war. „Frau Weiß, ersuchen Sie das Fräulein näher zu treten!“

Einen Augenblick später betrat Hulda von Straff den kleinen Vorraum des Pavillons.

„Ich bitte unterthänigst um Verzeihung, wenn mein Kommen Euer Erlaucht irgend wie unbequem sein sollte,“ sagte sie nach einer streng vorschriftsmäßigen Verbeugung. „Nur eine Angelegenheit, die für mich von besonderer Wichtigkeit ist, konnte mich zu diesem kühnen Schritte bewegen.“

„Beruhigen Sie sich, mein liebes Fräulein!“ entgegnete die hohe Dame mit gewohnter Leutseligkeit. „Theilen Sie mir Ihr Anliegen mit! Kann ich irgendwie helfen, so geschieht es von Herzen gern.“

„Ich kam hierher, weil man mir gesagt hatte, ich würde den Jagdjunker von Holderbusch und Demoiselle Hartmann hier treffen; denn diese vor Allem betrifft mein Anliegen.“

Die Comtesse war über diese Mittheilung von Neuem betroffen. Wer konnte der Dame verrathen haben, daß das junge Paar hier im Garten sei, und was beabsichtigte sie selbst? Eine heftige Scene zwischen Hulda und dem Junker mußte um jeden Preis vermieden werden.

„Woher wissen Sie, daß die jungen Leute hier sind?“

„Durch unsern Diener Johann. Ich bitte Euer Erlaucht dringend, auf Niemand sonst Verdacht werfen zu wollen.“

„Das ist mir lieb. Darf ich noch erfahren, welche Absichten Sie bei dieser Begegnung mit dem Junker haben können?“

„Herrn von Holderbusch suche ich nicht, sondern nur seine – seine Braut,“ erklärte Hulda, indem sie ein zerknittertes, rosafarbenes Papier zum Vorschein brachte. „Ich möchte die Demoiselle nur fragen, ob sie jemals von meinem Vater einen Brief dieses Inhalts erhaltet hat.“

Die Comtesse überlas das zärtliche Schreiben des Präsidenten flüchtig und gab es dann dem Fräulein von Straff zurück.

„Ich kann Ihnen an der Stelle der junge Dame versichern, daß allerdings ein Schreiben dieses Inhalts an Fräulein Anna Hartmann gelangt, aber von ihr ablehnend beantwortet worden ist,“ sagte sie dann. „Genügt diese Erklärung für Ihre Wünsche?“

„Nicht völlig, Erlaucht,“ entgegnete Hulda, welche sichtlich mit ihrer Aufregung rang. „Ich möchte wenigstens, daß Euer Erlaucht der Demoiselle mittheilen, sie möge sich ihr junges Glück niemals durch Ränke und Verleumdungen verkümmern lassen.“

„Wie soll ich das verstehen, Fräulein von Straff?“

„Erlaucht werden über meine Worte kaum in Zweifel sein können. Man hat zu meinem Verdrusse meinen Namen geflissentlich mit dem des Junkers in Verbindung gebracht und hierdurch dem Herrn von Holderbusch zu schaden gesucht. Das aber will ich nicht, und deshalb erkläre ich offen, daß mir der Junker jederzeit ebenso gleichgültig gewesen ist, wie ich ihm.“

„Ich danke Ihnen für diese Mittheilung von ganzem Herzen; denn sie beseitigt meine letzten Bedenken.“

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 393. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_393.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)