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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


allein nach Hause kutschiren und sich einen anderen Prügelknaben suchen!“

Bei diesen Worten stieg Johann leise und vorsichtig vom Bocke, um dann wie ein Fuchs im nahen Dickicht geräuschlos zu verschwinden.

„Mein Herr Präsident,“ fuhr der Graf inzwischen fort, „Sie können sich hier unmöglich behaglich fühlen und werden sich zudem auf unsere Abrechnung vorbereiten müssen. Sie sind entlassen.“

„Soll das heißen, für immer, Erlaucht?“ fragte Herr von Straff, dessen Augen ein unheimliches Feuer sprühten.

„Das habe ich bis jetzt nicht sagen wollen. Da Sie mich aber herausfordern, mein Herr Präsident, so mag es sein. Der Herr Domänenrath und unser Holderbusch werden mir, wenn ich darum bitte, Rath und Hülfe sicher nicht versagen. Adieu!“

„Ich, Errrlaucht?“ fragte der Oberlandjägermeister mit dem Ausdrucke maßlosen Staunens.

„Nein, Dicker, Dich will ich mit solchen schlimmen Dingen nicht plagen,“ entgegnete der Graf lachend. „Du sähst in den Rechnungen jede Eins mindestens für eine Zehn an. Ich hoffe vielmehr auf Deinen Sohn. Doch jetzt und hier haben wir bessere Dinge zu thun. Sagt’ mal, habt Ihr Euch wirklich von ganzem Herzen lieb, Ihr junges Volk?“

„Ja, ja, Erlaucht,“ antworteten beide Liebesleute ohne Zögern, indem sie Hand in Hand vor den Grafen traten.

„So gebe ich als Euer Landesvater Euch als ehrsames Brautpaar zusammen. Wie, meine Herrschaften? Es zweifelt doch hier Niemand an der Legalität meiner Handlung, will ich hoffen? Wenn ich als souveräner Graf des Reichs die Macht habe, selbst Ehen zu scheiden, so muß ich doch wahrlich auch ein Brautpaar binden dürfen. He, Holderbusch! Du machst mir keine saure Miene mehr! Ich will Dir in Zukunft auch Deine tollsten Lügen mit gläubiger Miene anhören, wenn Du mir nur diesmal zu Willen bist.“

„Saurrre Mienen? Wie? Werrr sagt das? Bin ja von ganzem Herrrzen einverstanden, Errrlaucht.“

„Auf ein adeliges Wappenschild soll es mir auch nicht ankommen, wenn Deine Gemahlin durchaus darauf besteht. Ja, die kleine Braut soll dann so adelig sein, wie ich sie machen kann, weit edler, als dieser hochadelige Johannisberger, und Ahnen soll sie haben, so viel wie wir zusammen heute noch Gläser trinken. Ist das wohl Deiner Frau genug, Holderbusch? Das neue Brautpaar lebe hoch!“

„Nun, Lottchen, bist Du zufrieden?“ fragte der Graf leise, indem er sich während des Gläserklirrens zum Ohre der Schwester herniederbog. Deine schlaue Kunst allein hat den Mächtigen gestürzt und Alles Uebrige nach Deinem Wunsche herbeigeführt. Sind wir nun wieder ganz einig?“

„Meine schlaue Kunst?“ wiederholte die Comtesse ebenso leise, aber mit einem glücklichen Lächeln und einem warmen Händedrucke. „Hältst Du es für so schwer, auf Deine Herzensgüte zu rechnen? Ach, Max, ich habe heute gerade klarer als je empfunden, wie schwer die Macht der Herren und der Diener gegen einander abzuwägen ist. Nur das eine Verdienst nehme ich stolz in Anspruch, daß ich zum guten Ziele auf geradem Wege kam.“

Karl Chop.




Die Damen auf dem Wiener Congreß.
Von Julius Bacher.
Nr. 2.


Bei diesem Maskenballe waren die Damentoiletten staunenerregend. Sie überboten Alles, was man bisher an Glanz und raffinirtestem Geschmacke gesehen hatte. Die reizendste Farbenmischung jedoch, sowie die sinnreichsten und schimmerndsten Masken verschwanden in den Alles überstrahlenden Lichtblitzen der zur Schau getragenen Diamanten und Edelsteine. Der Berichterstatter dieser Festlichkeit sagt: „Da war keine Dame, die nicht den Schmuck ihrer sämmtlichen Bekanntschaft an ihrem Anzuge zur Schau trug, nicht ein einziger Herr, welcher nicht in der Agraffe des Hutes, in dem Ringe des Halstuchs, in dem Stern auf der Brust die prachtvollsten Edelsteine aufzuweisen hatte. Der Hofjuwelier Sieber, in der Maske des Nabob von Mysore, erschien als ein wandelndes Juweliermagazin; Fürst Esterhazy trug seine berühmte mit Solitaires besetzte Garde-Uniform, sämmtliche Erzherzöge die in Diamanten strahlenden Orden des goldenen Vließes. Der Kaiser Franz erschien in einem Anzuge, dessen Diamantenknöpfe zwei Millionen Gulden Werth haben sollten, während die Kaiserin Ludovica eine solche Last von Edelsteinen trug, daß sie derselben erlag und schon nach dem ersten Umgange sich in ihre Gemächer zurückziehen mußte.“

Der Schmuck der Kaiserin von Rußland zeichnete sich mehr durch Einfachheit und geschmackvolle Anordnung aus; insbesondere wurde sie von den Damen um ein Bouquet von Edelsteinen beneidet, auf dessen smaragdenen Blättern Thautropfen glänzten und Schmetterlinge sich wiegten.

Den Höhepunkt in den weiblichen Erscheinungen, in welchen Rang und Reichthum der Edelsteine und kunstvolle Anordnung den Sieg über alle anderen Damen davon trug, bildete ein Zug der schönsten Frauen, in vier Gruppen die vier Elemente darstellend. In Diamanten und Sapphiren schimmerte die Luft; in Rubinen flammte das Feuer; in Perlen erschienen die Genien des Wassers; grüne Smaragde und goldbraune Topase schmückten die Erde. – –

Nicht nur die Salons hoher und vornehmer Damen erlangten durch den Charakter und die Vorzüge ihrer Wirthinnen Ruf und Bedeutung, sondern auch andere, deren Vertreterinnen nur bürgerlicher Abkunft waren, jedoch namentlich den Geldleuten angehörten und in Folge dessen geadelt und baronisirt waren. Denn, um nicht hinter der Geburtsaristokratie zurückzubleiben, hatten auch diese Leute Salons eröffnet, deren Glanz und Beliebtheit häufig diejenigen der eigentlich aristokratischen übertraf. Die großen Geldverlegenheiten, in welchen sich der kaiserliche Hof und die Staatscassen befanden, hatten den gütigen Kaiser Franz und dessen Minister zu einer ungewöhnlichen Herablassung gegen die Geldleute veranlaßt. Viele jüdische Familien waren in den Grafen- und Baronenstand erhoben worden; so wurden sie hoffähig und durch Einladungen zu allen Hoffesten beehrt.

Es gab zur Zeit des Congresses in Wien mehrere Banquiers, in deren Hôtels mehr Glanz und Pracht herrschte, als in manchen fürstlichen, in denen sich überdies auch noch in den Einrichtungen und Ausschmückungen ein ebenso feiner, oft jene übertreffender, geläuterter Geschmack und Kunstsinn geltend machten. Unter diesen Salons zählte damals ganz besonders der des Baron von Arnstein, in welchem dessen Gemahlin, Fanny, durch lebhaften Geist, liebenswürdiges und anregendes Wesen glänzte. Neben ihr leuchteten zwei ihr nahverwandte Freundinnen, ein Geschwisterpaar, die als Dichterin bekannte Regina Frohberg[WS 1] und Marianne Saaling[WS 2]. Namentlich war es die Letztere, die durch ihr stets heiteres, witziges und anregendes Wesen eine große belebende Kraft auf die sich daselbst versammelnde Gesellschaft ausübte. Sie wurde deshalb auch „die Adjutantin des Arnstein’schen Hauptquartiers“ genannt. Ihre persönliche Erscheinung harmonirte vortrefflich mit ihrem Wesen.

Obgleich von jüdischer Abkunft, besaß sie eine Fülle goldblonden Haares, blaue, hell leuchtende Augen und eine überaus zarte und rosige Gesichtsfarbe, welche Vorzüge durch schlanke volle Körperformen noch wesentlich gehoben wurden. Alle diese Eigenschaften stempelten sie zu einer echt germanischen Mädchenerscheinung. Die ihr angeborene anmuthige Unbefangenheit und Ungezwungenheit nahm sogleich Jeden ein. Sie verstand es überdies, jede Vertraulichkeit in der liebenswürdigsten Weise abzulehnen, weshalb sie noch den Beinamen „das Mädchen aus der Fremde“ erhalten hatte. Fürsten, Mitglieder der Diplomatie, Cardinal Consalvi, Fürst Hardenberg, Herzog von Wellington und Andere fanden in dem Arnstein’schen Salon die ungezwungenste Bewegung und trafen hier zugleich mit anderen Elementen aus der Gesellschaft zusammen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Anna Frohberg
  2. Vorlage: Marianne Saling
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 431. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_431.jpg&oldid=- (Version vom 27.6.2019)