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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


No. 27.   1875.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennige. – In Heften à 50 Pfennige.



Hund und Katz’.
Eine Geschichte aus dem bairischen Oberlande.
Von Herman Schmid.


1.

Schür’, Bartel, schür’!
In vierzehn Tagen ist’s an Dir.

Schön und segensreich lag der August über dem dunkelgrünen Fluthbecken und den ansteigenden Gestaden des Ammersees. Ueberall, auf den dem Walde abgerungenen Höhen wie in der tiefen feuchten Ebene, wo sie zum Fruchtlande umgeschaffen wurden, war die Ernte im vollsten Gange: die hochgeladenen Garbenwagen schwankten zu den Dörfern und Einödhöfen durch Felder und Raine in den Schluchtwegen hinan, in deren Gebüschen schon der Wildhopfen seine Trollen angehängt hatte, während die Zaunrübe mit ihren Blüthendolden und die Brombeere mit ihren Stachelranken über Hasel und Schlehe hinaus an den Buchen und Vogelbeerbäumen emporkletterten, welche sich einzeln über das niedere Gesträuch erhoben. In den Grasgärten dahinter fing schon die reifende Kirsche in den runden Wipfeln zu glühen an, und an niedrigeren Stämmen zog die schwellende Last blau überhauchter Pflaumen die Aeste zum Rasenhange herunter, welchen die Halme des neuen Wuchses mit dem zweiten jungen Grün des Jahres zu überkleiden begannen. Darüber hinaus und durch das Gezitter der Bäume und Aeste flammte, weithin ausgegossen, der See – über ihm aber und über dem grünen Rahmen seiner Gestade ruhte, in Duft gehüllt und dennoch klar, die riesige Kette des Gebirges, wie ein ernster erhebender Gedanke über einem schönen Angesichte.

Auf einer Anhöhe, vor einem kleinen Buchenwalde, der den Gipfel zugleich schützend und schmückend bekränzte, lag ein schöner Bauernhof, mitten auf eine ansehnliche Wiesenfläche wie auf einen großen grünen Teppich hingestellt; eine Menge von Obstbäumen schob und drängte sich um ihn zusammen, und vor dem Hause stand eine mächtige Linde so nahe, daß sie mit den Spitzen ihrer Zweige das Dach erreichte, als ob sie es so recht in ihren Schutz nehmen oder sich vertraulich darauf stützen wolle. Das Haus, obwohl ganz einfach und nach Art und Brauch der Gegend gebaut, hatte doch durch Umfang und Lage ein etwas herrisches oder städtisches Gepräge, so daß es, weithin sichtbar, überall seltener unter seinem rechten Namen als „Uttingerhof“ bekannt war, als unter der stattlicheren Bezeichnung des „Schlösselbauers“. Der Ueberblick des Sees sowie des Gebirges und des sich dazwischen schiebenden flachen, an Wald und Sumpf reichen Vorlandes war nirgends so weitreichend und umfassend, und wenn der Ammersee damals – es mögen nun bald vierzig Jahre sein – auch noch weniger besucht und bekannt war, als jetzt, ging doch wohl Keiner, den sein Weg zum Schlösselbauern führte, ohne anzuhalten daran vorüber, und wer zu seiner Lust dahin gekommen war, setzte den Wanderstab gewiß nicht eher wieder weiter, als bis er Rundschau gehalten und einen Imbiß eingenommen auf dem Vorplatze, der sogenannten Gräd des gastlichen Hauses. Mit Ziegelplatten gepflastert, von einem zierlichen Geländer umrahmt und bedeckt von dem darüber befindlichen Laubengange des Hauses, zog sich dieselbe breit und behaglich gleich einer südlichen Veranda an der ganzen Vorderseite des Hauses hin. Breite Steinstufen führten davon auf den mit blankem Kiese bestreuten Vorplatz des Hofes herab und seitwärts zu den Wirthschaftsgebäuden, deren Aussehen und Inhalt auf den ersten Blick zeigte, daß daselbst nicht blos der Wohlstand, sondern auch ein wohlanständiger kluger Sinn waltete, der es verstand, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden.

Unweit dieses Bauernhofes, auf einer etwas tieferen Stelle hielt ein Reiter sein Pferd an und wandte es, um sich der Aussicht zu erfreuen – eine etwas wunderliche Erscheinung, sowohl was den Reiter wie was das Pferd betraf. Der Reiter war ein unansehnliches, vor Alter zusammengeschrumpftes Männchen, das Pferd ein tadellos gewachsenes Thier in voller Kraft und Frische der Jugend. Es schüttelte den schlanken Hals und scharrte ungeduldig mit dem Vorderfuße, indeß der stattliche Schweif ihm die eigenen Lenden peitschte – gleichwohl gehorchte es der Leitung des Reiters so bereitwillig, daß schon daraus sich erkennen ließ, daß das Männlein aus den Zeiten seiner Jugend diese Kunst wohl bewahrt herübergebracht haben mußte. In Einem Punkte stimmten Beide überein – das war der ungewohnte und eigenthümliche Schmuck, womit Beide geziert waren. An der Stirn des Pferdes saß eine Rose von rothem Seidenbande; Mähne und Schweif waren mit Schnüren und Troddeln von gleicher Farbe durchflochten, und die Bezäumung um die breite Brust mit einem Kranze aus lebendigen Blumen umwunden; der Reiter hatte mächtige bebänderte Blumenbüschel an Hut und Brust stecken, und an einer Schnur hing ihm über die Schulter ein alterthümlicher, aus irgend einer Rüstkammer entnommener Säbel herab, ebenfalls reich mit Bändern und Fransen geziert. Er sah etwas abenteuerlich aus, und das Einzige, was zu dem Schmucke und dem stattlichen Pferde

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 445. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_445.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)