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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

seinen letzten Ehrenritt gemacht, wollte auch beim Mahle ein Besonderes thun und griff zum letzten Male zu der lange vergessenen Trompete. Er blies zum Ehrentanze der Brautpaare ein Solo, dem man es trotz des mitunter zitternden Tones noch gar wohl anhörte, wie es geklungen haben mochte, als die Trompete den Tanz der treulosen Katscha begleitet hatte – das Zittern aber kam wohl auch daher, daß ihm beim Blasen die Thränen über die Backen liefen.

Ein paar Ueberraschungen trugen das Ihrige bei, die Freude zu erhöhen – es waren zwei Briefe. Der eine enthielt eine zierliche, gestochene Karte mit der Nachricht, daß Mechel sich ebenfalls getröstet und mit dem gelben Geometer Ringe gewechselt hatte. Man hatte schon zuvor davon gemunkelt, und die Leute erzählten sich, daß das neue Ehepaar nach der neuen Mode eine Hochzeitsreise angetreten habe. Der andere Brief war aus Paris an den Landrichter gekommen und von diesem eigens für den Festtag zurückbehalten worden; er kam von dem Flüchtling und brachte mit der Geschichte seiner Rettung und seinem innigsten Danke einen werthvollen in einen Ring gefaßten Edelstein zum steten Andenken einer edlen That.

Der Brigadier war der Ueberbringer des letzteren, aber er wollte gleich wieder fort; er hatte den Aerger noch nicht verwunden, daß er damals so sehr überlistet worden war; erst als die schöne Braut ihn als den wenn auch unfreiwilligen Urheber ihres Glückes zum Tanze aufforderte, begann sein Unwille etwas zu verglimmen, bis er in dem reichlich fließenden Weine zuletzt vollständig erlosch.

In der Grubenmühle war darauf ein fröhliches Leben: die kleine schwarze Julei schwamm und plätscherte ordentlich in dem Glücke, Müllerin zu sein, und sah, von dem Mehlstaube gepudert, ganz allerliebst aus. Die Mutter wohnte selbstverständlich in dem kleinen getäfelten Stübchen mit der Aussicht auf den Mühlschuß und die Buchenbäume; Zachariesel aber, wenn er sein Besitzthum und dessen Bewohner überblickte, schlug vor Vergnügen die Hände zusammen und meinte, er habe gar nichts dagegen, wenn man ihn noch hier und da spottweise den ewigen Hochzeiter nenne, denn er habe sich fest vorgenommen, mit seiner Julei ein solcher wirklich zu bleiben.

Ein stiller Hausgenosse war der Trompeterfranzel; obwohl dringend von Sylvest und Kuni eingeladen, zog er es vor, seine Austragsheimath in der Mühle zu suchen; er bedurfte deren nicht lange mehr, aber als er dahin ging, fand sich, daß er all seine nicht unbeträchtliche Ersparniß Julei vermacht hatte. Was ihn dazu bewogen, war gegen Niemand laut geworden.

Ein reines, vollendet schönes Menschenglück war auf dem Schlösselhofe eingezogen. Der Alte meinte, in seinem ganzen Leben sei er nicht so viele Stunden vergnügt gewesen, als er jetzt fröhliche Tage habe, und nur das Eine sei ihm leid, daß sein Leben nun doch nicht mehr lange dauern könne, da es erst jetzt ihn so recht zu freuen angefangen.

Mit Staunen und nachträglichem Entsetzen über die Nähe des Verlustes vernahm er Kuni’s Erzählung von ihrer gefahrvollen Wanderung und von den angstvollen Nachtstunden auf dem schwimmenden Scheerenfloß. Damit waren auch alle früheren Heimlichkeiten beseitigt und erklärt, welche ihn oft so geärgert hatten. Nur was zwischen der Kuni und dem Bas’l in der Todesstunde gesprochen worden war, erfuhr er nicht; Kuni glaubte, daß das mit der Todten in die Grube gesenkt sein müsse. Auch gegen Sylvest schwieg sie darüber, aber sie zeigte ihm den Draht mit den Betkorallen und sagte, sie habe für die Verstorbene ein Gelöbniß zu erfüllen; er drang nicht weiter in sie und war bereit, sie zu begleiten.

Verwundert sah der Bauer an einem frühen Morgen das Wägelchen fahrbereit und bespannt im Hofe stehen. „Nichts als Heimlichkeiten und alleweil Heimlichkeiten!“ sagte er lachend, als ihm die junge Frau, auf seine Frage nach dem Ziel der Reise, ebenfalls lachend zurief, daß ihn das nichts angehe, er solle sich den Kopf nicht zerbrechen und gut Haus hüten.

„Wir fahren in die Berge hinein,“ rief und winkte sie im Wegfahren zurück, „wir machen auch eine Hochzeitsreis’.“




Von einem Dickhäuter.
Mit Abbildung.

Ein dem kindlichen fröhlichen Spiele sich hingebendes Rhinoceros, oder Nashorn ist ein seltener Anblick, daß es mir der Mühe werth schien, denselben im Bilde festzuhalten.

Unsere Illustration ist nach der Natur aufgenommen und stellt das jetzt im Dresdener zoologischen Garten befindliche Rhinoceros dar, und zwar spielend mit zwei befreundeten Hunden, sogenannten Rattenfängern. Dieses Dresdener Rhinoceros ist ein Weibchen und führt den Namen „Bégum“; so werden in Indien die Fürstinnen genannt. Bégum hat schon bei ihrem ersten Aufenthalt in Dresden eine größere Theilnahme dadurch erregt, daß sie sogar in den Verhandlungen des sächsischen Landtages erwähnt wurde. Der Verwaltungsrath des zoologischen Gartens hatte nämlich nicht lange nach dem Ankaufe des Thieres (von dem Thierhändler Hagenbeck) an den Landtag ein Gesuch gerichtet um Unterstützung des Gartens aus dem Säckel des Landes, welches Gesuch nun zu einer Debatte Veranlassung gab, und wobei einer der Redner meinte, daß ein zoologischer Garten, welcher viertausend Thaler für ein Rhinoceros ausgeben könne, keiner Unterstützung bedürfe. Jener Redner hätte viel richtiger in die Worte der anderen eingestimmt, welche ungefähr sagten, daß ein solches Actien-, also Privatunternehmen auf eigenen Füßen stehen muß, daß es sich allenfalls von der Stadt, der es zur Zierde, zum Nutzen gereicht, mag unterstützen lassen, daß aber eine Staatsunterstützung nur anderen ähnlichen Unternehmungen das gleiche Recht geben würde. Wenn nicht der thatsächliche Hinweis, so doch jedenfalls die stille Angst, daß dann die schrecklichen Leipziger über kurz oder lang auch einen zoologischen Garten gründen und die Hand hinhalten würden, wird wohl mit zur Ablehnung obigen Gesuchs beigetragen haben.

Bégum hat sich natürlich über alle diese Dinge keine grauen Haare wachsen lassen, ja überhaupt gar keine, die wenigen braunen an den Ohrrändern und der Schwanzspitze ausgenommen. Denn das indische Rhinoceros trägt sich eben, und nicht etwa erst, so weit sich die unvermeidlichen ältesten Männer dessen erinnern können, sondern so lange man’s überhaupt kennt, haarlos und wird wohl auch stets darin conservativ bleiben. Das Thier beschäftigte sich vor Allem mit Fressen und Wachsen, wobei ihm seine fröhliche Beweglichkeit sehr behülflich war. Auch seine große Harmlosigkeit, welche wohl wieder mit seinem sehr bescheidenen geistigen Zustande in Verbindung steht, mag sein Gedeihen nicht wenig befördert haben. Jeder, der dieses Thier zur Zeit nach seiner Ankunft im Januar 1873 gesehen hat und es jetzt wieder sieht, wird erstaunen über dessen nunmehrige Größe, und es dürfte unter den wilden Säugethieren kaum eine andere Art zu finden sein, welche sich so gewaltig schnell entwickelt. Unser Rhinoceros war bei seiner Ankunft (Januar 1873) ein Meter hoch und zwei Meter lang, ist jetzt aber (Juni 1875) anderthalb Meter hoch und drei Meter lang und hat drei Meter Umfang, aber es ist noch lange nicht ausgewachsen.

Als im Jahre seiner Ankunft die Jahreszeit so weit vorgerückt war, daß ein Herauslassen in’s Freie zulässig erschien, wurde in dem Gehege, welches zunächst dazu bestimmt war, eine ganz einfache Grube gegraben und aus dem benachbarten Brunnen mit Wasser gefüllt, zum großen Hochgenuß des Thieres. Denn nun konnte man es bei heißem Sonnenschein stundenlang in diesem Tümpel liegen sehen, oft nur den Kopf zur Hälfte heraussteckend, immer aber mit großer Betriebsamkeit dafür sorgend, daß die dicke Haut nicht bloß naß, sondern auch gehörig mit Schlamm bedeckt wurde, indem es sich immer an den Seitenwänden der Grube rieb, so daß diese immer größer, das Wasser aber dadurch selbst zum Schlamm veredelt wurde. Kam das Thier dann einmal heraus, so glich es allerdings mehr einem kleinen Schlammberg, schien sich aber offenbar in diesem Zustande sehr zu gefallen, denn sein himmlisches Behagen war nicht zu verkennen.

Bei einem späteren Besuche überraschte mich die im Bilde

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 626. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_626.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)