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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


Meister durch die lautlos harrende Menge zur Kaisertribüne. Dort erheben bei seinem Eintritte Alle sich ehrerbietig, während der Kaiser den Künstler mit herzlichem Händedrucke bewillkommnet, ihm Glück wünscht zur Vollendung des Werkes und ihm im Namen des ganzen Volkes dankt.

Es war der bedeutungsvollste Augenblick des ganzen Festes, als beide Greise, der Kaiser und der Künstler, dort standen, Hand in Hand; Jeder auf der Höhe seines Wirkens, Jener in der Mitte seines durch ihn geeinigten Volkes, ein würdiger, nur glücklicherer Nachfolger des Helden, dessen Erinnerung die Feier des Tages galt; Dieser am Ziele seiner Arbeit und seines Strebens, den Lorbeer des Ruhmes empfangend.

Mit diesem Bilde hätten wir am liebsten die Feier beschlossen; allein die Pflicht der geschichtlichen Treue läßt uns nicht sofort abkommen.

Nicht ohne ein leises Unbehagen sah man abermals einen Redner die kleine Tribüne besteigen; es war ein Freund des Künstlers, Justizrath Lüders, der in kurzen herzlichen Worten das Verdienst des Meisters würdigte, welcher während dieser Ansprache, so viel als es ihm möglich wurde, sich den Blicken der Menge zu entziehen suchte und, mit der mächtig ihn überkommenden Bewegung kämpfend, still vor sich hinblickte. Nur einmal, als der Redner der mannigfachen Hindernisse gedachte, welche sich der Vollendung des Denkmals entgegenstellten, und gegenüber der oftmals eintretenden Muthlosigkeit aller Anderen die niemals wankende Zuversicht des Meisters schilderte, der auf alle gegen ihn laut werdenden bangen Zweifel stets nur die Antwort gehabt habe: „Seid unbesorgt, mit Gottes und des deutschen Volkes Hülfe schaffe ich das Denkmal doch noch fertig!“ – da erhob der Meister sein Haupt, und mit einem strahlenden Blicke die Menge überfliegend, schien er gleichsam sagen zu wollen: „Und seht Ihr wohl, daß ich mich nicht in meinem Vertrauen getäuscht habe!“

Vieltausendstimmig erschallte jetzt das Hoch auf den Meister durch den Wald, mit dem die Menge in den Ruf des Redners einstimmte. Der Kaiser selbst führte den Gefeierten von seinem Sitze an die Brüstung der Tribüne, um ihn der jubelnden Menge zu zeigen. Noch einmal umfuhr er dann das Denkmal in Begleitung des Meisters und verließ dann den Berg, während die Menge im Schatten der Bäume sich lagerte, um in geselligem Kreise beim Klange der Becher die Eindrücke des eben Erlebten in sich nachhallen zu lassen.

Während hier noch die Becher klangen, flog die Kunde von der herrlichen Feier auf den Flügeln des Blitzes bereits nach allen Winden über Land und Meer, um Alle, welche diese Feier mit uns begingen, mit uns an dem Durchlebten Antheil nehmen zu lassen, und um die Grüße zu erwidern, welche aus der Ferne gesandt wurden. Und gar reichlich waren sie gekommen, nicht allein aus allen Theilen Deutschlands, von der Nordsee bis zu den Alpen – weit über Deutschlands Grenzen hinaus, so weit überhaupt Deutsche über den Erdkreis verstreut sind, hatte man des Festes gedacht; da waren unter anderen Telegramme aus Paris, aus Rom:

„Hermann warf den römischen Feind aus deutschen Gefilden,
Deiner denken vereint heute die Deutschen in Rom;“

von den Sachsen Siebenbürgens: „Die aus allen Gauen des Sachsenlandes zu einem Vereinsfeste versammelten deutschen Siebenbürger entbieten den zur Feier in Detmold versammelten Vertretern des deutschen Volkes herzlichen Brudergruß“; aus New-York, Richmond in Virginien, aus Amoy in China: „Ihrem ruhmreichen Kaiser senden bei Veranlassung des Armins-Denkmals herzlichen Gruß die Deutschen in Futscheu“.

An dem Tage, an welchem das Denkmal Armin’s dem deutschen Volke übergeben wurde, durfte billig auch derer nicht vergessen werden, welche in nun vergangenen Tagen ihrem Volke das Bild des tapferen Cheruskerfürsten in Wort und Schrift gezeichnet und so das Andenken an denselben lebendig erhalten haben, nun aber längst unter dem kühlen Rasen ruhen. Der talentvolle, unglückliche Grabbe, der Dichter der „Hermannsschlacht“, ein Sohn Detmolds, und der durch seine Untersuchungen über die Varusschlacht verdiente Geschichtsforscher Clostermeyer. Für die Gräber beider waren von dem Dichter Ferdinand Freiligrath, bekanntlich ebenfalls einem Detmolder Kinde, Kränze gesandt, mit welchen die Ruhestätten der Heimgegangenen geschmückt wurden. Dem Dichter aber sandte man als Dank für seine sinnige Gabe einen von dem bei der Feier anwesenden Emil Rittershaus verfaßten poetischen Gegengruß:

„Vom Haus, wo Deine Wiege stand,
Sei heute Dir ein Gruß gesandt.
Jetzt hast Du Heimath allerwärts.
Dein Heim, es heißt das deutsche Herz.“

Der Jubel des Festes ist verrauscht, und an der Stätte, welche an jenem Tage in den Tausenden von deutschen Männern aus allen Gauen des Vaterlandes das Abbild des unter einem Herrscher geeinigten Deutschlands sah, rauscht der Wald wieder seine alte Melodie; von hoher Bergeswarte aber wird, der Macht der Elemente und den Stürmen von Jahrhunderten trotzend, das Erzbild des großen Cheruskerfürsten noch über ferne Geschlechter hinabschauen, als eine Mahnung, hochzuhalten das Panier der nationalen Freiheit und Selbstständigkeit, gleichviel ob die Waffen mit welchen der Kampf um jene Güter gekämpft wird, dem Schwerte Armin’s gleichen, oder ob es die Waffen des freien Geistes sind, mit welchen wir heute nach zweitausend Jahren abermals kämpfen unter dem Schlachtrufe: „Wider Rom!

Rudolf Scipio.




Des Lieblingskindes letzter Festzug.
Von Adolf Ebeling.

Die erste Februarwoche des vorigen Jahres war für Kairo eine überaus geräuschvolle und glänzende: der Vicekönig verheirathete nämlich seine jüngste Tochter Zenab-Hanem mit seinem Neffen Ibrahim-Pascha, dem Sohne seines älteren Bruders Achmet, der im Jahre 1860 so unglücklich war, im Nile zu ertrinken. Die Festlichkeiten dauerten volle acht Tage, und man muß so etwas im Oriente gesehen und mitgemacht haben, um sich eine richtige Vorstellung davon zu machen; denn so oft dergleichen auch schon geschildert worden ist, immer bleiben diese Schilderungen weit hinter der Wirklichkeit zurück. Bei solchen Gelegenheiten wird die sprüchwörtliche orientalische Pracht in ihrer ganzen Fülle entfaltet, und der vielgebrauchte Vergleich mit „Tausend und Einer Nacht“ ist alsdann ganz an seinem Platze.

Der siebente Februar bildete den Glanzpunkt der Feste, denn an jenem Tage begab sich die Braut in einem unermeßlichen Prunkzuge nach dem Palaste ihres Gatten, der sie sehnsüchtig erwartete, um sie in seinen Harem zu führen, von welchem Momente an sie alsdann den Blicken der Außenwelt entzogen wurde; denn so will es die strenge Sitte des Orients. Ich müßte Seiten füllen, um die Einzelnheiten dieses Prunkzuges zu beschreiben; da aber mein heutiges Thema nicht ein Hochzeits-, sondern ein Leichenzug ist, und zwar der Leichenzug eben dieser selben Prinzessin, so gehe ich schnell darüber hinweg. Damals ahnte wohl Keiner unter den hunderttausend Zuschauern, die zu beiden Seiten der Muskih dichtgedrängt standen und all die schimmernde Pracht und Herrlichkeit, namentlich den, nach der Sitte des Landes, im öffentlichen Aufzuge mit gezeigten Brautschatz von außerordentlichem Glanze und Werth anstaunten, daß die Gefeierte, die in ihrem sechsspännigen über und über vergoldeten Galawagen auf den weißatlasnen Polstern wie eine kleine Huldgöttin saß, daß sie nach kaum achtzehn Monaten dieselbe Straße ziehen würde, wieder wie damals ein Schauspiel für Hunderttausende, aber als Leiche, vom unerbittlichen Tode plötzlich und unerwartet dahingerafft.

Nach der Hochzeit war die Prinzessin so gut wie ganz aus dem öffentlichen Leben verschwunden, als junges Mädchen durfte sie sich noch manche Freiheiten erlauben, denn sie war ganz europäisch erzogen worden, sie sprach französisch und englisch, trieb Musik und Malerei, und alle Welt lobte ihren leutseligen Charakter

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 642. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_642.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2019)