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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

mehreren Gesellschaften zusammen – auf ihr Leben die Summe von 100,000 bis 200,000 Thaler versichert hatten.

Ganz abgesehen von solchen außergewöhnlichen Fällen ist es doch Pflicht eines jeden Menschen, der einen Hausstand begründet hat oder zu begründen beabsichtigt, dafür zu sorgen, daß sein etwaiges unerwartetes Hinscheiden die Seinigen nicht in die bitterste Noth und Sorge versetzt. Vor ungefähr fünfzig Jahren war eine solche Vorsorge in unserem deutschen Vaterlande kaum ausführbar; unsere drei ältesten deutschen Lebensversicherungsgesellschaften, die zu Lübeck, Gotha und Leipzig, werden erst in den nächsten Jahren in der Lage sein, ihr fünfzigjähriges Bestehen feiern zu können. In dieser kurzen Spanne Zeit hat sich jedoch die Erkenntniß von dem Segen der Lebensversicherung so gewaltig verbreitet, daß ich gegenwärtig in Deutschland die Zahl der versicherten Personen auf 700,000 mit etwa 2 Milliarden Mark Versicherungssumme schätze.

So erfreulich einerseits dieser Fortschritt der guten Sache ist, so ist doch auch andererseits sehr zu beklagen, daß gar Viele davon noch nicht Gebrauch gemacht haben, obwohl es ihnen gewiß schon nahegelegt worden ist. – Man versichert, obgleich man in einer Stadt mit guter Feuerwehr und in einem solid gebauten Hause wohnt, sein Mobiliar gegen Feuersgefahr und thut wohl daran, aber sein Leben zu versichern unterläßt man, obwohl für den gesündesten Menschen die Gefahr, in der Blüthe der Jahre hingerafft zu werden, mindestens zwanzig bis dreißig Mal so groß und noch größer ist, als unter den erwähnten Umständen abzubrennen. – Man sollte doch meinen, daß jeder verständige Mensch zuerst dort seine Vorkehrungen zu treffen sucht, wo die Gefahr am größten ist, daß daher Jeder, der Frau und Kinder zu versorgen hat, ganz aus sich selbst heraus zur Lebensversicherungsgesellschaft kommen müßte, um seinen Antrag zur Versicherung zu stellen. – Wie anders sieht es aber in dieser Beziehung in der Praxis aus!

„Dem Abschlusse einer Lebensversicherung geht stets ein Kampf voraus,“ sagte mir einmal ein überaus tüchtiger Agent. Man wird mich fragen: Wie ist das möglich, wie kann ein verständiger Mensch derartig segensreiche Einrichtungen auch nur einen Augenblick zurückweisen, ja dagegen ankämpfen? – Daß ich es Ihnen nur gleich offen sage: Die schlimmsten Gegner der Lebensversicherung sind bei diesem Kampfe die Frauen. Ja, meine verehrten Frauen, es ist, als ob ein böser Geist Sie dabei regierte, gegen Ihr eigenstes Interesse und das Ihrer Kinder anzukämpfen, wenn Sie den Mann, der Ihre und Ihrer Kinder Zukunft durch eine Lebensversicherung sicher zu stellen beabsichtigt, daran verhindern. Welcher vernünftige Grund kann Sie dabei leiten? Ihr Verstand ist es nicht, sondern eine krankhafte Seite Ihres Gefühlslebens, der Aberglaube. Sollte man es meinen, daß der Aberglaube: wenn der Mann sich versichere, müsse er bald sterben, so weit und so fest, selbst in gebildeten Kreisen verbreitet sei, wie es thatsächlich der Fall ist? – Vor etwa acht Tagen sagte mir ein Herr wörtlich: „Ich werde mich versichern, obwohl ich meiner Frau das Versprechen gegeben habe, es nie zu thun.“ – heiliger Augustinus, Verstand dunkel. Einbildung groß!

Und in solchen Fällen nützen alle vernünftigen Gegenvorstellungen nicht: man will sich nicht belehren lassen.

Ich will hier nur die Erfahrung weiter reden lassen. Der Cantor O., Agent unserer Gesellschaft in dem kleinen Orte L… im Altenburg’schen, schrieb unter’m 13. November vorigen Jahres der Direction folgendes:

„Vor ungefähr drei Jahren forderte ich nach Rücksprache mit Dr. Böhme den jungen Besitzer einer hiesigen Handschuhfabrik, der uns wohl geeignet erschien, zum Beitritt auf; seine junge Frau war mit allem Eifer dagegen. Vor wenigen Tagen haben wir ihn begraben, und seine mittellose Wittwe muß nun das Geschäft verkaufen. Es hatte sich bei ihm ein Leiden ausgebildet, dessen erste Anfänge jedenfalls erst nach dem vertraulichen Urtheile des sehr gewissenhaften Herrn Dr. Böhme sich zeigten.“ –

Ich will zu dieser schlichten Schilderung eines Vorgangs, der sich bei uns tausendmal wiederholt, nichts hinzufügen. Das unglückselige, kurzsichtige Weib muß nun die Folgen ihrer Thorheit tragen.

„Ja,“ sagte mir einst ein tüchtiger Lebensversicherungsinspector, „es passirt mir sehr häufig, daß, wenn ich mit dem Manne wegen Lebensversicherung unterhandle und die Frau merkt, um was sich unser Gespräch dreht, diese mit verweinten Augen umhergeht und mich wie einen Unglücksboten, an dessen Fersen der Tod haftet, betrachtet.“

Kann man sich wohl etwas Alberneres denken als diesen Aberglauben? Was soll das Versichertsein auf den Betreffenden für einen ungünstigen Einfluß ausüben? – Umgekehrt, das Gefühl, die Seinigen versorgt zu wissen, auch wenn die Krankheit einen Ausgang nehmen sollte, den man nicht wünscht und erwartet, kann nur beruhigend und wohlthuend auf den Kranken einwirken. Wie anders, wenn der Kranke an seinem Bette die unversorgte Frau und Kinderschaar sieht! –

Wo sollten überhaupt die Lebensversicherungsgesellschaften bleiben, wenn der Aberglaube Recht hätte, man müsse bald sterben, wenn man sich versicherte; dann müßten über kurz oder lang alle Lebensversicherungsgesellschaften sich bankerott erklären.

Gewiß sterben auch von den eben Versicherten, welche Arzt und Gesellschaft für vollkommen gesund hielten, in Jahresfrist so und so viele. Das ist eben das unbeugsame Gesetz der Natur, dem wir Alle ohne Ausnahme unterworfen sind.

So wurden z. B. bei meiner Gesellschaft, der alten Leipziger Lebensversicherungsgesellschaft, im Jahre 1874 neu aufgenommen 2564 Personen mit 4,242,700 Thalern Versicherungssumme; davon starben noch im Laufe desselben Jahres sieben Personen, eine Versicherungssumme von 8600 Thlr. repräsentirend. Das zeigt aber am schlagendsten, welchen Werth die Lebensversicherung hat und welche Wohlthäterin sie für die hinterbleibenden Familien ist.

Nun, meine verehrten Leserinnen, wollen Sie thun, um was ich Sie bitte? Zerstören Sie in all’ den Kreisen, mit welchen Sie in Berührung kommen, schonungslos den von mir bloßgestellten Aberglauben! Nehmen Sie fürderhin nicht mehr eine feindliche Stellung zur Lebensversicherung ein, sondern suchen Sie diese segensreiche Einrichtung in all’ den Familien zu verbreiten, in denen der Versorger bisher diese heilige Pflicht gegen seine Familie noch nicht erfüllt hat! Sie werden damit viel, viel Gutes stiften.

Fr. W. Gallus.
Director der Lebensversicherungsgesellschaft zu Leipzig.




Kein Viehtransport mehr. Man schreibt uns aus Amerika: „Im Anschluß an den Artikel ‚Der Gerechte erbarmt sich seines Viehes‘ (Gartenlaube, Jahrgang 1874, Seite 546) bin ich im Stande, auf ein neues Verfahren aufmerksam zu machen, das auch in Deutschland, respective in der österreichischen Monarchie, nachgeahmt zu werden verdiente.

Ungefähr um dieselbe Zeit, als die ‚Gartenlaube‘ den angeführten Artikel brachte, machte Herr Bergh, der unermüdliche Vorstand des New-Yorker Vereins gegen Verübung von Grausamkeiten an Thieren, den Vorschlag, Eisenbahnwagen mit Kühlapparaten einzurichten, die Thiere an der Stelle ihrer Weide zu schlachten und das Fleisch, statt der lebendigen Thiere, in solchen Eisenbahnwagen den Großstädten zuzuführen.

Die Idee erwies sich auch als fruchtbar. Ein gewisser Agretti erfand einen ‚Eiscar‘ und erhielt ein Patent darauf, welcher zum Transporte frischen Fleisches dient und sich nun durch zwei Probefahrten bereits bewährt hat. Mittwoch, den 1. September, kam in New-York am Depot der Hudson-River-Eisenbahn ein Zug an, dem ein so eingerichteter Wagen (Car) angehängt war, welcher neun Tonnen frisches Fleisch von Thieren enthielt, welche am vorhergehenden Freitage in Chicago geschlachtet worden waren. Das Fleisch, die Zungen und die Lebern waren in trefflichem Zustande.

Unstreitig sind mit einem solchen Verfahren große Erfahrungen und sonstige Vortheile verbunden, und da so versandtes Fleisch doch in jeder Beziehung zuträglich sein muß, so würde das Publicum selbst, sobald mit einer solchen Einrichtung nur einmal der Anfang gemacht ist, auf eine allgemeine Einführung derselben in seinem eigenen Interesse dringen können, indem es erklärt, nur so transportirtes Fleisch kaufen zu wollen. Die Sache ist übrigens dazu geeignet, ein Object soliden Privatunternehmens zu werden.

Nebenbei erlaube ich mir zu bemerken, daß der Transport in solchen kühlen Behältern nun auch anfängt, in Schiffen eingeführt und auf Früchte ausgedehnt zu werden. Die Amerikaner wissen in der That nicht, was sie mit den vielen Pfirsichen anfangen sollen, die hier so reichlich oder eigentlich noch weit reichlicher wachsen, als die Zwetschen in Süddeutschland. Obwohl die Frucht sich nicht lange hält, will man ihr nun doch einen Markt in Europa eröffnen. Denn am 26. August gingen von Philadelphia aus das Dampfschiff ‚Ohio‘ und andere mit einer Ladung von zweitausendvierhundert Körben ‚Delawarer Pfirsichen‘ ab. Das Zwischendeck des Schiffes ist in einen Refrigerator (Kühler) verwandelt, mit Eis ausgefüttert und mit Windflügeln versehen worden, die beständig einen Strom frischer Luft hineintreiben sollen.

D.“




„Deutsches akademisches Jahrbuch“ ist der Generaltitel eines vollständigen Verzeichnisses sämmtlicher in Deutschland, Oesterreich, der Schweiz und den deutschen Provinzen Rußlands befindlichen Akademien der Wissenschaften, Universitäten und technischen Hochschulen, ihrer Mitglieder, Lehrkräfte und Vorstände, welches, nach amtlichen Quellen bearbeitet, mit einem Personenregister versehen und in der bekannten Trefflichkeit und Eleganz des J. J. Weber’schen Verlags ausgestattet, soeben als ein „Erster Jahrgang“ versandt wurde. Geschmückt ist es mit dem Bildnisse des Königs Albert von Sachsen, als des „Rector Magnificentissimus“ der Universität Leipzig. – Nicht blos für den akademischen Gelehrten und Lehrer, dem seine gesammte Collegenschaft von ganz nahe an fünftausend Mann hier vorgestellt wird, sondern für jeden Gebildeten, welchen ein Einblick in den geistigen Reichthum, die Gelehrtenrüstkammern für die Vorwärtskämpfe der Nation mit Stolz und Trost erfüllt, ist dieses Werk eines mühsamen Fleißes als ein zwar trockener, aber dennoch höchst werthvoller Hausschatz zu empfehlen.




„Der Börsen- und Gründungsschwindel in Berlin“. Herr Franz Pernet berichtigt, daß er bei Gründung von Birkenwerder, Actien-Gesellschaft für Baumaterial, „durchaus nicht betheiligt ist“, sondern erst, „als die Gesellschaft vollständig constituirt war, von dem Aufsichtsrathe als alleiniger Vorstand gewählt“ wurde.




Kleiner Briefkasten.

K. L. in M. Der Verlag der „Anzeigen zur Gartenlaube“ ist längst in die Hände des Herrn Max Leonhard übergegangen, dessen alleiniges Eigenthum dieselben geworden und der damit auch die volle und alleinige Verantwortlichkeit dafür übernommen hat. Wenden Sie sich mit Ihren Beschwerden also an diesen Herrn! Die Redaction der Gartenlaube hat – wie schon oft erklärt – mit allen unserer Zeitschrift beigegebenen Beilagen in keiner Weise zu schaffen und kann ebenso wenig untersuchen, ob die in den Leonhard’schen Beigaben angezeigten Havanna-Cigarren wirklich importirt, die „Reellen Heirathsgesuche“ wirklich reelle und die offerirten „Garantirten Recepte“ zur Anfertigung von Liqueuren und Kunstbutter unzweifelhaft gute sind, wie sie eine Entscheidung darüber abgeben kann und mag, ob die in den buchhändlerischen Beilagen angezeigten Bücher wirklich den Werth haben, den ihnen der betreffende Verleger zuschreibt.

W. U. in L. Das an sich ganz liebe Waldvögelein aus Thüringen kann für diesmal nicht in der Gartenlaube singen.

Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 696. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_696.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)