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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


und mir nun mit Flammenschrift tief in die Seele geschrieben steht, der mich, und lebte ich eine Ewigkeit, nicht mehr verlassen wird.“

„Ah, das lautet ja über alle Maßen romantisch,“ rief die Prinzessin aus, „ein einziger Blick, der die Macht hatte, Sie auf ewig zu binden – welche Magie eines Blickes! Und wer war die Zauberin, welche Ihnen einen solchen Blick zuwarf?“

„Die Zauberin war eine arme spanische Nonne, in einer Kutte von rauher brauner Wolle, und sie warf mir den Blick zu, hülfeflehend und von Todesangst erfüllt, als in ihr brennendes Kloster, aus dem sie sich flüchten wollte, einer meiner Cameraden sie zurückschleuderte; sie warf ihn mir zu, von den Flammen ergriffen, nicht mehr zu retten, denn zwischen ihr und mir schoß eine lohende Balken- und Sparrenmasse nieder.“

„Ah,“ rief die Prinzessin stehen bleibend aus. „Ist das Wahrheit, was Sie da erzählen?!“

„Es ist die Wahrheit, Fräulein. Ich wüßte nicht, weshalb ich Ihnen, die ich nicht kenne und vielleicht nie wiedersehe, Lügen erzählen sollte.“

„Und das arme Geschöpf verbrannte?“

„Es verbrannte wie ein halbes Dutzend ihrer Schwestern. Ich konnte nichts mehr zu ihrer Rettung thun. Das Einzige, was ich thun konnte, war, mein Pistol zu nehmen und meinen Cameraden, der so cannibalisch gehandelt hatte, die Hirnschale zu zerschmettern.“

„Mein Gott, mein Gott!“ rief die Prinzessin ganz außer sich aus. „Aber,“ sagte sie dann sich fassend, „ich bin sehr thöricht, daß ich mich so darüber entsetze. Wenn dies Alles wahr wäre, würden Sie es nicht so der ersten besten wildfremden Person, die Ihnen hier im Walde begegnet, erzählen.“

Der Fremde schritt eine Weile schweigend und ohne zu antworten neben ihr. Es war, als ob er schon an ganz andere Dinge dächte; plötzlich sagte er:

„Glauben Sie nicht, daß, wenn man lange in großer Einsamkeit gelebt und Alles hat schweigend in sich verschließen müssen, man einmal sich vom Drange der Gesprächigkeit fortgerissen fühlen und Dinge, die man besser verschweigt, erzählen kann, einem Menschengesichte gegenüber, von dem man sympathisch berührt wird?“

Er heftete dabei einen eigenthümlichen, gedankenvollen und schwermüthigen Blick auf die Züge der Prinzessin.

„Wenn Sie meine Geschichte nicht glauben,“ fuhr er dann nach einer Weile fort, „nun wohl, dann desto besser! Denken Sie, ich hätte Ihnen etwas vorgeplaudert, um Sie auf diesem Wege zu unterhalten! – Ist das die Margarethenlinde? Ich will nicht ganz bis Stockheim, sondern nur bis zur Margarethenlinde.“

„Noch nicht,“ versetzte die Prinzessin, „sie steht eine Strecke weiter unten. Also Sie wollten mich nur unterhalten? Wähnen Sie etwa, daß Sie dazu besonders angenehme Gegenstände gewählt?“

Er sah sie fragend an.

„Bin ich Ihnen unangenehm damit geworden?“ fragte er.

„Mußten Sie das nicht mit solchen Schreckgeschichten?“

„Wenn ich sie erleben mußte, können Sie sie auch anhören.“

„Wenn ich nun aber nächstens wieder bleich und mit von Langweile abgespannten Zügen die melancholischen Windesstimmen um unsere alten Schloßthürme blasen höre – wenn ich dann noch im Geiste den herzzerreißenden Schrei der in die Flammen geschleuderten Nonne aus dem Wehklagen des Sturmes heraushören, mir ihren Blick des Entsetzens vorstellen, mir ihre von grausiger Angst erfüllten Augen ausmalen muß …“

„Ah – Sie? In Ihren Schloßthürmen? Sind Sie denn …“

„Da ist Ihre Margarethenlinde. Was wollen Sie dort? Haben Sie da ein Rendezvous? – Es soll dort auf der Lichtung einst eine Hexe verbrannt worden sein. Wissen Sie, daß Sie mit Ihren Feuergeschichten auf seltsame Combinationen bringen? Leben Sie wohl! –“

„Aber“ – sagte er rasch, als sie sich zum Weitergehen von ihm wenden wollte – „ich bitte Sie, wer sind Sie?“

„Eine der unglücklichen verzauberten Prinzessinnen, von denen Sie mit so gerührter und wehmüthiger Theilnahme gesprochen haben. Ich bin die Prinzessin Elisabeth von Idar.“

„Unmöglich – Sie?“ rief er aus, doch mit einem so ruhigen Ton und so wenig überraschter Miene, daß, wenn Prinzessin Elisabeth von Idar sich diesen Moment als Strafe vorbehalten hatte, sie sich um den Genuß, ihn grenzenlos zerknirscht und bestürzt zu sehen, vollständig betrogen sah.

„Wahrhaftig,“ fuhr er fort, „so wäre es thöricht von mir, Sie um Verzeihung bitten zu wollen, Durchlaucht. Was ich gesagt habe, paßt so wenig auf Ihre strahlende, blühende Jugend und den frischen Lebensmuth, der Ihnen aus den Augen flammt, daß ich kein Wort darüber verlieren darf. Sie die Prinzessin Elisabeth! Ich habe von Ihnen gehört. Sie sind das Juwel Ihres Hauses, der gute Genius darin, die Egeria des Fürsten, der Liebling Aller, sogar des Meyers Jochmaring; in der That, der Meyer Jochmaring, dessen kühles und weise abwägendes Gemüth das Schlimmste, was einem Menschen begegnen kann, darin erblickt, wenn er irgend etwas auf Erden überschätzt – dieser eingefleischte Realist von Bauer schwärmt für Sie. Er schwärmt so für Sie, daß er mir eine wahre Sehnsucht erweckt hat, Sie einmal wenn auch nur ganz von fern zu erblicken. Und nun finde ich Sie hier – hier, wo man doch sonst nur Märchenprinzessinnen zu finden erwarten darf, tief im einsamsten Walde, und die Zeit, in welcher ich an Ihrer Seite schreiten durfte, habe ich damit zugebracht …“

Die Prinzessin unterbrach diese mit einer merkwürdigen Ruhe und Sicherheit gemachten Complimente.

„Woher kennen Sie denn den Meyer Jochmaring so genau – wer sind Sie?“ sagte sie mit einem Tone, durch dessen Strenge doch nun die Andeutung klang, daß er im Begriff sei, ihr fürstliches Bewußtsein zu verletzen.

„Wer ich bin? Ich bin, der ich bin. So heißt es in der Bibel. Genügt Ihnen das? Nein? Sie wollen den Namen wissen, der mich hat, dem ich gehöre, wie Meyer Jochmaring seinen alten Eichen? Wohl, ich will Ihnen meine Karte geben, weil ich Ihnen damit sehr viel geben kann …“

„Sehr viel? Ist der Name so berühmt oder so vornehmen Klanges?“ fiel sie spöttisch ein.

„Nein, nichts davon. Aber ich gebe Ihnen mit dieser Karte einen großen Beweis meines unbedingten Vertrauens.“

Er hatte sein Taschenbuch hervorgezogen und überreichte jetzt der Prinzessin die daraus genommene Karte.

„Das zu können,“ fuhr er fort, „freut mich. Es darf diese Karte Niemand sehen – Niemand hier meinen Namen wissen. Es brächte mein Leben in Gefahr.“

„Ah – wie wäre das möglich?“

„Daß ich Ihnen dies gesagt habe, Durchlaucht, genügt, nicht wahr?“ entgegnete er ernst.

„Es genügt,“ versetzte sie, flüchtig dem voll und groß auf ihr ruhenden Auge begegnend – „ich werde Sie sicherlich nicht verrathen, wenn es so ist – und nun Adieu! – leben Sie wohl!“

Mit einer leichten Verneigung des Kopfes, mit einem Lächeln, das ausdrücken konnte, wie diese ganze Begegnung ihr trotz seiner letzten merkwürdig tragischen Versicherung doch mehr einen scherzhaften als ernsten Eindruck hinterlasse, nahm sie Abschied von ihm und schritt davon.

(Fortsetzung folgt.)




Ein „zweites“ Theater.


Das Gastspiel der Mitglieder des Friedrich-Wilhelmstädtischen Theaters an der Neustädter Hofbühne in Dresden versetzte mich so recht in die besten Zeiten des Wallnertheaters, als Helmerding, Reusche und Neumann, dieses unvergleichliche Kleeblatt, durch geistreiche, bewegliche Darstellung und unversiegbaren Humor, allabendlich Triumphe feierten. Helmerding ist noch der Alte, das heißt einer der besten Schauspieler (nicht nur Berlins, sondern Deutschlands und der Jetztzeit überhaupt); Reusche wurde an die Hofburg egagirt, für den Schauspieler das wünschenswertheste Ziel; Neumann, dieser liebenswürdige

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 752. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_752.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)