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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

Blätter und Blüthen.


Winke für die Philadelphia-Reisenden. II. Denjenigen, welche in diesem Frühjahre oder Sommer zur Ausstellung reisen, um ihre Kenntnisse in einem bestimmten auf der Ausstellung vertretenen Fache zu erweitern, gesellt sich eine Schaar von Touristen. Wie groß dieselbe von Deutschland aus sein wird, darüber gehen die Meinungen auseinander. Die Kostenfrage spielt bei uns Deutschen in Beziehung auf solche Reisen noch immer eine größere Rolle, als z. B. bei den überall anzutreffenden Engländern. Die „Kölner Zeitung“ hat neulich einen Anschlag der durchschnittlichen Reiseausgaben eines solchen Philadelphia-Touristen mitgetheilt, der im großen Ganzen durchaus zutreffend, ja in manchen Punkten vielleicht noch zu niedrig gegriffen erschien. Anders mag es sich für Diejenigen stellen, welchen durch nahe Verwandte Reise und Aufenthalt in den Vereinigten Staaten erleichtert wird. Bei der großen Zahl der Deutschen drüben läßt sich immerhin annehmen, daß aus unserem Vaterlande außer Denen, welche lediglich oder vorzugsweise der Weltausstellung wegen hinübergehen, noch Viele die Reise vom deutschen Strande über den Ocean machen werden, um liebe Verwandte wieder zu sehen oder um geschäftliche Beziehungen anzuknüpfen, respective zu erneuern oder zu erweitern. Sie Alle werden außer der Ausstellung ein Stück von Amerika, von amerikanischem Leben sehen und kennen lernen wollen. Der aus Europa kommende Tourist erweitere vor allen Dingen, wenn er seine Reisepläne macht, seine Begriffe von Raum, was nicht so leicht ist, wie man denkt. Der europäische Mikrokosmus – so kann man räumlich von unserem Welttheile im Vergleiche zu Nordamerika sprechen – ist uns in Fleisch und Blut übergegangen. Freilich erleichtert die große Zahl von Eisenbahnen drüben das Reisen, und von New-York nach San Francisco zu kommen, erfordert deshalb eine unvergleichlich geringere Zeit, als z. B. von Paris nach Bagdad, obgleich diese Strecke in gerader Richtung noch etwas weiter ist. Allein man kann doch nicht überall hin mit der Eisenbahn gelangen, und es treten dann Dampfer oder Stages (Omnibusse) an ihre Stelle. Auch diese Beförderungsmittel dienen nach Kräften dem Go-ahead-Princip. Während man auf den Fluß- und Küstendampfern bei äußerst comfortabler Einrichtung mit Galerien, Salons und Schlafgemächern großentheils sehr behaglich reist, kann man dies durchaus nicht von den Stages des Westens und Californiens sagen.

Die Wege sind in den gebirgigen Gegenden, obwohl man sie sich viel hat kosten lassen, noch immerhin sehr mangelhaft. In rasender Eile, im Galopp geht es über Berg und Thal, durch Bäche und Flüßchen, doch sind die Kutscher in der Regel Meister der Kunst des Rosselenkens. Die Wagen gleichen in Californien unseren früheren Diligencen und Eilposten, doch wird man auch an manchen Bahnstationen des Westens zu Fahrten von mehreren Tagen in elende Plankarren gepackt, und man führt darin eine nur durch die Gewohnheit erträglicher werdende Existenz. Im Osten ist Alles schon mehr nach europäischem, das heißt englischem Style geordnet und vervollkommnet. Die Zeit, welche der Reisende sich drüben gönnt, wird maßgebend sein für die Wahl seiner Vergnügungstouren. In erster Linie stehen wohl die Niagarafälle, eventuell mit einem Ausfluge auf dem Ontariosee, den man bis Montreal in Canada ausdehnen kann. Ohne Zweifel werden dahin Vergnügungszüge von New-York, Philadelphia etc. in größerer Zahl als sonst abgelassen werden. Viele scheuen gerade die Benutzung dieser Züge, weil sie alle Unbequemlichkeiten und selbst Gefahren solcher Massentransporte mit sich bringen. Es geht dabei noch weit regelloser her, als bei den sonntäglichen Extrazügen aus unseren größeren Hauptstädten in deren Umgegend. Das Gesetz, die Reglements scheinen in der That an solchen Tagen nur dazu da zu sein, um nicht befolgt zu werden; die Beamten können selbst beim besten Willen keine Ordnung halten.

Im September 1872 wurde bei Cleveland die Ackerbauausstellung des Staats abgehalten. Die Züge, welche von der Ausstellung nach der Stadt abgelassen wurden, waren sämmtlich gegen Abend ohne Einspruch der Fahrbeamten, die überhaupt in Amerika in viel geringerer Zahl vorhanden sind als bei uns, derartig vollgepackt, daß auf den Dächern mancher Waggons fast eben so viele Passagiere saßen und lagen, wie im Innern derselben untergebracht worden waren. Ja selbst auf der Locomotive, wo sich ein glasbedachtes Coupé für den Führer und Gehülfen befindet, hatte sich eine größere Anzahl Passagiere eingedrängt. Als der Zug noch im langsamen Einfahren in den Bahnhof war, sprangen einzelne jener „Deckpassagiere“ auf die Dächer von Wagen, die auf einem Nebengleise feststanden, um so, ohne von der drängenden Menge aufgehalten zu werden, aus dem Bahnhofe zu kommen. Dergleichen Dinge, bei welchen einem deutschen Bahnhofsinspector die Haare zu Berge stehen würden, fallen drüben nicht auf, und wenn den Betreffenden ein Unglück passirt, so haben sie es sich eben selbst zuzuschreiben.

Dem Niagarafalle widme der Reisende einen oder lieber zwei Tage. Es wird ihm leichter werden, seinen Aufenthalt zu verlängern, als zu verkürzen. Wer einmal jene mächtige, einhundertachtundsechszig Fuß hohe smaragdene Wasserwand, erglänzend im Strahle des Tagesgestirns oder geisterhaft beleuchtet vom ungewissen Lichte des Mondes, halb eingehüllt von Gischt und Dampf, geschaut, wer das Donnern und Brausen der in rasender Eile herabstürzenden Gewässer gehört hat, der wird, wenn er auch den wunderbaren Anblick von allen nur möglichen Standpunkten, von dem jetzt zusammengestürzten, vielleicht schon wieder aufgebauten Terrapinthurme, von der den Fluß unterhalb des Falles passirenden Fähre, von der Restauration auf der Ziegeninsel, von der Hängebrücke oder dem Thurme an ihrem Eingange, oder endlich von dem sogenannten Museum auf der canadischen Seite aus, genossen, immer das Gefühl haben, daß er ein Unrecht thue, schon wieder abzureisen. Die Prellerei, welcher man auf Schritt und Tritt in Europa bei dem Beschauen derartiger Naturschönheiten begegnet, findet man in dem durch die Fälle emporgeblühten Orte Niagara Falls nicht; es sind eine Menge guter Hôtels da, die Preise nur ein wenig theurer als sonst; Läden und Bazars bieten eine Menge von Erinnerungen, darunter ausgezeichnete Photographien, feil, ja zur Zeit meines Besuches im Spätsommer 1872 hatte ein biederer Canadier auf der britischen Seite, gegenüber dem Hufeisenfalle, sein Photographenzelt aufgeschlagen, und für acht Dollars wurde jeder Besucher, auf einem Baumstamme sitzend, mit dem grandiosen Falle im Hintergrunde, aus Glas abconterfeit.

In der Hitze des amerikanischen Sommers gewährt überdem der Besuch des Niagarafalles den abgespannten Nerven eine unvergleichliche Erfrischung und Erquickung. Gleiches läßt sich von der Menge Seebäder an der Küste des atlantischen Meeres, dem fashionablen New-York an der Spitze, sagen. Das Seebad Coney-Island kann man von New-York aus täglich mit Hülfe der Pferdebahn erreichen. Die oceanischen Wellen stürmen mit einer Wucht und in einer Höhe gegen den Strand, wie wir sie an unseren Nordsee-Inseln nicht kennen. Aber auch für Den, welcher ruhigere Bäder liebt, ist an der Innenseite von Long-Island gesorgt. Hier, geschützt vor der atlantischen Weltmeerströmung, liegen am grünen, oft bewaldeten Ufer eine Menge viel besuchter sogenannter Watering-Places.

N. L.




Wie man heute die Spalten eines Blattes füllt, das lehrt uns die in Basel erscheinende „Allgemeine Schweizer Zeitung“ in der Beilage zu ihrer Nr. 56. Wir finden daselbst einen längeren Artikel „Das Weib eines Juden. Nach den Aufzeichnungen eines Großneffen desselben für das Feuilleton der ‚Allgemeinen Schweizer Zeitung‘ skizzirt von L. G.“ Die Skizze ist nach Inhalt und Form (wenigstens soweit die angezogene Nr. 56 sie zur Einsicht bringt) nichts als ein durch unwesentliche Weglassungen und Hinzufügungen nothdürftig bemäntelter Abklatsch der schönen Mosenthal’schen Historie von der Tante Guttraud, welche wir in unserer Nr. 2 dieses Jahrgangs unter dem Titel „Aus dem jüdischen Familienleben“ zum Abdrucke brachten – und die „Allgemeine Schweizer Zeitung“ ist dreist genug, dieses durch unser Blatt schon Millionen Lesern bekannt gewordene Lebensbild nicht nur ohne Angabe der Quelle, sondern sogar mit dem lügnerischen Zusatze „für das Feuilleton der ‚Allgemeinen Schweizer Zeitung‘ skizzirt“ wiederzugeben. Man weiß nicht, soll man über die Naivetät, mit welcher dieses publicistische Schmarotzerthum sich in Scene setzt, lachen oder die bodenlose moralische Versumpftheit, welche dieser Fall bekundet, im Interesse der Journalistik beklagen?




Johannes Nordmann, der reichbegabte Dichter und wackere und gesinnungstüchtige Journalist, wurde vor Kurzem zum Präsidenten des hochangesehenen Wiener Journalisten- und Schriftstellervereins „Concordia“ gewählt. Indem wir von dieser glücklichen Wahl Notiz nehmen, benützen wir die Gelegenheit, denjenigen unserer Leser, die sich für österreichische Belletristik interessiren, die von Nordmann in Wien herausgegebene „Neue Illustrirte Zeitung“ bestens zu empfehlen. Das Blatt zeugt von redlichem Streben und hat sich in kurzer Zeit die Achtung und Werthschätzung seines Leserkreises zu erringen gewußt.




Danksagung. Für die überaus zahlreichen und interessanten Mittheilungen aus dem geistigen Leben der Thiere, welche dem Unterzeichneten aus Anlaß seiner in Nr. 46 (1875) der „Gartenlaube“ ausgesprochenen Bitte aus allen Theilen der Erde zugegangen sind, sagt derselbe hiermit allen Correspondenten seinen ergebensten Dank unter Hinzufügung der Bemerkung, daß das betreffende Buch nicht so rasch erscheinen wird, daß nicht einzelne besonders wichtige Beobachtungen oder Mittheilungen noch Aufnahme oder Verwendung finden könnten.

Darmstadt, 14. April 1876.

Dr. Ludwig Büchner.




Eine Mutter sucht ihren Sohn. Der Schlossergeselle Heinrich Curwy, neunzehn Jahre alt, ist im vorigen Sommer auf der Reise von Berlin über Hamburg nach Wilhelmshafen spurlos verschwunden. Bei allen Behörden Deutschlands ist vergeblich nach dem Verbleib des jungen Mannes geforscht worden. Die unglückliche Mutter setzt ihre letzte Hoffnung zur Wiederauffindung des Sohnes auf die „Gartenlaube“, und wir bitten alle Diejenigen unter unseren Lesern, welche etwa Auskunft über den Heinrich Curwy geben können, uns solche baldmöglichst zukommen zu lassen.




Zu unserer heutigen Abbildung der Marbacher Schiller-Statue (Seite 315) die vorläufige Mittheilung, daß eine Schilderung der Enthüllungsfeierlichkeiten derselben in einer der nächsten Nummern nachfolgen wird.




Berichtigung. Durch einen Zufall sind die Unterschriften zu den Abbildungen im Artikel „Ferienstudien am Seestrande“ von Carl Vogt in Genf (Nr. 16, S. 267) in einem Theile der Auflage verwechselt worden. Wir ersuchen die Leser sie folgendermaßen zu berichtigen. Die Unterschrift der Karte muß heißen:

Karte der Umgegend von Roscoff mit der Insel Batz.

Die Unterschrift der oberen Ansicht:

Fig. 2. Nördlicher Jagdgrund der Naturforscher.

Die Unterschrift der unteren Ansicht:

Fig. 1. Westlicher Jagdgrund der Naturforscher mit der Insel Batz.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 326. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_326.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)