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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)

Raspel-Organ nachzuweisen. Bei jener Art (Ponera) kann der raspelnde Laut von dem menschlichen Ohre gehört werden, bei den eigentlichen Ameisen nicht.

Es ist also nicht blos Mittheilungsbedürfniß bei diesen Thierchen vorhanden – was an sich schon Zeichen eines geistigen Lebens wäre – sondern auch Mittheilungsvermögen, obgleich dasselbe bei den verschiedenen Gattungen der Ameisen mehr oder weniger reich entwickelt ist. Wenn ein Wohnungswechsel unternommen werden soll, faßt bei manchen Arten eine Ameise die andre zwischen ihren Kiefern und trägt sie an den für die neue Wohnung ausersehenen Platz. Andre Arten wiederum bedürfen einer so drastischen Mittheilung nicht; sie verständigen sich über den Punkt durch Zeichen oder Gesten. Als viel bedeutender jedoch und wunderbarer erweisen sich die Leistungen, deren die Mittheilungsorgane der Bienen fähig sind. Wenn wir ihre Sprache auch nicht verstehen, so ist doch durch die eingehendsten und umfassendsten Untersuchungen festgestellt worden, daß sie in reichstem Maße vorhanden ist. So haben zweifellos die Wachen, welche die Bienen während der Sommerszeit Tag und Nacht an den Pforten ihrer Wohnungen unterhalten, unter ihren verschiedenen Functionen auch die Aufgabe, alle von außen kommenden Nachrichten in das Innere des Stockes zu befördern. Nach dem Beobachter de Fravière besitzen sie dafür eine Anzahl verschiedener Tonbiegungen in ihrer durch die Luftlöcher der Brust und des Hinterleibes erzeugten Stimme. Jede Tonbiegung hat eine besondere Bedeutung. Sobald eine Biene mit einer wichtigen Neuigkeit ankommt, wird sie sofort umringt, stößt zwei oder drei schrille Töne aus und berührt eine Genossin mit den langen, biegsamen und sehr empfindlichen Tastern oder Fühlern, welche nicht weniger als zwölf oder dreizehn Gelenke besitzen. Die Genossin giebt die Nachricht sofort auf dieselbe Art weiter, und alsbald ist die Neuigkeit durch den ganzen Stock verbreitet. Ist dieselbe angenehmer Art, betrifft sie z. B. die Entdeckung eines Zucker- oder Honigvorraths, oder eines blühenden Feldes u. dergl., so bleibt Alles in Ordnung. Dagegen entsteht große Aufregung, wenn die Nachricht einer drohenden Gefahr einläuft, oder wenn fremde Thiere in den Stock einzudringen drohen etc. Es scheint, daß solche Nachrichten vor allen andern der Königin mitgetheilt werden, als der wichtigsten Person im Staate.

Die Sprache der Bienen ist ganz sicher ebenfalls eine Ton- wie eine Geberdensprache, und es kann keinem Zweifel unterliegen, daß sich die Bienen mit Hülfe derselben nicht blos im Allgemeinen, sondern über sehr bestimmte und sehr verschiedene Dinge verständigen. Die Entdeckung irgend eines Zucker- oder sonstigen Nahrungsschatzes an beliebigem Platze durch eine einzelne Biene hat sofort zur Folge, daß binnen kurzer Zeit eine ganze Schaar hungriger Bienen daselbst ankommt – was selbstverständlich nur Folge einer bestimmten, durch die erste Biene an die Cameraden gemachten Mittheilung sein kann. Stellt man, wie der oben erwähnte Landois sagt, ein Schälchen mit Honig vor einen Bienenstock, so kommen alsbald wenige Bienen hervor, von denen einige ihre Stimme (tüt, tüt, tüt) erheben. Diese Stimme ist ziemlich hoch und von derselben Art, wie wenn eine ergriffene Biene ihre Stimme hören läßt. Auf diesen Ruf kommt sogleich eine große Schaar Bienen aus dem Stocke, um den gebotenen Honig einzusammeln. Wenn im Frühjahre der Bienenzüchter auf das in die Nähe der Stöcke von ihm gestellte Wasser aufmerksam machen will – sie bedürfen desselben zur Bereitung des Futterbreies, wenn der Brutansatz beginnt, und es ist mißlich, wenn sie es vielleicht aus weiter Ferne herbeiholen müssen – so braucht er nur ein mit Honig bestrichenes Stäbchen vor das Flugloch zu halten und die wenigen Bienen, welche sich zuerst darauf niederlassen, nach der Wasserstelle hinzutragen. Diese Wenigen genügen, um bei ihrer Rückkehr in den Stock das Vorhandensein des Wassers, sowie auch die Stelle selbst, zur Kenntniß der ganzen Colonie zu bringen.

Das beste Mittel zu gegenseitiger Verständigung besitzen aber die Bienen gleichfalls in ihren Tastern oder Fühlern, mit denen sie sich einander berühren, und zwar jedenfalls in vielfach verschiedener Weise. Am besten kann man diese Mittheilung durch Fühlerberührung beobachten, wenn man einem Stocke seine Königin nimmt. Erst einige Zeit, ungefähr eine Stunde nach diesem traurigen Ereignisse wird dasselbe einem kleinen Theile des Volkes bemerkbar, welcher Theil sodann aufhört zu arbeiten und nun hastig auf der Wabe hin- und herläuft. Doch gilt dies nur für einen Theil des Stockes und eine einzelne Wabenseite. Bald aber treten die aufgeregten Bienen aus dem kleinen Kreise heraus, in welchem sie sich anfangs umhertrieben, und wenn ihnen Gefährtinnen begegnen, so kreuzen sie gegenseitig ihre Fühler und berühren sich leicht. Die Bienen, welche den Eindruck dieser Fühlerberührung erhalten haben, werden nun ihrerseits auch unruhig und bringen ihre Unruhe und Verwirrung durch dieselbe Weise der Mittheilung auch in andre Theile der Wohnung. Die Unordnung nimmt rasend zu, verbreitet sich auch auf der andern Seite der Wabe, und zuletzt unter dem ganzen Volke, bis ein allgemeiner Wirrwarr erfolgt.

Ganz ähnliche Beobachtungen, wie an diesen als hochintelligent bekannten Insecten sind aber auch in der Käferwelt gemacht. So besitzen die sogenannten „Todtengräber“, gleich der großen Mehrzahl ihrer Käfer-Collegen, einen sehr ausgebildeten Raspel-Apparat, mit dessen Hülfe sie einen abgesetzten, schnarrenden Ton hervorbringen, der ihnen unter Anderem vielleicht dazu dient, sich gegenseitig zur Verrichtung ihres gemeinschaftlichen Geschäftes herbeizurufen. Jedenfalls können sie sich aber auch vermittelst ihrer Fühler gegenseitig verständigen oder einander Mittheilung machen. Dasselbe gilt indeß für alle Käfer ohne Ausnahme, und es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß dieselben ihre oft sehr mannigfaltig und selbst sonderbar gestalteten Fühler, ganz in derselben Art wie Bienen und Ameisen, zu gegenseitiger Verständigung benutzen, wenn auch die Mittheilungen, die sie einander zu machen haben, jedenfalls weit einfacherer Natur sind, als bei den genannten Thieren. An Dr. Büchner schrieb ein Herr Goelitz aus Marysville in Nordamerika darüber Folgendes: „Im Juli des vorigen Sommers fand ich eines Tages auf meinem Felde einen Haufen frischer Erde gleich einem Maulwurfshügel, auf welchem sich ein schwarz- und rothgestreifter Käfer mit langen Beinen und von der ungefähren Größe einer Hornisse abmühte, die Erde vor einem Loche, das gleich einem Stollen in die Anhöhe führte, fortzuschaffen und den Platz zu ebnen. Nachdem ich diesem Treiben eine Weile zugesehen hatte, bemerkte ich einen zweiten Käfer gleicher Art, welcher aus dem Innern des Loches ein Häufchen Erde bis an die Oeffnung schaffte und dann wieder im Berge verschwand. Alle vier bis fünf Minuten kam ein Haufen aus dem Loche, welchen der erstgenannte Käfer fortschaffte. Beinahe eine halbe Stunde war ich Zeuge dieser Experimente. Dann kam[1] der Käfer, welcher inwendig gearbeitet hatte, an das Tageslicht und lief zu seinem Cameraden hin. Beide steckten nun die Köpfe zusammen und trafen offenbar eine Verabredung, denn gleich darauf wechselten sie die Arbeit. Derjenige, welcher draußen gearbeitet, ging in den Berg, und der andere übernahm die Arbeit außerhalb. Noch eine Weile sah ich zu und entfernte mich dann mit dem Gedanken, daß diese Thierchen sich verständigen können wie die Menschen.“

Perty erzählt: „Zu einem im Garten auf dem Rücken liegenden Maikäfer kam ein Goldlaufkäfer, um ihn aufzufressen, konnte ihn aber nicht zwingen, lief in das nächste Bosqnet und kam mit einem Cameraden zurück, wo dann Beide den Maikäfer überwältigten und nach ihrem Schlupfwinkel schleppten.“ Auch von vielen anderen Käfern hat man beobachtet, daß sie sich zu gegenseitiger Hülfeleistung herbeirufen; in auffallender Weise ist dies bei dem sogenannten Pillen-Käfer (Atteuchus oder Scarabaeus sacer) der Fall, dessen merkwürdiges Gebahren den Alten so hohen Respect, einflößte, daß ihm die Aegypter göttliche Verehrung erwiesen. Dieser Atteuchus hat nämlich die merkwürdige Gewohnheit, ein bis zwei Zoll große Kugeln aus Mist anzufertigen, in denen er seine künftige Brut unterbringt, und welche er so lange vor sich herrollt, bis sie rund und fest geworden und an den Ort gekommen sind, wo er sie einzuscharren gedenkt. Um diesen Platz zu finden, hat der Käfer oft einen langen Weg zurückzulegen und überwindet dabei intelligent die Terrainschwierigkeiten. Bisweilen jedoch kommt es vor, daß die Kugel in ein Loch oder in eine Unebenheit hinabfällt, wo sie der Käfer nicht haben will und aus der er allein oder mit Hülfe des Gatten sie nicht befreien kann. Hier sieht man plötzlich den Käfer seine Kugel verlassen, seine Flügel ausspannen und sich in die Lüfte erheben. Hat man sodann Geduld genug, die Sache ein wenig abzuwarten, so sieht man den Flüchtling nach einiger Zeit wieder zurückkehren, und zwar in Begleitung von zwei, drei,

  1. Vorlage: kaum
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_263.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)