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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


auch ihm gelang es nicht, in’s Reine zu kommen; er war sogar noch verwirrter geworden, denn er hatte vom Pfarrer, bei dem er unterwegs angehalten, die Auskunft, die er gewünscht, nicht bekommen und stand nur neuen Zweifeln gegenüber. Nur mit halbem Ohre und doch mit beistimmendem Kopfnicken hörte er aus dem Gespräche seiner Nachbarn die Geschichte, daß der alte Rieder von Ried, obwohl er schon ein guter Sechziger sei, noch einmal an’s Freien denke und das jüngste und sauberste Mädchen in seinem Dorfe zur Frau nehmen wolle. Seine Aufmerksamkeit wurde erst dann etwas mehr gefesselt, als der Steinerbauer von Stein, der auch am Tische saß, von seiner Tochter zu erzählen anfing, wie sie auf der Brünnl’-Alm’ in den Keller gefallen sei und sich am Fuß wehgethan habe. Es sei ein wahres Glück gewesen, daß die Sennerin in der andern Almhütten solch’ ein herzhaftes Leut gewesen, die Rosel auf den Rücken genommen und so in den Hof herunter getragen habe. Der Bader habe gesagt, es sei die höchste Zeit gewesen mit dem Fuß, und wenn die Rosel auf der Alm so lang hätt’ liegen müssen, bis die Botschaft herunter und die Hülf’ hinaufgekommen wär’, hätt’s leicht geschehen können, daß man den Fuß hätte abnehmen müssen. „Da drüben steht sie justament, die Prachtdirn’,“ setzte er hinzu und deutete gegen den Tanzplatz hin, wo Engerl eben mit einem Burschen vom Tanze abgetreten war und ausruhte. „Komm einmal her zu mir, Engerl!“ rief er ihr zu, „ich bring’ Dir’s – thu’ mir Bescheid! Du bist schuld, daß meine Tochter, meine Rosel, kein Krüppel ’worden ist. Das vergiß ich Dir niemals, Madel – wenn ich nur erst wüßt’, wie ich mich bedanken soll.“


Rumänische Volksmiliz beim Einexerciren.
Nach der Natur aufgenommen vom Capitain N. Karasine.


Das Mädchen hatte nicht umhin gekonnt, der Aufforderung zu folgen; mit dem ihr eigenen angenehmen Lächeln, nicht gerade demüthig und doch nicht unbescheiden trat sie hinzu und trank aus dem ihr gebotenen Krug. „Gesegn’ es Dir Gott, Steiner!“ sagte sie, „und laß Dir wegen dem Bedanken kein graues Haar wachsen! Ich thät doch nichts annehmen –“

„Oho,“ entgegnete der Bauer, „da hab’ ich auch ein Wörtl mitzureden. Wenn Du jetzt auch nichts annehmen willst, dann wart’ ich, bis Du heirathest, und das wird so lang nit sein – dann führ’ ich Dir eine Kuh vor’s Haus, die schönste, die zu haben ist auf drei Stund’ in der Rund’; da darfst nachher nicht Nein sagen: darauf mußt mir die Hand geben.“

Lachend schlug sie in die ihr dargereichte Hand und gab damit das Zeichen für Alle am Tische, die ihr ebenfalls die Hand faßten und schüttelten.

Der Himmelmooser war dadurch auch aufmerksamer geworden; er warf einen flüchtigen Blick nach dem Mädchen hinüber, dieser genügte aber, ihn so zu fesseln, daß er die Augen nicht mehr von ihr abzuwenden vermochte, doch hingen dieselben weniger an der schlanken Gestalt und dem feinen Gesicht des Mädchens, als an dem Geschnür, mit welchem das Mieder geschmückt war, und an dem viereckigen Rupertithaler, der daran hing.

Plötzlich stand er auf und trat zum Staunen Aller, die sich längst über sein hartnäckiges Schweigen gewundert hatten, vor das Mädchen hin und bot ihr die Hand. „Da hast meine Hand auch,“ sagte er, „weil Du doch so eine wackere Dirn’ bist, will ich auch keine Ausnahme machen.“

Das Mädchen stand wie vom Blitz getroffen. Gluthroth stieg es ihr in’s Gesicht, und erst nach einer Weile bekam sie Fassung und Athem genug, um antworten zu können – eh’ sie ein Wort hervorbrachte, fuhr der Bauer fort. „Brauchst nit zu erschrecken, Madel,“ sagte er, „wirst wohl auch gehört haben, daß der alte Himmelmooser ein unbändiger grober Ding ist, es ist aber nit so arg, als die Leut’ es machen – brauchst Dich nit zu fürchten vor mir.“

Engerl schlug unbefangen die blauen Augen gegen ihn auf. Ihr Innerstes erbebte vor der Wunderbarkeit der Begegnung, welche sie so plötzlich dem Vater des Geliebten gegenüber stellte – kurze Zeit nachdem sie erfahren, wie feindselig er gegen denselben gesinnt war und warum – und obendrein in einer Weise, die diesem Alten so gänzlich widersprach, und ihn eher als freundlich und wohlwollend erscheinen ließ. Dennoch faßte sie sich und erwiderte gelassen: „Ich fürcht’ Euch nicht, Himmelmooser. Ich hab’ Euch ja nichts zu leide gethan, und wenn Jemand mit mir anbinden will ohne Ursach’, dann hab’ ich das Herz und die Zung’ auch auf dem rechten Fleck.“

(Fortsetzung folgt.)
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 399. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_399.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)