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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)

ihre Herstellung geäußert hatte, erzählt, daß ein englischer Messingarbeiter, der seinen Vortrag mit angehört hatte, zu ihm gekommen sei und ihm eine Nachahmung des Kunststückes gezeigt habe. Er hatte auf einer gewöhnlichen Messingplatte mit einem Figurenstempel dreimal genau dieselbe Stelle geschlagen und jedesmal wieder abgeschliffen und polirt. Erst nach der dritten Stempelung erschien das direct unsichtbare Bild deutlich erkennbar im Widerschein. Es giebt also wahrscheinlich mehr als einen Weg, die chinesischen Zauberspiegel, deren Geheimniß so geringfügig, wie ihre Wirkung überraschend ist, zu erzeugen.

Carus Sterne.


Ein Nachmittag im heurigen Philadelphia.
Von Silvius Landsberg.


Im Begriff von dem während der vorjährigen Ausstellung so glänzend besuchten Philadelphia nach New-York zurückzukehren, befand ich mich auf dem Wege nach dem Bahnhofe, als ich, wie man in Schlesien sagt, mit einem Bekannten „das Plaudern kriegte“ und eine Fuhrgelegenheit nach der andern vorübergehen ließ. Da endlich kommt ein seltsames Ding unheimlich still daher. Ein Straßenbahnwagen, fast aussehend wie ein gewöhnlicher, nur daß er sich ohne alle äußerlich sichtbare Bespannung vorwärts bewegt. Das war einer von den sechs vorläufig zur Probe eingeführten Straßen-Dampfwagen, und die Gelegenheit, auf dem seltsamen Fuhrwerk nach dem Bahnhofe zu gelangen, war zu verführerisch, um mich nicht die Unterhaltung abbrechen zu lassen, es dem Andern anheimstellend, sie als Monolog und auf eigene Rechnung fortzusetzen. Ein Wink, und das curiose Fahrzeug hielt mit einem Gehorsam still, den ihm weder ein Pferd, noch ein Mensch oder sonstiges Zugthier nachthut. Und ebenso prompt setzte es sich auch wieder in gemächliche Bewegung, sobald der Fuß den dazu bequem angebrachten Tritt erreicht hatte.

Dieses Locomobile, welches mit einem Dampfdruck von hundertundzwanzig Pfund arbeitet, kann augenblicklich auf alle Grade der Geschwindigkeit regulirt werden, und in soweit dürfte das Problem, den Dampf statt der Zugthiere auf belebten Städte-Straßen anzuwenden, gelöst sein. Ob es aber auch ebenso sicher sei als gewöhnliche Fuhrwerke, ist wohl noch eine Frage der Zeit; denn bei Terrain-Steigerungen muß die gesammte Dampfkraft benutzt werden. Wenn es da einmal, „wo Gott für sei“, ein Unglück giebt, so dürfte es bei dem beengten Raume schwierig werden, sich vom Schrecken wieder zu „sammeln“. Ich wenigstens würde, falls ich Aussicht auf öftere derartige Fahrten hätte, mir der Vorsicht halber jedes einzelne meiner Gliedmaßen mit meinem Vor- und Zunamen nebst Wohnung tätowiren lassen. – Der vordere Theil des Waggons ist auf etwa drei Fuß Länge durch eine Zwischenwand von den Passagiersitzen getrennt. Während sich nun die Maschine unter dem Fußboden hinzieht, befinden sich in jenem vorderen kleinen Raume der Dampfkessel, die Kohlen und sonstigen Utensilien sammt dem Maschinisten. Dieser, das Bremsrad vor sich, auf schmalem Sitze zwischen dem Kessel und der rechten Seitenwand eingepfercht, sitzt buchstäblich auf Kohlen und hat dicht zu seiner Linken den etwa vier Fuß hohen und dritthalb Fuß breiten, also mächtigen Topf mit heißem Wasser, eine sehr warme Situation, auch abgesehen von der Juni-Temperatur von mehreren zwanzig Graden. Leider bin ich in der Kochkunst nicht bewandert genug, um zu sagen, ob Einer dabei mit der Zeit geröstet, geschmort oder wie sonst zugerichtet herauskommt, aber so viel weiß ich: ein ganz roher Mensch kann dieser moderne Dampf-Schwager schon jetzt nicht mehr sein.

Daß sich ein Theil dieser angenehmen, trockenen Wärme, mit etwas brenzlichem Geruche, auch dem Passagierraume mittheilt, versteht sich von selbst, und darum dürfte sich das Ganze für den Winter eher empfehlen, als für den Sommer. Gegen kalte Füße jedoch giebt es schwerlich ein probateres Mittel, was ich auf Verlangen gern bescheinigen will; denn die meinigen werden schon in Folge dieser einen Fahrt wohl schwerlich je wieder kalt werden. Uebrigens wäre, im Ganzen genommen, die Reise befriedigend von Statten gegangen, wenn nicht unterwegs, in Folge eines der hier so beliebten blinden Feuerlärme, die Wasserschläuche quer gegen die Schienen gelegt und wir dadurch so lange aufgehalten worden wären, bis der Feuerlärm glücklich wieder gelöscht war. Schließlich kamen wir doch am Bahnhofe an. Daß hier jedoch nicht allein der Schnellzug, sondern auch der eine halbe Stunde später gehende Personenzug bereits abgegangen waren, versteht sich von selbst. Ja, ich hatte nicht einmal mehr das Nachsehen, denn auch dazu waren sie beide schon viel zu lange fort.

Nun gehöre ich zu jener bevorzugten Minorität der New-Yorker, welche, Angenehmes mit Nützlichem verbindend, das ganze Jahr hindurch in der vorstädtischen Sommerwohnung bleiben. Im Vertrauen gesagt: wegen der theuren Stadtmiethen. Ich kann also nur solche Züge benutzen, welche in New-York noch vor Abgang der letzten Fahrgelegenheit nach meiner Heimath „im engeren Sinne“ anlangen. Indeß, die hiesigen Eisenbahn-Compagnien haben auch hierfür gesorgt, und um ihre Passagiere vor Hôtel-Rechnungen oder nächtlichen Promenaden zu bewahren, ist dem von Philadelphia nach New-York Nachts ein Uhr abgehenden Zuge ein Pullman'scher Schlafwaggon beigegeben, welcher, gegen Extrazahlung von zwei Dollars und einem Trinkgeld für den Aufwärter, schon um neun Uhr Abends zur Verfügung steht. Hieran knüpft sich die fernere Berechtigung, bis sieben Uhr Morgens darin zu verbleiben, obwohl der Zug schon um vier Uhr in New-York anlangt; „denn,“ fragt sich der verfrühte Ankömmling, „was thue ich so zeitig in Potsdam?“ Hier also wird einfach, statt in einem Hôtel, in der „Palace Car“ eingekehrt, und ohne etwas von der Reise gespürt zu haben, erwacht man des Morgens am Orte seiner Bestimmung und hat wohl geschlafen.

Dieser Zug mit seinen Bequemlichkeiten war nun auch der einzige mir heute noch übrig gebliebene; nur war ich dafür leider sieben Stunden zu früh am Bahnhofe angekommen. Jetzt war es erst zwei Uhr und ich eine Stunde weit von der Stadt entfernt; das nenne ich einen angebrochenen Nachmittag. Ein längerer Aufenthalt in der weiten, ungemüthlichen Bahn-Halle aber mit ihren Holzbauten und den vielen mene-tekelhaften Aufschriften: „no smoking“ – „nicht Rauchen“ war fast unmöglich und guter Rath also theuer.

Ich that, was in solch kritischer Lage wohl jeder Deutsche gethan haben würde: ich sah mich zunächst nach einem Glase Bier um. Und – „ganz wie in Deutschland“, oder besser: „wie im Märchen 'Tischlein deck dich'“ – ich hatte kaum den Wunsch zu Ende gehegt, als sich dem Bahnhofe gegenüber ganze Reihen von Schildern mit der lieblichen Aufschrift „Lagerbier“ vor mir entfalteten. Da waren die besten der Namen genannt und die renommirtesten Brauerfirmen, soweit hier zu Lande die deutsche Zunge durstig reicht, vertreten. Ich könnte sie Alle an den Fingern herzählen, wenn das nicht aussähe wie Reclame und als ob ich dafür bezahlt bekäme, was leider nicht der Fall ist. Die Anziehungskraft dieser verschiedenen Biersorten wirkte so stark auf mich, daß ich mich nach einiger Zeit unvermerkt mehr als genügend erfrischt fühlte, indem ich auf einen jener gescheidten Einfälle kam, wie wir sie nur nach genossenen Erfrischungen bekommen können. Jetzt gewahrte ich nämlich auf den meisten der hier vorüber fahrenden Bahnwagen die Aufschrift „Permanent exhibition, admission 25 Cents“ und beschloß, die mir auferlegte mehrstündige Kunstpause durch einen Besuch der diesjährigen Ausstellung auszufüllen. Gedacht, gethan; nur daß ich diesmal zwei schweißtriefende Gäule dem tückischen Dampfe vorzog.

Nach dem Fairmount-Parke, wo sich bekanntlich die Ausstellung befindet, führen meines Wissens drei Wege, und daß sich außerhalb der Stadt, allen dreien entlang, die feine, das heißt die reiche Welt angesiedelt hat, versteht sich von selbst. Der mittlere dieser Wege, der, auf welchem ich mich befand, ist wohl der schönste und die ganze Strecke von beinahe einer deutschen Meile an beiden Seiten fast ununterbrochen mit stattlichen Villen besetzt, ähnlich wie im Berliner Thiergarten auf dem Wege nach Schöneberg. Ich habe in Amerika diese meilenlangen Villa-Reihen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 489. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_489.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)