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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


machen und Beschwichtigungspflaster auflegen, wenn die Cavallerie im Sturme Städte erobert – es bleibt uns nichts Anderes übrig, als unsere Ferien zu genießen; heute führen die Herren Militärs einzig und allein das Wort, es muß sich erst zeigen, was daraus wird, dann erst können auch wir ein Wörtchen mitsprechen.“

Dies zur Charakteristik der herumschwirrenden, wenigstens vorzeitigen, Friedensgerüchte.


Türkische Vorposten auf einer überschwemmten Donau-Insel zwischen Giurgewo und Rustschuk.
Nach der Natur skizzirt von Capitain N. Karasine.


Drei Tage darauf, als die erstaunende Kunde von der Ueberschreitung des Balkan wie ein Blitz aus heiterm Himmel kam, fand ich den nämlichen Diplomaten sehr ernst gestimmt.

„Allerdings,“ meinte er, „kann man den Türken gegenüber eine geringere Vorsicht anwenden, als bei einem andern Feinde. Aber das ist zu viel gewagt. Doch,“ fügte er hinzu, „die Militärs müssen wissen, was sie thun, und was für eine Verantwortlichkeit sie haben.“

Da die maßgebenden Gründe für eine Einschränkung des Vormarsches der russischen Hauptmacht ganz besonders in dem Umstände liegen, daß rechts und links von ihnen bedeutende Streitkräfte in festen Stellungen sich befinden, so muß jede Action, welche dem Heere nach rechts und links die Freiheit der Bewegung giebt, als eine vorzügliche betrachtet werden. Einen solchen Erfolg haben nun die Russen, um die Woche gut abzuschließen, in Nikopolis errungen. Nikopolis, sonst eine ziemlich behäbige Stadt von etlichen dreißigtausend Einwohnern – heute ein Schutthaufen –, liegt auf dem bulgarischen Donau-Ufer schräg gegenüber von Turnu-Maguerelé und Islaz, zwei rumänischen Dorfschaften, wovon die eine, die größte, von Russen, die andere von Rumänen besetzt ist. Schon am 27. Juni, da der Donau-Uebergang versucht wurde, hatten die russischen Batterien Nikopolis mit einem derartigen Granatenhagel bescheert, daß schon damals von der armen Festungsstadt schwerlich etwas Gesundes und Ganzes übrig geblieben sein wird. Wie mag es nun jetzt drüben ausschauen, da die Rumänen die ersehnte Erlaubniß erhalten haben, auch mitzuspielen! Die Rumänen waren aber nicht wenig stolz auf die Thätigkeit, welche sie von Islaz aus entwickeln durften, und als die Stadt in die Hände der Russen gefallen war, beeilten sie sich, die Kunde davon so rasch nach Bukarest zu senden, daß der Fürst Gortschakoff auf diesem Wege von dem bedeutenden Ereignisse verständigt wurde, lange ehe eine officielle Bestätigung aus dem Haupt-Quartiere eintraf.

Mit jener politischen Routine, die ihnen eigen ist, benutzten die noch immer bei Kalafat durch das Machtwort des Czaren festgebannten Rumänen die Gelegenheit, eine kleine politische Manifestation zu insceniren. Es giebt nämlich in Bulgarien sehr zahlreiche, ausschließlich von Rumänen bewohnte Ortschaften, die von den anderen bulgarischen Dörfern streng abgeschlossen sind und ihren eigenen Charakter bewahrt haben. Unter den besonderen Eigenthümlichkeiten dieser Leute muß hervorgehoben werden, daß diese Rumänen die Sprache des Landes, in welchem sie sich befinden, nicht erlernen und sich nach wie vor der walachischen bedienen. Mehrere dieser Dörfer liegen hart an Nikopolis, gegenüber von Islaz. Ein rumänischer Officier wirkte sich leicht von dem Commandanten die Erlaubniß aus, drüben eine Recognoscirung auszuführen, und er kam in die erwähnten Dörfer. Hier wurde Salz und Brod gebracht, ohne dabei einige Tonnen zu vergessen, welche von den Dorobanzen und den rumänisch-bulgarischen Bauern gemeinschaftlich geleert wurden auf die Größe und die Neugeburt des ganzen rumänischen Reiches. Das Ganze war nicht übel in Scene gesetzt.

Der Fall von Nikopolis ist insofern merkwürdig, als er beweist, daß die Türken durchaus nicht freiwillig die Donau-Linie räumten, weil sie ohne den ernsten Willen der Vertheidigung sicherlich nicht eine ganze Division geopfert hätten, die nun den

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 527. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_527.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)