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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


Hoch auf aber athmete Adelheid. Ihr war ein Stein vom Herzen gefallen. „Sie liebt ihn und nur ihn,“ jubelte es in ihr. „Wer könnte noch zweifeln? Wie konnte ich so verblendet sein! O, über mich selbst möchte ich lachen.“ Und unbewußt lachte sie still vor sich hin.

Mit Verwunderung bemerkte es die Aebtissin.

„Du lachst, Kind?“ fragte sie, zu ihr tretend.

Verwirrt fuhr Adelheid empor, aber schnell gefaßt deutete sie auf Maria.

„Sehet doch selbst, ehrwürdige Frau,“ lächelte sie. „Ist das burgundische Hofetiquette? O, Huy hatte Recht – es giebt Granden der Zeit, die jeder Form spotten.“

„Maria liebt,“ seufzte entschuldigend die fromme Frau.

„Sie ist geliebt,“ seufzte das Hoffräulein.

Mit einem seltsam weltlichen Blicke sah ihr die Aebtissin in’s Auge; dann erhob sie schalkhaft drohend den Finger, und ein „Ei, ei, Fräulein!“ kam eben über ihre Lippen, als eine rasche Bewegung der Herzogin ihr Auge dorthin lenkte.

„Aber o Gott, mein Geliebter,“ rief Maria, sich scheu umblickend, wie wenn sie erst jetzt zur Wirklichkeit zurückkehre. „Du kommst doch nicht ohne starke Macht, ohne Heer?“

Maximilian lächelte.

„Siehe da, meine Theure,“ sagte er launig, auf den alten Ritter und den Pagen deutend, die, von Allen unbemerkt, längst hinter der Warte vorgetreten waren, „Ritter Ehrenhold und Junker Fürwittig; sie sind mein ganzes Heer.“

Trotz ihres Schreckens konnte Maria dem Schalke hinter ihren Lippen nicht Einhalt thun; er sprang hervor.

„Führwahr, mein Lieber,“ lachte sie mit kindlicher Lust, indem sie unmuthig die sich vor ihr Neigenden begrüßte, „Du hast die zahlreichste Macht, denn Dir folget Alt und Jung.“ Und dann seine eigene Weise nachahmend, fuhr sie fort: „Du aber, mein Theurer, sieh hier meine ehrwürdige Base Chimay und das Hoffräulein von Helwin – sie sind mein ganzes Heer.“

„Der Segen des Himmels, ehrwürdige Frau,“ sprach Maximilian verbindlich die Aebtissin an, „gilt mehr als ein Heer.“

Die Aebtissin verneigte sich vor ihm, nicht ohne zum Danke mit ihrer Hand das Zeichen des Kreuzes zu schlagen.

„Das Fräulein aber,“ wendete er sich mit einem Zuge von Schelmerei an Adelheid, „scheint mir in irdischen Dingen sehr wohl berathen.“

„Das ist sie, das ist sie,“ nickte Maria. „Sieh, welche Menschenkenntniß!“

In tiefster Beschämung neigte sich Adelheid. Aber ohne Erbarmen fuhr er fort:

„Nicht so, Fräulein? Im Herzen des Menschen, zumal auf den Thronen, muß neben dem Hauptplatze immer noch ein Sessel leer stehen?“

„Verzeiht, Herr!“ stammelte sie kaum hörbar.

„Wie weißt Du?“ fragte erstaunt Maria.

„Pst, meine Liebe!“ lächelte Maximilian. „Auch ich habe meine kleinen Geheimnisse unter allen den großen, die uns hier umgeben. Aber mit solcher Hülfe und mit dem bewaffneten Geleite, das Du mir entgegensandtest, verzweifle ich an nichts.“

„Bewaffnetes Geleite, Max?“

„Ei, meine Liebe, Du weißt ja, die beiden Hauptleute mit fünfhundert Mann, die mich an der Grenze in Deinem Namen empfingen.“

„In meinem Namen? Träume ich denn? Ich weiß von nichts.“

„Nun, dann, bei meinem Schutzpatron, hat Ritter Ehrenhold Recht, und es sind keine Leute von Fleisch und Blut, die uns bisher durch die Wälder geleitet.“

„Mir graut, Max,“ flüsterte Maria. „Denn wisse, auch ich stehe unter unsichtbarem Schutz. Aber ich ahne jetzt wenigstens den räthselhaften Vermittler, der mich arme Gefangene im letzten Augenblicke der Noth Dich hier finden ließ.“

„Dich arme Gefangene? Im letzten Augenblicke der Noth? Und spazierest doch frei in Wald und Ruinen umher?“

„O mein Geliebter, dort seitwärts halten fünfzig Mann Cleve’scher Reiter, die mich überwachen. Und Du weißt noch nicht das Schlimmste, weißt nicht, daß ihr Herr mich durch den blutdürstigen Pöbel gezwungen hat, noch heute Abend mein Verlöbniß mit seinem Sohn feiern zu lassen.“

„Ehrenhold, Ehrenhold,“ rief Maximilian zu dem alten Ritter hinüber, „hatte ich Recht, zu eilen? Ha, zur guten Stunde bin ich gekommen. Bei meinem Schwerte, das Fest gedenken Wir zu stören. Einen mächtigen Drachen glaubte ich im Kampfe bestehen zu müssen, aber kein winziges Eidechslein.“

„Vorsicht, Vorsicht, Max!“ flehte Maria. „O fürchte den Clever! Seine Macht ist groß beim Volke, und sein Sohn ist ein Tapferer. Horch!“

Alle lauschten auf. Von der Lichtung her erscholl Galoppschlag, der alsbald wieder verstummte. Dann klang die laute Stimme Huy’s herüber: „Führet die Pferde fort! Meine Stute gehört dem Prinzen.“

„Das ist Huy mit dem Prinzen von Cleve,“ flüsterte Maria. „Um Gott, Max, verbirg Dich!“

„Ich mich verbergen? Vor ihm?“ antwortete Maximilian stolz lächelnd. Und ruhig sich auf sein Mauerstück setzend, fuhr er fort: „Ein einziges Mal in meinem Leben habe ich mich verstecken müssen – als Kind – damals, als im Bruderkriege meine lieben Wiener, die allezeit unruhigen Köpfe, die Hofburg belagerten und meine Mutter sich mit mir in das feste Erdgeschoß flüchtete. Aber bei Gott, nie wieder!“

„Wenn Du mich liebest, Max – Du hörest es ja, sie kommen,“ drang Maria in ihn.

„Ich höre sie, und ich liebe Dich sehr,“ sagte er gelassen. „Darum bitte ich Dich: ziehe Dich ein wenig hinter die Ruine zurück! Auch Ihr, lasset mich!“ befahl er kurz zum Ritter und zum Junker hinüber.

Die Schritte ließen sich schon dicht hinter der Krümmung des Fußpfades vernehmen. Deutlich war die rauhtönige Stimme des Prinzen zu erkennen.

„Ich sagte es ja,“ sprach er, „mein Hengst setzt wie ein Hirsch. Aber jetzt mache ich mir wahrlich ein Gewissen vor meinem Herrn Vater daraus. Ich eile voran, Huy, nach meiner gnädigen Braut zu sehen.“

„Seiner Braut!“ brauste Maximilian auf. Und emporspringend und auf das Portal deutend, gebot er: „Geht!“

„Max!“ flehte noch einmal, mit gefalteten Händen zu ihm aufblickend, Maria.

„Geh!“ antwortete er streng. Und Alle gingen.

Es war die höchste Zeit gewesen. Kaum war Maria gesenkten Hauptes hinter dem Portal verschwunden, als der Prinz von Cleve den Hofraum betrat. Den fremden jungen Rittersmann erblickend, stutzte er und trat einen Schritt zurück; seine Hand legte sich auf den Degenknauf.

„Wo ist die Herzogin?“ rief er.

Maximilian deutete auf das Portal.

„Dort ist sie, und unter meinem Schutze.“

„Schutz? Vor wem?“

„Vor Jedem, der ihre Freiheit bedroht.“

„Was wagt Ihr?“ fuhr der Prinz auf. „Bei meines Herrn Vaters Zorn, das geht Euch an den Kopf, Mann!“

„Denkt an den Eurigen – er sitzt sehr lose ... Mann!“

„Ha, kennet Ihr mich nicht? Sehet in mir den künftigen Herrn von Burgund und Niederland!“

„So hoch hinauf?“ spottete Max. „Sieh da, ein Hofhahn will in’s Adlernest.“

„Frecher Bube!“ knirschte der Prinz, „ein Wort von mir genügt, Dich binden zu lassen – aber erst steh’ mir Rede! Wer bist Du?“

Maximilian’s Augen funkelten. Mit all seiner angeborenen Hoheit den Kopf zurückwerfend, maß er die vierschrötige Gestalt des Prinzen von oben bis unten.

„Wer ich bin? Einer, der gewohnt ist, mit dem Schwerte Antwort zu geben. Hie Teuerdank!“ Und sein Schwert flog aus der Scheide.

Der Prinz that es ihm nach. Aber einen so ungewöhnlichen Eindruck hatten ihm Haltung und Wesen des Anderen gemacht, daß er, wie um sich eines Rückhaltes zu versichern, noch während des Ziehens den Kopf wandte, um Huy, der mit verschränkten Armen am Hofraum stand, ein „Hollah“ zuzurufen.

In demselben Augenblicke fühlte er einen flachen Klingenhieb.

„Ha, Feigling! Auch noch Hülfe?“ höhnte Maximilian.

„Tod und Teufel! Ich züchtige Euch allein. Hie Prinz

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 696. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_696.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)