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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)

No. 42.   1877.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.



Teuerdank's Brautfahrt.
Romantisches Zeitbild aus dem 15. Jahrhundert.
Von Gustav von Meyern.
(Fortsetzung.)


„Wohlan!“ raunte während dessen der Junker seinem Herrn zu. „Nieder mit dem Rebellen! Weg mit dem Rivalen!“

„Rühr' ihn nicht an! Nur zum Schein!“ gebot ihm Maximilian mit strafendem Blick.

„Es gilt die Krone!“ wagte noch einmal der Page ihn anzustacheln.

„Nicht um alle Kronen der Welt!“ rief zürnend, fast feierlich Maximilian. Und eine unnachahmliche Hoheit umgab ihn, als er jetzt mit lauter Stimme fortfuhr: „Nein, kein Blut! Wen ein Kaiserssohn gewürdigt, das Schwert mit ihm zu kreuzen – und wär' es ein Verbrecher am Reich, den hat er begnadigt. Stecket Eure Schwerter ein, meine Getreuen! – Und Ihr, Prinz, nehmet das Eurige zurück! Es ist dort nicht an seinem Platze. Ihr seid ein Tapferer und seid frei.“

Mit einem innigen Blicke auf ihren hochherzigen Geliebten faltete Maria, mit gerührtem Dankesblicke gen Himmel die Aebtissin die Hände. Der Prinz hob beschämt das Schwert vom Boden. Ritter und Junker steckten gehorsam die ihrigen ein. Aber was war das? Hugo von Huy, der mit auffallender Besorgniß den Worten Maximilian's gefolgt war, hatte unbemerkt sein Silberhorn an den Mund gesetzt und stieß in diesem Augenblicke einen langgezogenen seltsam klingenden Ton hinaus.

„Was thut Ihr?“ fragte Maximilian erstaunt und zum ersten Male Huy näher in's Auge fassend.

„Verzeihet, Herr!“ versetzte dieser sich tief verneigend. „Es ist für die persönliche Sicherheit unserer erhabenen Gebieterin.“

„Für die Sicherheit der Herzogin! Ich verstehe,“ sagte Max, den Cavalier mit seltsamem Blicke messend, und wie beschämt, von ihm daran gemahnt zu werden, daß sie in nächster Nähe von Feinden bedroht, aber auch von Freunden umgeben seien. Zugleich aber auch erkennend, daß er in seiner Großmuth zu weit gegangen sei, wandte er sich, wenngleich entschlossen, sein Wort zu halten, so doch nicht gesonnen, eine falsche Deutung desselben zuzulassen, zum Prinzen zurück.

„Allerdings, Prinz, seid Ihr frei, wie ich Euch angekündigt. Aber, wie Ihr selbst mir entgegenhieltet, sind wir hier in fremdem Lande, in fremder Sache, und wenn wir persönlich auch Frieden halten können, so doch nicht die Unserigen. Darum höret einen Vorschlag zur Güte! Gelobet mir für Eure Person Urfehde, wie ich verspreche, sie Euch zu halten. Ich habe Euch ohne fremde Beihülfe außer Gefecht gesetzt. Ihr waret in meiner Hand, und ich kann nicht ritterlicher gegen Euch verfahren.“

„Das ist ehrlich, Herr. Ich schlage ein,“ rief der Prinz und schlug in die dargebotene Rechte.

Plötzlich erdröhnte der Wald von wildem Getümmel. Lauter Aufschrei, Waffengeklirr, Hülferuf und kurzer Siegesjubel, mit Wiehern und Stampfen der Pferde vermischt, wurde von der Lichtung her vernommen. Lautlos horchten Alle auf. Maria schmiegte sich zitternd an Max; Adelheid suchte Schutz bei Huy. Ritter und Junker hielten die Hand am Schwertgriff. Aber nur wenige Minuten, und Alles war wieder still, wie zuvor.

„Verstehe ich recht?“ wandte sich Maximilian an Huy.

„Wir werden es sogleich erfahren, Herr,“ erwiderte dieser, sich nochmals verneigend.

Und es geschah nach seinem Wort. Eilige Schritte kamen von der Lichtung her. Eine seltsame Kriegergestalt, halb einem Waidmann, halb einem Reiterhauptmann ähnlich, betrat den Hofraum. Von oben bis unten in Grau gekleidet, mit langem grauem Bart, trug er einen grünen Zweig an der hohen, helmartigen Filzkappe. Mit auffallender Erregung die Versammlung überfliegend, blieb sein Blick, ohne bei Maria oder Maximilian zu verweilen, auf Hugo haften. Bei dem Anblicke dieses, wie von plötzlicher Freude ergriffen, zuckte er zusammen, hob die Arme, aber – ein strenger Blick aus Hugo's Auge, und ehrerbietig sich neigend, meldete er ihm: „Die Cleve'schen sind entwaffnet, Herr.“

„Kein Mann entkam?“ fragte Hugo kurz.

„Nicht einer, Herr! Sie lagerten noch bei den Pferden, als wir sie von allen Seiten umzingelten.“

Erstaunt hatten die Anwesenden das Benehmen des Hauptmanns gegen Huy gesehen; erstaunt hörten sie seine Meldung. Der Prinz schleuderte einen wüthenden Blick auf Hugo, der mit dem Hauptmanne leise weiter sprach.

„Der Verräther!“ knirschte er für sich.

Adelheid aber schien sich während dessen in einer besonders anmuthigen Stellung zu gefallen. Sie hatte ihren rechten Fuß über den linken geschlagen, so daß die Spitze des ersteren kaum den Boden berührte, und – mochte es nun die natürliche Folge dieser graziösen Haltung sein, oder nicht – mit Kopf und Oberkörper neigte sich auch ihr linkes Ohr auffallend zu Hugo hinüber. Vielleicht daß sie es selbst nicht wußte, aber zu ihrem Nachtheil ließ die Höhe ihres Zuckerhutes à la hénin nach geometrischen Grundsätzen die Neigung ihres Kopfes zur Seite um so größer erscheinen, als ein verlängerter Radius von einem größeren Kreisbogen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 701. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_701.jpg&oldid=- (Version vom 29.5.2018)