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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


amerikanischen Physikers Edison. Derselbe hat ein Mittel gefunden, auch die zartesten Modulationen der Stimme getreu in elektrische Ströme zu übersetzen, indem er nämlich an Stelle der Platinspitze des Reis’schen Telephons eine Spitze aus Graphit, dem Material unserer Bleistifte, einsetzt; denn an dem Graphit hat er die höchst merkwürdige Eigenschaft entdeckt, dem elektrischen Strome nun so weniger Widerstand entgegen zu setzen, je stärker der mechanische Druck ist, welcher auf denselben ausgeübt wird. Wenn nun durch eine Hebung der Stimme die Membran in stärkere Schwingungen versetzt wird, so schlägt das Platinplättchen kräftiger gegen die Graphitspitze; der Strom findet in der momentan gepreßten Spitze weniger Widerstand und kommt auf den andern Station verstärkt an: so spiegelt sich jede Biegung und jeder Schmelz der Stimme getreu in den Strömen; das todte Graphiteinschiebsel giebt der Stimme des eisernen Kehlkopfes die Weichheit und den seelenvollen Klang.

Auch der Tonempfänger des Edison’schen Telephons ist eigenthümlicher und sinnreicher Art. In demselben dient nämlich das Geräusch, welches ein Metallstift aus einem chemisch präparirten und über eine Rolle bewegten Papier erzeugt, wenn die Schallströme hindurch geleitet werden, zur Wiedergabe der in der Ferne dem Drahte anvertrauten Laute. Um den Ton zu verstärken, ist der Stift mit einem hölzernen Schallkasten in Verbindung gesetzt worden.

Aber auch wenn das Telephon gar nicht weiter zu vervollkommnen wäre, sind seine bisherigen Leistungen bereits geeignet, eine große Umwälzung im Telegraphenwesen hervorzurufen. Es ist nämlich sehr wahrscheinlich, daß man alle die kleinen Seitenstrecken nach Orten, die nicht an den Hauptlinien liegen, zum Telephonbetriebe herrichten wird. Nicht nur weil dieser einfache Apparat äußerst billig (für zehn bis zwanzig Mark das Stück) herzustellen ist, sondern namentlich, weil sein Gebrauch nicht weiter erlernt zu werden braucht, vielmehr von dem ersten Besten geschehen kann. Es bedarf einzig nebenher einer in dieselbe Leitung eingeschlossenen Klingel, um die Beamten darauf aufmerksam machen zu können, daß ihnen mündlich etwas zur Weiterbeförderung aufgetragen werden soll.

Wir sehen, wie in diesen Apparaten die menschliche Stimme mit allen ihren Eigenthümlichkeiten von einfachen, schwingenden Stäben und Platten wiederholt wird, nachdem sie, in eine ganz andere Sprache übersetzt, lautlos ungeheure Wege zurückgelegt hat. Kaum kann es ein besseres Instrument zur Veranschaulichung der Sinnesempfindungen in unserem eigenen Körper geben. Auch unser Ohr ist nur ein Telephon, in welchem die übermittelten Töne mechanisch wiederklingen, dann in andere Schwingungen übersetzt – und durch einen Draht – den Gehörsnerven – zu dem freilich sehr nahen Centralbureau des Menschen geführt werden.

Eine Tonfolge, die als solche unterwegs verschwindet und drüben wieder auflebt, als sei sie nie verschwunden, Nüancen, welche die ganze Gluth der Empfindung einschließen, neu hervorgebracht durch einen seelenlosen mechanischen Apparat! Was will dagegen Münchenhausen’s Posthorn bedeuten, dessen unterwegs eingefrorene Töne am warmen Ofen des Wirthshauses aufthaueten und losschmetterten? So überflügeln die Leistungen der Wissenschaft die Phantasie des ärgsten Aufschneiders.

C. St.




Noch einer vom alten Schrot und Korn.

„In demselben Geiste der Unparteilichkeit und Wahrheit, wie wir dies von Wilhelm Zimmermann rühmen, hat die ‚Gartenlaube‘ seit ihrem Bestehen mit ihren Geschichtsbildern zu wirken gestrebt, und es geschieht aus diesem gesinnungsverwandtschaftlichem Gefühl, daß wir dem wackern deutschen Geschichtsreiniger als ein Zeichen wohlverdienter Anerkennung seines Wirkens auf dem Felde der Wahrheitsforschung und des Freiheitskampfes diesen Artikel widmen.“ Mit diesen Worten schlossen wir im Jahrgang 1869 unseres Blattes eine Mittheilung über W. Zimmermann als den „Geschichtsschreiber der Wahrheit“, welcher wir das Bildniß desselben beigegeben hatten.

Acht Jahre sind seitdem vergangen; der alte Herr hat am 2. Januar dieses Jahres sein siebenzigstes Jahr überschritten, ohne daß Geist, Herz und Hand ihm zu schwach geworden wären, um noch ein großes Werk zu vollenden. Als die Arbeit der letzten sechs Jahre liegt vor uns seine „Illustrirte Geschichte des deutschen Volkes“ (verlegt und trefflich ausgestattet von Gustav Weise in Stuttgart), von welcher 1873 der erste, zwei Jahre später der zweite und jetzt der dritte Band erschienen ist. – Die Charakteristik der Geschichtsbehandlung Zimmermann’s, auf die wir oben zurückgewiesen, findet in vollem Umfang auch auf diese neueste Leistung desselben Anwendung; auch in ihr herrscht von der ersten Seite des Buches bis zum Schlußworte derselbe warme nationale Zug und dieselbe Schärfe des Urtheils der historischen Gerechtigkeit, gleich unerbittlich nach oben wie nach unten, wie in den früheren Schriften des fleißigen Mannes, und so ist auch dieses; die ganze deutsche Geschichte bis zur Gründung des neuen deutschen Reiches umfassende Werk ein echtes Volksbuch, das die Weckung, Klärung und Stärkung eines gefunden vaterländischen und Freiheitssinnes sich zum offenen Ziel gesetzt hat.

Einen sehr hohen Werth legen wir seiner Darstellung der letzten fünfzig Jahre unserer Geschichte bei, die für Zimmermann eine selbstdurchlebte ist. Er war bereits als Privatgelehrter in Stuttgart thätig, als die Julirevolution ausbrach, arbeitete schon damals als Zeitungsschreiber mit an der öffentlichen Meinung, verlor die 1847 angetretene Professur für Geschichte, deutsche Sprache und Literatur an der Stuttgarter Polytechnischen Schule in Folge seiner Wirksamkeit in der Paulskirche und seines Verhaltens beim Rumpf-Parlament und in der würtembergischen Landesversammlung 1850 und ist erst seit 1864 als Landpfarrer wieder im Staatsdienst. Er hat demnach selbst in der Arena gestanden, auf welcher Geschichte gemacht wird.

Wie klar der politische Blick dieses ehemaligen Zöglings des Tübinger Stifts, stillen Gelehrten und Dorfpastors durch das Forschen in der Geschichte und die eigenen Erfahrungen im Volksleben geworden, dafür zeugt die folgende Stelle seiner Fortsetzung der „Deutschen Geschichte“ Wirth’s (Band IV, S. 97), die im Jahre 1865 geschrieben ist: „Zur Schöpfung eines lebenskräftigen deutschen Einheitsstaates, bei den ungeheuren von außen wie von innen vorliegenden Hindernissen, gehört eine eisenstarke, der Furcht wie der Verführung unnahbare Seele und eine geniale Geisteskraft von ausnahmsweiser Größe, in einem Manne vereinigt. Ob das ein regierender Fürst, oder ein Minister eines deutschgesinnten Fürsten, oder ob es ein durch die Zeitverhältnisse und in Folge davon durch eine allgemeine nationale Bewegung emporgehobener und an die Leitung der deutschen Angelegenheiten gebrachter Mann des Volkes ist, darauf kommt es nicht an, obgleich ein großbegabter Fürst, wie der zweite Friedrich von Preußen, oder wie der erste Kaiser Joseph, ja sogar noch wie der zweite Joseph, die meiste Wahrscheinlichkeit glücklichen Erfolges für sich hätte, so, wie die Sachen in Deutschland und in Europa einmal liegen. Nur das Eine ist gewiß: ein einziger Mann, die harmonische Einheit des Kopfes und Willens in gleicher Großheit an der Spitze der Leitung, gehört dazu, um die Schöpfung des deutschen Einheitsstaates ins Leben einzuführen. – – Wo dieser Eine Mann, der Mann im vollen Sinne des Wortes, welcher die zerstreuten Kräfte seines Volkes zusammenfaßt, auf das Eine hohe Ziel richtet und verwendet, rücksichtslos gegen alle Parteien, in einer Nation fehlt, da wird auch eines Volksparlamentes Sitzen und Tagen, wie das der Fürsten- und Ministercongresse, sich im Sande verlaufen."

Wenn wir bedenken, daß Zimmermann im Jahre 1865, wo man in ganz Deutschland mit lautem Grolle auf die oberste Leitung Preußens sah, Niemanden weniger, als den bekannten „bestgehaßten“ Mann vor Augen haben konnte, so müssen wir gestehen, daß der Mann, wie ihn die Zeit brauchte und wie er sich, als seine Zeit kam, erwies, nicht treffender gekennzeichnet werden konnte, als dies hier geschehen ist.

Mit demselben Scharfblicke, derselben Wahrheitstreue und Unerschrockenheit stellt er die von ihm selbst erlebte Zeit dar, und das ist ein Verdienst, das wir ihm nicht hoch genug anschlagen können. Haben wir auch keinen Mangel an Geschichtswerken, welche „bis auf die Gegenwart“ reichen, so fehlt es doch auch nicht an solchen, deren Verfasser einer jüngeren Generation angehören, denen das Herz nicht geschlagen hatte unter den Drangsalen, welche vor und nach der Julirevolution bis zu dem Sturm von Achtundvierzig zu erleben waren. Wer jetzt das Mannesalter betritt, war selbst in der traurigen Reactionszeit der fünfziger Jahre noch ein Kind. Allen diesen ist es schwer, ein wahres Bild von der Zeit zu gewinnen, wo Metternich und Rußland das politische Deutschland überwachten und der Gedanke an „ein deutsches Vaterland“, ein „deutsches Reich“ als Hochverrath gegen die Souverainetät jedes einzelnen Bundesstaates verfolgt wurde. Selbst uns Aelteren, die wir noch die Polen von Ostrolenka umarmt und am Hambacher Feste mitgejubelt haben, wird es nicht leicht, aus unserer jetzigen Lebensfreiheit in einem großen und mächtigen Deutschland heraus uns zurückzudenken unter den Druck der Polizeistaaterei mit ihrer Censur, ihren Verboten, ihren obrigkeitlichen Beschränkungen auf Schritt und Tritt und gar all den Widerwärtigkeiten, die Jeder zu erfahren hatte, der mit Paß, Wanderbuch und Heimathschein in's „Ausland“ kam, wie bekanntlich jedes jenseits der eigenen Heimathgrenzen liegende deutsche Land hieß. Und was Alles ist unter so jämmerlichen Verhältnissen im Leben und Treiben des Staats und der Gemeinde der Gesellschaft und des Einzelnen möglich gewesen! Das Schwerste hatten die kleinen Staaten, die zum Theil unter weisen und edlen Fürsten auf dem Wege der Bildung, des Wohlstandes und freierer politischer Regung geräuschlos fortschritten, von den beiden Großstaaten des Bundes zu leiden, besonders seit „Junker und Jesuiten“ über die letzten Folgen der Julirevolution gesiegt hatten. „Von da an,“ sagt Zimmermann’s Alters- und Gesinnungsgenosse Droysen, „gab das preußische Cabinet seine Zustimmung zu allen reactionären Maßregeln, welche Oesterreich auf dem Bundestage beantragte, zur Unterdrückung

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 799. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_799.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)