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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


anderwärts noch nicht beobachtet worden, und ich wollte mir deshalb nicht versagen, in weiteren Kreisen darauf aufmerksam zu machen. Wie ich die Sache als Laie erkläre, so ist nach technischem Ausdrucke die „federnde“ Construction des Gestelles, in Verbindung mit der ihm gegebenen Neigung besonders geeignet, Vibrationen zu erzeugen, welche durch die kleinen Unebenheiten des Fußbodens fortgesetzt und abwechselnd von dem einen auf den anderen Schenkel des Rahmens übertragen werden, während das Fortrücken selbst nach dem Gesetze des Parallelogramms der Kräfte geschieht. Wie weit die Verhältnisse des Rahmens verändert werden können, um denselben Effect oder noch mehr zu erreichen, müßten weitere Versuche darthun. Diese aber, sowie die wissenschaftliche Begründung, will ich Competenteren, als ich bin, überlassen.

Ohne Zweifel läßt sich annehmen, daß durch diesen einfachen Apparat, den ein glücklicher Zufall geschaffen hat, für die rein mechanische Wirkung des Tischrückens, das ja seiner Zeit die absurdesten Auslegungen hervorgerufen hat, und ebenso für anderen Hokuspokus, wie er beinahe unglaublicher Weise noch jetzt von einem Slade und den Spiritisten getrieben wird, die natürlichste und anschaulichste Erklärung gegeben ist.

Es würde mich freuen, wenn sich die auch den Unterrichteten überraschende Kraftäußerung, wie sie der oben bezeichnete Apparat hervorbringt, vielleicht in irgend einer Weise für Theorie oder Praxis verwerthen ließe, und ich bin deshalb mit Vergnügen bereit, allen Denen, welche sich für die Sache interessiren, den gleichen Apparat, wie ich ihn besitze, herstellen zu lassen.

Ellwangen, im Januar 1878.
C. Brandegger.

Nachschrift der Redaction. Wir haben vorbeschriebenes Experiment mittheilen wollen, weil es besonders klar zeigt, wie leicht den Herren Geistern durch einfache physikalische Gesetze die Möbelinspirationen oftmals gemacht werden. Die Erklärung ist natürlich sehr einfach. Wenn ich ein Brett schräg gegen die Wand lehne, so rutscht es unten nach vorwärts, während es hinten an der stützenden Wand herabgleitet. Wenn ich aber jenes Fallen immer wieder durch Höherheben der rückwärts liegenden Theile ausgleiche, so kann ich das Brett wer weiß wie weit rutschen lassen, namentlich wenn ich die Rutschfläche geglättet oder mit zwei Rollen versehen habe. Ueber einen so „einfachen Zauber“ würde sich nun freilich Niemand wundern, und doch geschieht dabei im Wesentlichen dasselbe, wie bei dem wandelnden Tafelgestell, bei welchem die Mitwirkung der Rollen dadurch erspart wird, daß man eine abwechselnde, pendelnde Bewegung der beiden Füße begünstigt, wodurch die Schultafel in die Lage versetzt wird, ihren kleinen zweifelhaften Verehrern förmlich nachzulaufen, wie jene „wandelnde Glocke“ in dem bekannten Goethe’schen Gedichte. Es kann sich durch diese pendelnde Bewegung der linke und der rechte Fuß abwechselnd etwas vorschieben, und so kommt, während sich der Schwerpunkt der Erde zu nähern sucht, ein förmliches Gehen zu Stande, wie beim Menschen, dessen Laufen ja auch ein beständiges Fallenlassen und Wiederaufraffen ist, nur daß es in letzterem Falle nach vorwärts geschieht.

Was das Tischrücken betrifft, so hat bekanntlich der große englische Physiker Faraday seiner Zeit durch besonders construirte Kraftmesser gezeigt, daß dasselbe durch völlig unbewußt ausgeübten und doch sehr wenig ätherischen Muskeldruck hervorgerufen wird, der sich mit der Länge der Sitzung bei einer kleinen Gesellschaft bis zu Centnern steigert, während schon ein richtig verwendeter Druck von zehn Pfund unter Umständen genügt, den Tisch durch ein großes Zimmer zu schieben. Es ist mißlich, solche Versuche immer von Neuem erwähnen zu müssen, aber der geneigte Leser darf sich versichert halten, daß nach den Ergebnissen der vor dreißig Jahren veröffentlichten Versuche Faraday’s die Thatsache, daß ein richtig behandelter Tisch nicht rückt, viel erstaunlicher ist, als wenn er Sturm läuft. Die fliegenden Tische sind natürlich immer Betrug und werden jetzt sehr häufig von unseren herumreisenden Taschenspielern gezeigt. In der Regel handelt es sich dabei nur darum, daß das Medium, während es die Hände ganz leicht aufzulegen scheint, aus den unteren Theilen der Rockärmel ebenso zurückschnellende Tragbügel unter die Tischkante springen läßt, um so den Tisch zum blassen Schrecken aller Gläubigen höchst graziös an seinen Fingerspitzen kleben zu lassen.



Auf Waltersburg.
Novelle von J. D. H. Temme.
(Fortsetzung.)

In dem Zimmer waren drei Gesichter erbleicht: das des Schloßherrn, das seines Bruders Kurt und das der Schloßherrin. Dunkle Röthe deckte dagegen die Wangen Ottokar’s. Er hatte einen Entschluß gefaßt, der sofort zur That werden sollte.

„Bannhart,“ befahl Ottokar dem alten Wachtmeister, „laß’ auf der Stelle die Fenster mit den Laden verschließen! Dann haltet Euch hier Alle ruhig und verlaßt nicht das Zimmer, was auch draußen sich ereignen möge! In wenigen Minuten müssen meine Husaren hier sein, und bis zu ihrer Ankunft dringt keiner jener Rebellen in das Innere des Schlosses; denn so lange leisten Mauern, Thore und Fenster ihren Angriffen Widerstand.“

Der alte Bannhart hatte das Zimmer schon verlassen, den ihm gewordenen Befehl zu vollziehen, und der Rittmeister war im Begriff ihm zu folgen. Der Schloßherr und Baron Kurt waren leichenblaß geworden, die Gefahr, die wie eine Bombe in der nächsten Secunde losplatzen und Alles in ihrer Nähe zerschmettern konnte, hatte Beiden die Gedanken völlig geraubt. Noch einen Blick, ehe er sich entfernte, richtete Ottokar von Waltershausen auf seine Schwägerin. Ihr Antlitz war blutleer, und als er sich rasch wieder abwenden wollte, war sie schon an seiner Seite.

„Ottokar, was hast Du vor?“

„Ich muß meine Anordnungen zum Schutze des Schlosses treffen.“

„Unglücklicher –!“ Sie stockte. „Bleibe, Ottokar!“ bat sie.

„Ich muß auf meinen Posten.“

„Nein, nein – wohin Du willst, da ist nicht Dein Posten.“

Sie hatte seine beiden Hände gefaßt, als ob sie ihn mit Gewalt halten wollte, die schwache Frau den starken Mann.

„Ich beschwöre Dich – bleibe bei uns, bei mir!“ bat sie dringender und unter Thränen.

„Emma!“ rief er.

„Ich beschwöre Dich,“ flehte sie noch einmal.

„Ich darf nicht, Emma. Ich muß auf meinen Platz. Ich darf nicht feige sein. Es gilt meine Ehre.“

„Ja, ja!“ sagte sie. „Es gilt Deine Ehre, und die – ach, ich Unglückliche!“ brach sie schluchzend ab und ließ seine Hände los.

„Lebe wohl!“ rief er, indem er das Zimmer verließ.

Die Schloßherrin fiel erschöpft, einer Ohnmacht nahe, auf einem Fauteuil nieder.

„Mein Gott, Adalbert,“ rief der Baron Kurt dem Bruder zu, „was ist mit Emma geschehen? Sie liegt da wie eine Ohnmächtige.“

„In der That!“ sagte überrascht der Baron. „Rufe ihre Kammerfrau herbei! Ich werde bei ihr bleiben.“

Der Baron Kurt eilte fort.

Ottokar von Waltershausen war inzwischen in’s Treppenhaus gelangt, eine hohe, weite Halle. Er schritt zu dem großen Portal, welches, obwohl von festem, starkem, überall mit Eisen beschlagenen Eichenholz, dennoch von innen mit einer Barricade versehen war. Zur Seite des Portals befand sich ein schmales, niedriges Pförtchen, eine Art Nothpforte für den Portier bei besonderen Gelegenheiten. Es war stark und fest, wie das Hauptthor, aber noch nicht verbarricadirt, bei einem etwaigen Angriff konnte es indessen in wenigen Minuten stärker befestigt werden.

Dieses Pförtchen ließ der Rittmeister sich öffnen. Der Portier

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_085.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)