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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Die Spinne baut sich über dem Erdboden ein unregelmäßiges, verworrenes Fangnetz und lauert aus einer kleinen sauberen Zelle in dessen Nachbarschaft auf ihre Beute, welche sie durch ihren giftigen Biß rasch tödtet. Die Giftdrüsen sind stark entwickelt, die Klauen jedoch verhältnißmäßig klein und schwach.

Im Jahre 1830 trat diese Spinne in einigen Gegenden Spaniens in großer Zahl auf und verursachte[WS 1] bei der Bevölkerung durch ihren gefährlichen Biß viel Furcht und Schrecken. 1833 erschien sie wieder, und zwar in einer solchen Menge, daß die Landleute kaum mehr wagten ihre Wohnungen zu verlassen und auf dem Felde zu arbeiten.

Die Malmignatte wird auf Corsica besonders zur Erntezeit den Schnittern gefährlich.

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.


Auch ein Octoberfest – zum 50. Geburtstage der Eisenbahnen. Schon war im Anfange des neunzehnten Jahrhunderts die Dampfkraft bezwungen; schon wurde die menschliche Hand durch die Arbeit der Locomobile befreit, und Raddampfer durchkreuzten bereits die unendlichen Fluren der Oceane. Jetzt galt es, auch die Zugkraft des Pferdes durch den Dampf zu ersetzen, und lebhaft beschäftigte dieser Gedanke die Menschen. In der alten und neuen Welt häuften sich Projecte auf Projecte, aber, wie immer, mißlangen auch in diesem Falle die ersten Versuche. Erst George Stephenson, Sohn eines schlichten Kohlenarbeiters, war von der Vorsehung dazu berufen, diese in den Geistern seiner Zeit aufgetauchte Idee zum Segen der Menschheit zu verwirklichen.

Geboren am 9. Juni 1781 in Wylam bei Newcastle, hat er als Kohlenjunge bei einer Locomobile seine Ingenieurcarrière eröffnet. Durch sinnreiche Reparaturen der Maschine legte er die ersten Proben seiner technischen Befähigung ab, und schnell schwang er sich zum Director der großen Kohlenwerke des Lords Ravensworth empor. In der Geschichte der Erfindungen sehen wir hierauf seinen Namen zuerst neben demjenigen Sir Humphrfey Davy’s glänzen, da er gleichzeitig mit diesem eine Sicherheitslampe für Kohlengrubenarbeiter construirte. Tausend Guineen wurden ihm dafür als Ehrenpreis zuerkannt und ein Festmahl zu seiner Ehre abgehalten. Hier erklärte er – welch ein schöner Zug seines Charakters! – das Geld für die Ausbildung seines einzigen Sohnes verwenden zu wollen. Goldene Früchte trug ihm diese Erziehung; denn Robert Stephenson vereinigte mit dem Genie seines Vaters die Vorzüge einer tüchtigen wissenschaftlichen Bildung und wurde zu einem der berühmtesten Ingenieure Englands, zum Erbauer der Britanniabrücke.

Im Jahre 1814 construirte George Stephenson die erste Locomotive für die Kohlengruben in Killingworth, ein unbeholfenes Ding im Vergleiche mit seinen späteren Modellen. Zehn Jahre darauf sehen wir ihn an der Spitze einer von ihm begründeten Maschinenfabrik in Newcastle, und schon im folgenden Jahre wurde unter seiner Leitung die erste kleine Eisenbahn zwischen Stockton und Darlington eröffnet. Zum ersten Male wurden auf dieser Linie Personen durch Dampfkraft befördert. Aber ungläubig sah die Welt den Arbeiten des rastlos vorwärts strebenden Mannes zu. Hat doch selbst vor fünfundvierzig Jahren ein Gelehrter und Staatsmann, Thiers, von der Rednerbühne des Parlaments herab erklärt, die Eisenbahnen wären ein kindliches Spielzeug, das im günstigsten Falle Paris mit der Vorstadt von St. Germain verbinden könnte. Nicht anders urtheilten in jener Zeit die klugen Volksvertreter Englands. Kurz und bündig wiesen sie Stephenson, der die Unterstützung des Parlamentes anrief, als einen Phantasten zurück. Dennoch fanden sich unternehmungslustige Männer, welche zu einer Gesellschaft, der Booth-Compagnie, zusammentraten und einen Versuch in größerem Maßstabe zwischen Liverpool und Manchester auszuführen beschlossen. Diese Gesellschaft schrieb am 25. April 1829 eine Preisbewerbung von fünfhundert Pfund Sterling aus für die Erfindung einer Locomotivmaschine, die nicht über sechs Tonnen (à zwanzig Centner) wiegen, ihr dreifaches Gewicht mit einer Geschwindigkeit von zehn englischen Meilen in der Stunde ziehen und nicht über fünfhundertfünfzig Pfund Sterling kosten würde.

Am 6. October 1829 traten drei Bewerber auf, unter ihnen Stephenson. Der Preis wurde ihm zuerkannt; denn seine Maschine erfüllte nicht nur die gestellten Bedingungen, sondern übertraf sie sogar. Sie zog ihr fünffaches Gewicht und legte in einer Stunde 14 bis 20 englische Meilen zurück. Auf die Eisenbahn Liverpool-Manchester folgten bald andere in Europa und Amerika: die Bahn war gebrochen.

Das war der herrlichste Triumphtag im Leben Stephenson’s, zugleich der Geburtstag der Eisenbahnen.

Hochbejahrt, im Besitze eines reichen Vermögens, stolz auf seine Werke und den treuen Mitarbeiter, seinen Sohn, hinblickend, beschloß der Mann, welcher erst in seinem achtzehnten Lebensjahre lesen und schreiben gelernt und vom Hirten zum Kohlenjungen, Maschinenbauer und Begründer der Eisenbahnen nur aus eigener Kraft emporstieg, sein verdienstvolles Leben. Das dankbare Albion hat ihm bis heute drei Denkmäler errichtet. Aber gewaltigere Ehrenzeugen, als Standbilder aus Marmor, erhalten sein Andenken unter den Menschen: Die zahllosen Schienenstränge in allen Welttheilen, die meilenlangen Viaducte und Tunnels, das rollende Material von Millionen und aber Millionen Eisenbahnwagen, die überall den Handel und Wandel beleben und die Cultur verbreiten – das sind in der That heute, nach fünfzig Jahren, Denkmale, wie sie mächtiger den Ruhm Stephenson’s nicht verkünden können.




Ein Festmahl im sechszehnten Jahrhundert. (Zu dem Bilde aus S. 688 und 689.) Das Reformationsjahrhundert ist die Zeit der höchsten Blüthe mittelalterlicher Kunst; eine solche Farben- und Formenfreudigkeit ging damals durch die Welt, daß die Kahlheit unserer Lebensformen nirgends mehr als bei Vertiefung in jene glänzende Vergangenheit auch unserer deutschen Verhältnisse sich aufdrängt. Wer den Geist jener Epoche in der vollen Entfaltung seiner schönheitverklärten Sinnlichkeit auf sich wirken lassen will, der muß Paul Veronese’s Gastmähler studiren, mit ihrer reizvollen Architektur, mit dem Prunk reicher Gewänder und farbenschillernder Geräthe, mit ihrer ganzen heiteren und blühenden und doch wieder vornehmen Pracht. Gerade die Feste bedingen natürlich eine gewisse Zusammen- und Zur-Schau-Stellung dessen, was ein Haus an Schmuck- und Prunkstücken besitzt. In diesem Sinne bildet auch das Gonne’sche Festmahl, welches wir heute in Holzschnitt geben, eine Art Blumenlese aus den Formen adeligen Lebens in der Renaissancezeit; wie denn solche Blumenlesen heute eine besondere Berechtigung haben, wo das wiedererwachende Kunstgewerbe in den Formen einer besseren Vergangenheit sich die Bildungselemente zu eigenem Schaffen zu suchen bestrebt ist. Das Bild hat auf den Ausstellungen zu Köln, Dresden und Stuttgart die Probe seiner Wirkung in einer für den Maler sehr ehrenvollen Weise bestanden.




Die europäische Metropole des Schweinehandels. So Mancher wird sich jener Heerden von Schweinen erinnern, welche je zuweilen, unter lebhafter Antheilnahme seitens der lieben Jugend an dem Ereigniß, durch die Straßen seines Heimathsortes getrieben wurden und welche sich durch die Kauflust stets um ein paar Exemplare dieses nützlichen Hausthieres zu vermindern pflegten. Nur wenige jedoch dürften klar darüber geworden sein, wem diese Thiere eigentlich gehörten und woher sie kamen. Die Antwort ist, fast für alle Fälle, in folgenden Mittheilungen enthalten: Wenn man auf der Franz-Joseph-Bahn die fruchtbaren Gefilde des südlichen Böhmens durcheilt hat, gelangt man über Gmünd zur Station Vitis und von da zu Wagen in etwa zweieinhalb Stunden zur Hauptstadt des kontinentalen Schweinehandels: nach Thaya, einem Flecken von 7000 bis 8000 Einwohnern, welcher still, freundlich und sauber in einer sanften Thalmulde Niederösterreichs liegt. Wer da glaubt, daß hier der Appellplatz für jene vierfüßige Waare zu finden sei, der irrt gewaltig, denn Thaya ist lediglich die Hochburg dieser Großhändler, das Tusculum ihrer Familien, aber zugleich auch die Hauptschlagader ihres Capitals. Die Sitze dieser kleinen Crösusse charakterisiren sich dem Beschauer sofort durch ein komisch wirkendes Gemisch von Pracht und Geschmacklosigkeit, häufig gepaart mit einer schauderhaften Malerei an Thüren und Hausfluren. Es ist aber ausdrücklich zu bemerken, daß, entgegen der unappetitlichen Eigenschaft, welche der Handelswaare anhaftet, sich diese villenartigen Häuser von außen und innen durch große Sauberkeit und großstädtischen Comfort auszeichnen. Hier wohnen die Familien der Schweinehändler das ganze Jahr, während die Herren jährlich etwa nur viermal auf kurze Zeit heimzukommen pflegen, um die Ihrigen zu sehen und um neue Capitalien aufzunehmen, respektive zurückzuzahlen[WS 2], wie wir gleich sehen werden. Den übrigen Theil des Jahres verbringen sie auf ihren Comptoiren in Wien, den Pußten Ungarns oder in den Wäldern Galiziens, Ungarns, Slavoniens.

Unbedingt ein Unicum ist die finanzielle Seite des Geschäftes dieser Leute. Die Bauern von Thaya und Umgegend nämlich legen mit Vorliebe ihre Ersparnisse in die Hände der Schweinehändler gegen eine jährliche Verzinsung von 8 Procent, und zwar ohne jeden Schein und nur gegen das mündliche Versprechen der Rückzahlung nach einer gewissen Frist bei obengenannter Verzinsung. Und eigenthümlicher Weise hat sich dieser vertrauensselige Credit aufrecht erhalten, obgleich in der „Krachperiode“ eine große Menge Bauern durch den Bankerott einiger Schweinehändler, welche ihre Capitalien in faulen Banken Wiens untergebracht hatten, Alles verloren. Der Händler pilgert nun mit dem von den bäuerlichen Geldern gefüllten Portefeuille, welches bei seiner Abreise nicht selten 80,000 bis 100,000 Gulden bergen soll, nach Wien, wo er bereits von seinen Gehülfen, meist jungen Leuten, erwartet wird, die wiederum eine Menge Treiber unter sich haben.

Mit diesen Gehülfen schließt er die Geschäfte an Ort und Stelle ab, und jene zerstreuen sich mit den ihnen zugewiesenen Schweinelegionen nach allen Weltgegenden. Diese Gehülfen genießen aber auch andererseits ein seltenes Vertrauen seitens ihrer Herren, denn ein solcher kehrt oft genug nach monatelanger Abwesenheit mit einer Summe von 20,000 Gulden und darüber zurück, und Veruntreuungen sollen trotzdem kaum je vorkommen. Jene Schweineheerden, von denen Eingangs die Rede war, repräsentiren somit ein ganz eigenthümliches Stück Handel, an dessen Existenz man nicht ohne Interesse vorübergehen kann.



Kleiner Briefkasten.

J. F. in W. Nur in Leipzig studirenden classischen Philologen werden Stipendien von Seiten der russischen Regierung gezahlt, wofür die Betreffenden zu regelmäßiger Theilnahme an allen Uebungen eines Seminars und mehrjährigem Dienst an den Schulen des bewußten Landes verpflichtet sind.

Schreibkrampf! Abonnent in Neustadt. Ihnen kann geholfen werden. Geben Sie Ihre volle Adresse an!

R. in Dresden. Die deutsche Uebersetzung der in unserem Artikel „Ein Arbeitsfeld für edle Frauen“ (Nr. 39) erwähnten Broschüre der Miß Hill ist bei Niedner in Wiesbaden unter dem Titel „Die freiwillige Armenpflege Londons“ erschienen.

G. F. in Tr. Natürlich Schwindel!




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 696. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_696.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)