Seite:Die Gartenlaube (1885) 037.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

No. 3.   1885.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Die Frau mit den Karfunkelsteinen.

Roman von E. Marlitt.
(Fortsetzung.)


Ohne allen Zweifel ist es die Sonne gewesen, Du Närrchen, was Du oben am Fenster, zwischen den Vorhängen gesehen hast. Tante Sophie hat ganz Recht,“ sagte Herr Lamprecht und drehte sich langsam zu Margarete um. „Ueberlege Dir’s doch selber, Kind!“ gab er ihr zu bedenken und tippte lächelnd mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. „Du kommst herauf, um den Schlüssel zu der festverschlossenen Stube zu holen, und ich habe ihn auch – er hängt dort im Schlüsselschränkchen. Kann nun ein Wesen von Fleisch und Bein durch die Thürfugen kriechen?“

Die Kleine stand da und blickte nachdenklich vor sich hin. Ueberzeugt war sie nicht, das sah man; auf der breiten, trotzigen Kinderstirn war deutlich zu lesen: „Was meine Augen gesehen, das lasse ich mir nicht ausreden!“ – ein Gesichtsausdruck, den besonders die Großmama „nicht vertragen“ konnte. Und so hatten auch Papa’s Argumente weiter keinen Erfolg, als daß das Kind ernsthaft sagte: „Du kannst mir’s glauben, Papa, es war ganz gewiß Großmama’s Stubenmädchen!“

Herr Lamprecht lachte laut auf, und die Frau Amtsräthin konnte trotz ihres Aergers nicht umhin, leise einzustimmen. „Die Emma, Kind? Nun, Gott bewahre mich, was für tolles Zeug spukt in Deinem Kopfe, Grete! Weißt Du auch,“ wandte sie sich mit bedeutungsvollem Augenzwinkern an ihren Schwiegersohn, „daß uns die Leute im Hause wieder einmal das Leben recht schwer machen von wegen der bewußten, neu aufgewärmten Sage? Reinhold’s Erwähnung der Frau im rothen Salon mag Dir beweisen, daß die dummen Menschen selbst vor den Kindern den Mund nicht halten können. Ein Jedes will Etwas gesehen haben, und diesmal nicht etwa bloße Schatten und Wolken von Spinnweben – die Emma zum Beispiel schwur unter Zittern und Zähneklappern, das gewisse Huschende, sei nichts weniger als durchsichtig gewesen, und aus den fliegenden Schleiern habe sich für einen Moment ein Arm gehoben, so weiß und rund!“ … Sie nickte sprechenden Blickes ausdrucksvoll mit dem Kopfe und preßte die verschlungenen Hände gegen die Brust. „Wenn, nur nicht bereits eine direkte Beziehung zwischen Herbert und gewissen Leuten dahinter steckt! Der Gedanke macht mir das Blut sieden!“

„Sapristi – das wäre!“ meinte Herr Lamprecht mit einem dämonischen Lächeln, wobei er sich den Bart strich. „Da würden sich freilich Argusaugen und nie schlafende Ohren nöthig


Hungrige Gesellschaft. 0 Nach dem Gemälde von H. Lengo.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_037.jpg&oldid=- (Version vom 22.3.2024)