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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

sehen ließ nach dem Gange, wo einst das Goldhaar der schönen Blanka durch die grünen Blätter und Ranken geleuchtet?

„Gute Nacht, Margarete!“ sagte er in diesem Augenblicke in einem anderen Tone, als die beiden Beschäftigten im Salon.

„Gute Nacht, Onkel!“


10.

Die „Hofstube“ hatte von jeher etwas Verlockendes für Margarete gehabt. Sie lag im Erdgeschoß des spukhaften Flügels und stieß dicht an die ehemalige Schlafstube der Kinder. Ein gleicher halbdunkler Gang, wie der unheimliche droben, lief hinter den Zimmern weg und trennte, auch um die Ecke laufend, die Küche von der Wohnstube. – Die beiden Etagen standen in keiner Verbindung – es war „zum Glück“ keine Treppe da; man brauchte deßhalb keine Angst zu haben, daß es der weißen Frau oder dem Spinnwebenrock auch einmal einfallen könnte, herunter zu huschen, wie Bärbe immer sagte. – Die Zimmerreihe der unteren Etage wurde in ihrer Mitte durch eine Thür unterbrochen, die nach dem Hofe ging, eine mächtige, schwere Thür mit massivem Klopfer, und die beiden Seiten flankirt von Steinfiguren in Hochrelief. Breite Stufen führten von ihr nieder auf den Kiesweg, der den Rasen durchschnitt und direkt nach dem Brunnen lief.

In der Hofstube standen lauter Möbel aus der Rokokozeit, die Tante Sophie gehörten. Sie waren spiegelblank polirt, die Metallbeschläge blitzten, und altes ererbtes, vielfach gekittetes Meißner Porcellan stand auf den geschweiften Platten der Kommoden und auf dem Schreibtische mit seinem hohen Aufsatze voll zahlloser kleiner Schiebekasten. Die Stube war sozusagen Tante Sophiens Schmuckkästchen, ihre „gute“ Stube, urgemüthlich und peinlich sauber, wie es nur immer bei einer lustigen lebensfrohen alten Jungfer sein kann. Nun waren auch noch alle die umherstehenden feingemalten Schalen und Vasen, selbst die Potpourris mit mächtigen Blumensträußen aus dem kleinen Garten vor dem Thore gefüllt – die bunten Rabatten mußten der Heimkehrenden zu Ehren völlig abrasirt worden sein – und auf den weißen Dielen, die nie ein Firnißanstrich „verunreinigt“, lag ein neuer, warmer Teppich, den Tante Sophie aus eigenen Mitteln beschafft hatte …

Und da war ihr der endlich heimgekehrte Liebling gleich beim Eintreten, als der Lampenschein sich über alle die geliebten, wohlbekannten Familienreliquien der alten Jungfer ergossen, um den Hals gefallen und hatte sie fast erdrückt … Das Bett hatte auch richtig auf dem alten Platze gestanden, und Tante Sophie hatte noch lange daneben gesessen und erzählt – lauter Liebes und Lustiges, nicht ein Mißton durfte in das neue Zusammensein fallen. Und jede der Pausen, welche die heitere, humordurchtränkte Stimme gemacht, hatte das alte, eintönige Brunnenlied der strömenden, plätschernden Wasser vom Hofe her ausgefüllt; dazwischen hinein war auch ein paarmal das scharfe Kreischen der Packhausthorflügel gefahren, und dann hatte die ehemalige wilde Hummel, die nun weit, weit die Welt durchflogen und Kopf und Herz beutebeladen heimgebracht, mit einem so süß und lieblich schlafenden Kindergesicht in den Kissen gelegen, als habe sie sich nur bis nach Dambach und wieder heim müde gelaufen …

Ja, das geliebte Dambach! Nun ging das Hin- und Herwandern wieder an. Der Großpapa war ja nicht beim Diner gewesen – er hatte sich, „wie immer, aus guten Gründen um den auserlesenen Kreis herumgedrückt“, wie die Frau Amtsräthin sehr pikirt bemerkte.

(Fortsetzung folgt.)

Die Gefahren des Milchgenusses und ihre Abwehr.

Von Dr. Fr. Dornblüth in Rostock.

Seit einigen Jahren hat sich, wie gewiß auch ohne Zahlenbelege zugegeben wird, der Milchverbrauch in den Städten sehr bedeutend gesteigert, und wie die Aerzte in guter und richtig behandelter Kuhmilch den allen künstlichen Mischungen vorzuziehenden Ersatz der Muttermilch für Säuglinge erkannt haben, so tritt die Milch auch als Volksnahrungsmittel mehr und mehr in ihr Recht. Denn die Kuhmilch ist in der That nicht nur wegen ihrer Verdaulichkeit eins der besten, für die ganze Kindheit ein geradezu unersetzliches Nahrungsmittel, sondern sie ist im Verhältniß zu ihrem Nährwerth auch eins der billigsten, wenn nicht das allerbilligste, da man für den gleichen Preis in ihr mehr als doppelt so viel von allen zum Leben nothwendigen Nahrungsstoffen (Käsestoff, Fett und Zucker) kauft als z. B. im Rindfleisch. Auch andere, an sich billigere Nahrungsmittel, wie Brot und Hülsenfrüchte, bedürfen theils mehr Ergänzung durch andere theure Nahrungsstoffe, besonders Fett, um volle Nahrung zu werden, theils werden sie auch so viel weniger leicht und vollständig verdaut, das heißt in nützliche Blutbestandtheile verwandelt, daß der scheinbare Vortheil damit wieder verloren geht, oder gar in Nachtheil verwandelt wird. Die Milch genügt bekanntlich im ersten Lebensjahr allein zur Erhaltung und zum Wachsthum; später bedarf sie nur der Ergänzung durch Mehl oder Brot und, wenn viel Arbeit geleistet werden soll, durch Fett, um auch den Bedarf arbeitender Männer zu decken und wenigstens eine genügende Grundlage der Kost zu geben, die nur noch weniger Erregungs- oder Genußmittel nöthig hat, um allen Anforderungen des Lebens zu genügen. Nur weil die Milch die Nahrungsstoffe in verhältnißmäßig großen Mengen Wassers enthält, sind nach der frühen Kindheit koncentrirtere oder stoffreichere Nahrungsmittel erwünscht, die theilweise durch die Molkereiprodukte Butter und Käse, theilweise durch Fleisch und Speck (neben Brotfrüchten etc.) bezogen werden müssen.

Der regere Milchkonsum hat bereits in weitem Umfange den erfreulichen Erfolg gehabt, die Marktmilch wesentlich zu bessern. Nicht nur wird von den größeren Milcherzeugern und den zur bessern Verwerthung ihrer Erzeugnisse gebildeten Molkereigenossenschaften sorgsam danach gestrebt, durch gute Auswahl und Haltung des Milchviehs, so wie durch zweckmäßige Behandlung der Milch ihre Kunden unmittelbar mit tadelloser Milch zu versorgen, sondern durch diese Konkurrenz werden auch die kleineren Milcherzeuger und Milchhändler gezwungen, gute Milch zu liefern, denn Niemand, der gute Milch kennt und haben kann, wird sich noch mit schlechter begnügen. Aus dem Kreise meiner eigenen Beobachtung kann ich die Thatsache hinzufügen, daß in Folge hiervon die Erkrankungen und die Sterblichkeit der auf Kuhmilch angewiesenen Säuglinge sich erheblich vermindert haben. Den sogenannten Kurmilchanstalten, die übrigens kaum den Milchbedarf für Säuglinge und Kranke zu decken vermögen, soll der Ruhm unverkürzt bleiben, daß sie durch Beispiel und Lehre der allgemeinen Milchversorgung einen mächtigen Antrieb zur Abschaffung vieler Uebelstände gegeben haben.

Je mehr die Kuhmilch nun aber wirklich allgemeines Kinder- und Volksnahrungsmittel wird, desto sorgfältigere Beachtung verdienen die Gefahren, die mit ihrem Genusse verbunden sein können, und die, um vermieden zu werden, nicht blos den Aerzten, sondern auch den Milcherzeugern und den Konsumenten, ganz besonders den Müttern genau bekannt sein müssen.

Die erste dieser Gefahren, die aber nur für kleine Kinder und Leute mit recht schwacher Verdauung besteht, ist aller Kuhmilch eigen und beruht darauf, daß ihr Käsestoff bei der Magenverdauung zunächst zu einem mehr oder weniger festen Kuchen gerinnt, der nicht leicht auflöslich ist, während der Käsestoff der Muttermilch feine, leicht wieder auflösliche Flöckchen bildet. Dies ist der Grund, weßhalb mit Kuhmilch genährte Säuglinge fast regelmäßig feste, weiße Käseklumpen nach unten oder auch nach oben ausleeren, und daß in diesen unverdauten Milchtheilen während ihres Aufenthalts im Darme sehr oft fremdartige Umwandlungen vor sich gehen, die den Kindern Beschwerden machen, ihre Ernährung stören und meist mit Durchfall und Erbrechen verbundene Krankheiten erzeugen. Die Empfehlung frischgemolkener, „kuhwarmer“ Milch „vom Euter weg“ beruht darauf, daß diese weniger fest gerinnt, als die länger gestandene, wobei noch andere wichtige Veränderungen eintreten, mit denen wir uns alsbald näher beschäftigen werden. Bei der Kinderernährung sucht man durch Wasserzusatz die feste Gerinnung zu hindern, was zwar nicht völlig gelingt, aber doch die Verdauung erleichtert; nur darf diese Milch nicht vorher abgerahmt sein, sondern muß eher noch

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_110.jpg&oldid=- (Version vom 24.1.2023)