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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Wenn auch Liebig vorzugsweise die Anregung zur Bereitung des Fleischextraktes, das nach ihm benannt worden ist, gegeben hat, so hat doch eigentlich die That der Herstellung im Großen die Begründung einer eigenen Industrie, ein anderer Deutscher, Giebert, vollbracht. Was aber deutsches Geisteskapital geschaffen, damit haben vorzugsweise fremde Hände gearbeitet und den Gewinn davon in ihre Tasche gesteckt. Das Werk, zu dem deutsche Gelehrsamkeit die Anregung gegeben, das deutsche Arbeitskraft ausgeführt, haben Ausländer sich angeeignet und in der „Liebig Extract of meat Company“ in Fray Bentos in Uruguay sich zu Nutzen gemacht.

Aber deutsche Umsicht und Einsicht, deutsches Wissen und deutsche Thatkraft sind im Begriff, das Verlorene zurückzugewinnen, und haben bereits ein gut Theil sich wieder angeeignet, nicht allein zum Vortheil des deutschen Kapitales, sondern auch zu Nutz und Frommen der Konsumenten. Ein tüchtiger deutscher Gelehrter, gegenwärtig der gründlichste Kenner der Fleischextraktbereitung, der erfahrenste Praktiker auf dem betreffenden Gebiete, Professor Kemmerich in Santa Elena in Argentinien, hoch geachtet vom verstorbenen Liebig und einstmals auf dessen Empfehlung mit der chemischen Leitung der Fabrik in Fray Bentos betraut, hat die Industrie der Fleischextraktbereitung in der erfreulichsten Weise weiterentwickelt, nachdem er sich zuvor schon die vollste Zufriedenheit seines Lehrers erworben hat, wie aus Liebig's eigenem Munde hervorgeht, der sich in zahlreichen Briefen anerkennend über Kemmerich’s Arbeiten auf dem betreffenden Gebiete geäußert hat.

Liebig’s großer Name hatte das Fleischextrakt mit einem solchen Heiligenscheine umkleidet, daß man es für durchaus vollkommen wähnte, jeder Verbesserung überhoben. Trotz dieses fast unbesiegbaren Vorurtheiles hat Kemmerich den Muth gehabt, der übertriebenen Einbildung entgegenzutreten und den Wahn gründlich zu zerstören. Als erste lebende Autorität auf dem Gebiete der Fleischextraktbereitung hat er, von einer deutschen Gesellschaft dazu in den Stand gesetzt, mit durchweg neuen von ihm verbesserten Maschinen in einer der Fabrik von Fray Bentos in jeder Beziehung ebenbürtigen Anlage zu Santa Elena am Paraná in Argentinien den Beweis geliefert, daß man unter Benutzung der in zwanzig Jahren gesammelten reichen Erfahrungen noch etwas viel Vollkommeneres an Gehalt und Geschmack herstellen kann, als es nach der alten Methode möglich war.

Hoffen wir aber, daß man, trotz des bis jetzt Erreichten, doch noch nicht glauben möge, damit genug gethan zu haben, und daß man auf der Bahn des Fortschrittes wie bisher fortfahren möge, um ein noch besseres und billigeres Produkt herzustellen. Dr. O. 


Blätter und Blüthen.

Die Korvette „Alexandrine“, welche am 7. Februar d. J. zu Kiel vom Stapel gelassen wurde, gehört dem neueren Schiffstypus an, der den Namen der verbesserten eisernen Glattdeckkorvetten trägt und der erst seit einigen Jahren in der deutschen Kriegsmarine eingeführt wurde. Die gewaltigen Panzerkolosse, welche die Hauptstärke unserer Kriegsflotte bilden, stehen in der Geschwindigkeit den Kreuzerschiffen anderer Nationen und den großen Handelsdampfern so sehr nach, daß sich Ende der siebziger Jahre das dringende Bedürfniß herausgestellt hat, unsere Seemacht durch neue Fahrzeuge zu verstärken, die mit anderen Flotten nach der genannten Richtung hin zu rivalisiren vermöchten. Zu diesem Zwecke erbaute man im Jahre 1880 die Glattdeckkorvetten „Carola“ und „Olga“, und dann die Korvetten „Marie“ und „Sophie“, die im Jahre 1881 den Stapel verließen. Die sorgfältige Beobachtung der Leistungsfähigkeit dieser Schiffe auf ihren Fahrten wies jedoch einige Unvollkommenheiten in der Konstruktion nach, die nunmehr bei der Korvette „Alexandrine“ beseitigt werden sollten. Die Schiffe dieser Klasse sind aus bestem Eisen, zum Theil aus Bessemerstahl gebaut und mit ostindischem Teakholz bekleidet. Ihre Maschinen haben 2400 Pferdekräfte, und ihre Schrauben sind zum Aufwinden eingerichtet, sodaß dieselben bei günstigem Wetter außer Dienst gestellt werden können. Jedes der Schiffe führt zwölf 15 Cmtr.-Geschütze, die sämmtlich auf dem Deck placirt sind. – k.     

Korvette Alexandrine.


Der Kinder Osterfest. (Mit Illustration S. 233.) Wie Weihnachten, so ist auch Ostern ein Freudenfest für die Jugend geworden, welche an beiden Tagen Geschenke einheimst. Bekommen im Norden unseres Vaterlandes am ersten Ostertage die Kinder, wenn sie in der Frühe mit ihren vorher im Zimmer mühsam zum Grünen gebrachten Birkenreisern zu Bekannten „schmackostern (mit den Ruthen die womöglich im Bette Ueberraschten schlagen) gehen, ihren Lohn in gefärbten oder süßen Ostereiern, Zuckerlämmchen u. dergl., so bringt im Süden der „Osterhase“ seine reichen Gaben unaufgefordert ins Haus. Welch ein Jubel herrscht in der kleinen Welt, wenn die sorgfältig versteckten Ostereier gefunden werden, wie glücklich wird der süße Osterhase oder das Osterlamm mit seiner Kreuzesfahne und dem Heiligenscheine an das pochende Kinderherz gedrückt, wie stolz werden gegenseitig die Schätze gezeigt und ausgetauscht, und wie geschickt, wie verschmitzt versteht es mancher, beim „Klopfen“ mit der Spitze seines Eies das des Gegners zu zerbrechen, letzteres dann als Gewinn einsackend. Ja, Osterzeit fröhliche Zeit, und wenn die Weidenkätzchen, die „Palmen“ der Kinder, ihr silbergraues Sammetkleid angelegt haben, dann erschallt auch bald die echte Schalmei des Frühlings, die Weidenpfeife, mit ihren jubelnden Tönen in Wiese und Busch, dann ist der Winter geschlagen, dann feiert die Natur Auferstehung. – r.     


Was soll der Junge werden? Diese Frage tritt besonders zu Ostern an viele Eltern heran, wo nach der Konfirmation die Wahl des Berufes der Söhne entschieden sein muß. So weit es sich hier in erster Linie um die gewerblichen Berufsarten handelt, wird die Beantwortung der genannten Frage durch zwei neuerschienene Bücher zu erleichtern gesucht, die deßhalb nicht wenigen Eltern und Vormündern willkommen sein dürften. „Was soll der Junge werden? Ein Rathgeber von A. von Fragstein“ (Berlin, L. Oehmigke’s Verlag) ist der Titel des einen, „Die Berufswahl unserer Söhne. Von Ernst Rudolph“ (Wittenberg, R. Herosé) derjenige des andern Werkchens. In beiden wird nicht nur die Frage erörtert: was soll der Junge werden? sondern es wird auch gefragt: was kann und was will er werden? In zahlreichen Abschnitten gelangen dann die einzelnen Berufsarten zur Besprechung, deren besondere Vorzüge oder Nachtheile in objektiver Beleuchtung hervorgehoben werden. Das Fragstein’sche Buch ist namentlich Allen, denen für die Berufswahl nur noch kurze Zeit zur Verfügung steht, zu empfehlen, während das Rudolph’sche besonders dort am Platze ist, wo die Wahl eines Berufes durch Schule und häusliche Erziehung langer Hand vorbereitet wird.

Diesen beiden Werken schließt sich ein älteres bewährtes Buch „Die Berufswahl im Staatsdienste“ von A. Dreger (Leipzig, C. A. Koch’s Verlagshandlung [J. Sengbusch]) an. Dasselbe bietet eine Zusammenstellung der wichtigsten Vorschriften über Annahme, Ausbildung, Prüfung, Anstellung und Beförderung in sämmtlichen Zweigen des Reichs- und Staats-, des Militär- und Marinedienstes dar, sowie die Vorschriften über die wissenschaftlichen Erfordernisse, die Ausbildung und Prüfung der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_239.jpg&oldid=- (Version vom 18.3.2024)