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verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Deutschen sein muß“. Ergänzt gewissermaßen wird dieses Lebensbild durch ein anderes, im Verlage von J. G. Findel in Leipzig erschienenes Werk, welches „Kernworte Bismarck’s“ heißt. Der Herausgeber giebt darin aus der öffentlichen Wirksamkeit des Reichskanzlers eine Sammlung solcher Aeußerungen desselben, welche die Eigenart des Wesens, die Beweggründe, Auffassungen und Zielpunkte der Bestrebungen und Handlungen des Fürsten in besonders treffender Weise kennzeichnen. Als ein Volksbuch, dessen billiger Preis von 50 Pfennig die Anschaffung in den weitesten Kreisen ermöglicht, nennen wir schließlich Ernst Scherenberg’sFürst Bismarck – Ein Charakterbild für das deutsche Volk“ (Elberfeld, Bädeker’sche Buch- und Kunsthandlung [A. Martin und Grüttefien]). Der Verfasser will in dieser Schrift weniger eine erschöpfende Biographie des Reichskanzlers geben, als eine Charakteristik seines Werdens und Wachsens. – Auch eine musikalische Jubiläumsgabe wollen wir noch erwähnen, welche der Komponist der Gavotte „Goldelse“ Otto Fuchs unter dem Titel „Bismarck-Marsch“ in C. A. Koch’s Verlag (J. Sengbusch) in Leipzig herausgegeben. – r.     


Das Grubenunglück bei Camphausen. Durch die Tagesblätter sind unsere Leser von dem entsetzlichen Unglück unterrichtet, welches im Camphausen-Schachte (unmittelbar an der Station Camphausen der Strecke Saarbrücken-Neunkirchen) über 219 Bergarbeiter hereinbrach und, nach den bis jetzt vorliegenden Erhebungen, 175 von ihnen das Leben kostete. 141 Wittwen mit 416 Kindern unter 16 Jahren[WS 1] trauern um den Verlust ihrer Männer und Ernährer: die meisten der Verunglückten – etwa vier Fünftel – waren verheirathet, manche hinterlassen vier und mehr Kinder, einige sogar sieben.

Hier gilt es einmüthiglich zu helfen, reich und rasch zu helfen. Noch niemals richteten wir die Bitte: Gedenket der Unglücklichen und helfet ihnen, ein Jeder nach seinen Kräften! vergeblich an unsere Leser, und so möge sie auch diesmal einen segensreichen Erfolg haben! Zur Entgegennahme von Spenden ist Herr Kommerzienrath Haldy zu St. Johann a. d. Saar bereit.


„In Ostafrika, Forschungsreise zu den Schneebergen und wilden Stämmen des Massailandes bis zum Victoria Nyanza in den Jahren 1883 und 1884“ – unter diesem Titel wird in nächster Zeit die deutsche Uebersetzung des hochinteressanten Werkes von Joseph Thomson „Through Masailand“ bei F. A. Brockhaus in Leipzig erscheinen. Auf die englische Ausgabe ist schon in dem Originalartikel über das Massailand von Dr. G. A. Fischer in Nr. 13 hingewiesen, und wir können die vortreffliche deutsche Uebersetzung von W. von Freeden, die uns in den Aushängebogen vorliegt, bei dem großen Interesse, das gegenwärtig für Ostafrika rege geworden ist, der allgemeinsten Beachtung empfehlen. – i.     


Werth der Arbeit. Wie aus unscheinbaren, ihrer Werthlosigkeit halber oft kaum ziffermäßig schätzbaren Gaben der Natur durch Verarbeitung und Verfeinerung ungeheure Werthe und Preise erzielt werden, beweist das Eisen. Man hat schon oft darauf hinweisen hören, wie viel theurer eine Uhrfeder als ein ganzes Pfund Eisen sei, aber die folgende Vergleichung der verschiedenen Stadien in der Bearbeitung des Eisens zeigt es erst deutlich, welchen Werth die „Arbeit“ besitzt, denn die Differenz der Preise bezeichnet eben die Leistung der inzwischen vorgenommenen Bearbeitung. Der Centner Eisenerz, wie er aus dem Schoße der Berge genommen wird, kostet 30 Pfennig, man bedenke: ein ganzer Centner 30 Pfennig! Zu Roh-Eisen verarbeitet kostet der Centner bereits 3 Mark, in der Form von Gußwaaren schon 9 Mark, als Stabeisen 9,30 Mark, als Blech 11,50 Mark, als Draht 12 Mark, als Gußstahl 27 Mark, als Messerklingen 1500 bis 2100 Mark, als feinste Uhrfedern 6 Millionen Mark! In der feinsten Bearbeitung vermehrt sich also der Werth des Eisens 20 Millionen Mal! R.     


Geschwindigkeit ist keine Hexerei. Eine Illustration zu diesem „klassischen“ Ausspruche moderner Schwarzkünstler liefert die Photographie, welche in ihren neuesten Leistungen die sogenannten Momentbilder weit hinter sich läßt und dieselben als überwundenen Standpunkt betrachtet, indem sie zur Aufnahme eines Bildes nur ein paar Hundertstel eines „Momentes“ bedarf. So hat ein Photograph in Boulogne in 1/300 Sekunde einen dahinrasenden Schnellzug abkonterfeit. Das Bild ist nach den Berichten Pariser Blätter vollkommen gelungen. Wagen und Tender sind deutlich; auch ist der Abdampf aus dem Schornstein sehr gut erkennbar, wogegen die arbeitenden Theile an der Maschine nicht gut zu unterscheiden sind, mit Ausnahme jedoch der die Triebräder verbindenden glänzenden Stange, welche sehr deutlich zu erkennen ist. Da der Zug im Augenblick der Aufnahme mit einer Geschwindigkeit von nahe an 70 km fuhr, so hat er sich in 1/300 Sekunde um etwa 6 cm fortbewegt und es haben in derselben Zeit die Triebräder etwa 1/100 Umdrehung vollzogen. So rasch erfolgte die Aufnahme, daß man die Radspeichen, welche bei rascher Fahrt eines Zuges nicht mehr wahrnehmbar sind, deutlich zu unterscheiden vermag. –k.     


Die Welt des Scheines herrscht nicht nur auf der Bühne selber, sondern auch – wer sollte es wohl vermuthen! – im Zuschauerraume, und die Zuschauer spielen hierbei sogar eine „Rolle“, wenn auch nur als Komparsen. In dem Nachrufe, welcher einem jüngst verstorbenen Berliner Theaterkassirer gewidmet wird, heißt es, zum Beweise dessen: „… er war außerdem bekannt als strategisches Genie, als genialer Gruppirer des Theaterpublikums. Er verstand die schwierige Kunst, die Theaterbesucher im Parkett und in den Logen so zu vertheilen, daß ein halbvolles Haus den Anschein eines ganz gefüllten bekam.“ A.     


Chorlied der Deutschen in Amerika.[1]

Im deutschen Geist und Herzen sind wir eins!

Nicht festgebannt an Deutschlands mächt’ge Eichen,
An deutsche Erde ist der deutsche Geist!
Er soll der hohen, ew’gen Sonne gleichen,
Die segenbringend eine Welt umkreist,
Die mit dem Licht verleiht der Wärme Spende,
Die Rosen weckt und nährt die Gluth des Weins. –
Ihr Brüder, reicht zum Bunde euch die Hände!
Im deutschen Geiste wissen wir uns eins! –

Es blüht ein Blümlein in der deutschen Seele,
Das ist vom Thau des Himmels übersprüht,
Das gilt uns mehr als Perlen und Juwele –
Die fromme Wunderblume heißt: Gemüth!
Draus quillt im Leide süßen Trostes Segen,
Das ist der Duft, die Würze unsres Seins! –
Laßt Hand in Hand uns zieh’n auf unsren Wegen!
Im deutschen Herzen wissen wir uns eins! –

Wir fühlen stolz uns Bürger eines Landes,
Wo hoch die Freiheit ihre Fahne schwingt,
Doch sind wir eingedenk des heil’gen Bandes,
Das sich um eines Stamms Genossen schlingt! –
Gruß, Bruder, Dir, entsproßt in Alpengründen,
Und Dir, gekommen von dem Strand des Rheins! –
Mit Jauchzen soll es unser Lied verkünden:
Im deutschen Geist und Herzen sind wir eins! Emil Rittershaus.


  1. Um die Pflege des Männergesanges auch unserseits zu fördern, bestimmen wir für die beste Komposition eines vierstimmigen Männerchors zu dem vorstehenden, auf Wunsch deutsch-amerikanischer Vereine von Rittershaus gedichteten Chorliede einen Preis von 500 Mark.
    Das Preisrichteramt haben die Herren Hof-Kapellmeister Abert-Stuttgart, Kapellmeister Dr. Reinecke-Leipzig und Hof-Kapellmeister Dr. Wüllner-Köln freundlichst übernommen.
    Den genannten Preis von 500 Mark erhält die mit Stimmenmehrheit von den Preisrichtern als beste bezeichnete Komposition, die in das Eigenthum der „Gartenlaube“ übergeht und in derselben veröffentlicht werden wird.
    Die konkurrirenden Kompositionen dürfen vorher weder durch Druck noch sonstwie veröffentlicht sein und müssen, mit einem Motto versehen,
    bis 31. Mai d. J.

    an die Redaktion der „Gartenlaube“ eingesandt werden. Der Name des Einsenders darf dabei nicht genannt sein, sondern muß sich in einem versiegelten Kouvert befinden, welches als Aufschrift dasselbe Motto trägt wie die Komposition.
    Leipzig, Ende März 1885. Die Redaktion der „Gartenlaube“. 



Inhalt: Die Frau mit den Karfunkelsteinen. Roman von E. Marlitt (Fortsetzung). S. 241. – Die Dynastie Naundorff. Von Rudolf von Gottschall. S. 246. – Das Reichsgerichtsgebäude in Leipzig. Von Karl Siegen. Mit Abbildung. S. 249. – Unter der Ehrenpforte. Von Sophie Junghans (Fortsetzung). S. 249. – Mit Illustration S. 252. – Marokkanische Marktscenen. S. 252. Mit Illustration S. 253. – Blätter und Blüthen: Kaisers Geburtstag in Berlin. Von Hermann Heiberg. S. 254. – Deutschlands merkwürdige Bäume. Nr. 5. Die Heinrichs-Linde in Braunschweig. S. 255. Mit Abbildung S. 241. – Der Hausirer. S. 255. Mit Illustration S. 245. – Das Klettern der Fliegen. S. 255. – Die „Bismarck-Litteratur. S. 255. – Das Grubenunglück bei Camphausen. – „In Ostafrika“. – Werth der Arbeit. – Geschwindigkeit ist keine Hexerei. – Die Welt des Scheines. – Chorlied der Deutschen in Amerika. Von Emil Rittershaus. Preisausschreiben. S. 256.


Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redacteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Jahreu
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_256.jpg&oldid=- (Version vom 23.3.2024)