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verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Blätter und Blüthen.


Reiherbeize. (Mit Illustration S. 277.) Mittelasien war von jeher die Heimstätte der Falkenjagd, die dort im großartigsten Maßstabe betrieben wurde. In den Berichten Marco Polo’s aus dem Jahre 1290 lesen wir, daß Kublai Chan im Monat März mit 10000 Falknern und Vogelstellern, auf einem Elefanten reitend, große Jagdzüge durch das unermeßliche Gebiet seines Reiches zu unternehmen pflegte, und aus späteren Jahrhunderten wird von dem „König von Persien“ berichtet, daß er sich über 800 Falken gehalten hätte, wovon die einen auf wilde Schweine, wilde Esel, Antilopen und Füchse, die anderen auf Kraniche, Reiher, Gänse und Feldhühner abgetragen waren. Solche Ausdehnung hat die Falkenjagd in Europa niemals erlangt, aber lange Zeit hindurch bildete sie an den Höfen der Großen die beliebteste Jagdart, an der, wie heute an den Parforcejagden, auch die Damenwelt sich gern betheiligte. Unter den deutschen Kaisern giebt es eine lange Reihe passionirter Falkenjäger, und Kaiser Friedrich II., der geschickteste und leidenschaftlichste Falkner seiner Zeit, schrieb sogar ein Buch „Ueber die Kunst des Jagens mit Vögeln“ („De arte venandi cum avibus“), welches im Jahre 1596 gedruckt wurde und bis heute in der Jagdlitteratur eine hervorragende Stelle einnimmt.

Vierfüßler jagte man in Europa mit Falken seltener, denn nur auf weiten Steppengebieten kann eine derartige Beize sich interessant entfalten. Unseren Vorfahren erschien mit Recht das Reich der Lüfte als die vornehmste Domaine des Edelfalken. Hoch über den Wipfeln der Bäume sollte der kühne Vogel seine Beute aufsuchen, sollte in der schwindelnden Höhe, bis zu welcher kein Bogenpfeil emporschnellen konnte, allein den Kampf bestehen und durch seine Gewandtheit das Jägerauge erfreuen. Auf schwache Rebhühner und furchtsame Tauben wurden nur junge, noch nicht abgerichtete Falken geworfen, die alten, welche die Schule bereits durchgemacht hatten, mußten einen würdigeren Gegner aufsuchen, und sie fanden ihn in den schlanken Bewohnern unserer Gewässer, in Reihern und Kranichen.

Und wahrlich bot die Reiherbeize, wie sie in Jagdwerken früherer Zeit beschrieben wird, ein prachtvolles Bild, dessen wechselnden Gang der Jäger mit Spannung und pochendem Herzen verfolgte. Da schwebt der Reiher hoch über der Ebene, dem blauen Himmelszelt entgegeneilend, aber rascher schwingt sich der Falke empor, er sucht ihm die Höhe abzugewinnen und von Augenblick zu Augenblick wird sein Vortheil sicherer und sicherer. Nun hat er den nöthigen Vorsprung gewonnen und schwebt über der Beute, um den entscheidenden Stoß auszuführen. Der kritische Augenblick ist da. Der Verfolgte streckt blitzschnell dem auf ihn Herabstoßenden den spitzen Schnabel entgegen, die fürchterliche Waffe, die ihn so oft gerettet.

In wirrem Knäuel stürzen die Vögel herab, und donnernd sprengen die Rosse der Jäger über die Haide nach der Stelle, wo die Kämpfer niedergefallen. Ein Jubelruf erschallt, der Edelfalk hat den Sieg davongetragen, auf dem Rücken des Reihers sitzend, würgt er den Gegner am Halse. Nun wird der Besiegte so schnell wie möglich befreit und, wenn seine Verletzungen nicht gefährlich sind, wieder freigelassen, nachdem er die schönsten Federn, namentlich aber seinen Hauptschmuck als Jägertrophäe hergegeben. Ein metallener Ring wird ihm um den Fuß gelegt. Die Jahreszahl und der Ort des Fanges sind auf ihm eingegraben, und er muß ihn tragen, als Zeichen seiner Niederlage. Und der Falke? Er fliegt zurück auf die mit dickem Lederhandschuh geschützte Hand der Dame, die ihn auf den Reiher geworfen, und empfängt den wohlverdienten Lohn: reichlichen guten Fraß.

Die Zeiten sind dahin, wo man in Deutschland solche Jagdbilder schauen konnte, wie sie uns die Meisterhand W. Räuber’s vorzaubert. Hier und dort werden noch in Europa schwache Versuche unternommen, um Sinn und Lust an der Falkenjagd zu wecken. Viele Nachahmer finden jedoch die modernen Falkner nicht, die Zeit dieser hohen Jagd scheint für immer vorüber zu sein. Blei und Pulver erreichen auch hoch in den Lüften ihre Beute. –i.     




Zum Gedächtniß Franz Abt’s. Mit dem letzten Tage des März ist Franz Abt, einer der volksthümlichsten deutschen Liederkomponisten, in Wiesbaden aus diesem Leben geschieden. Wie sehr der Verstorbene im Herzen seines Volkes lebte, das haben am Karfreitage, dem Begräbnißtage, Hunderte von Kränzen, Widmungen, Telegrammen, Briefen und Deputationen feierlich bestätigt. Die umflorten Fahnen der vielen Wiesbadener Vereine, die Trauerklänge der Militärkapelle, die am Grabe gesungenen Chöre: „Ueber allen Wipfeln ist Ruh“ und „Stumm schläft der Sänger“, der von vier schwarz behangenen Pferden gezogene Leichenwagen – das Alles sagte der nach Tausenden zählenden Menge: hier wird einem Lieblinge des deutschen Volkes das letzte Ehrengeleit gegeben.

Am offenen Grabe schilderte Pfarrer Bickel und nach ihm des Entschlafenen ältester Freund, Oberregisseur Schultes das Wesen und die Bedeutung Abt’s: seine echte Künstlerschaft, seine nie ermattende Schaffenslust, die ihn noch kurz vor seinem Tode nicht verlassen hatte, seinen biederen, schlichten Sinn, und dann – die Krone aller wahren Künstlerschaft: seine nie sich verleugnende Bescheidenheit. „Sein ganzes Leben war auf einen wunderbaren Dreiklang gestimmt: Liebe zur Kunst und zum Vaterlande, rastlose Arbeit und neidlose Bescheidenheit.“

Franz Abt ist am 21. December 1819 als der Sohn eines Pfarrers geboren, besuchte die Thomasschule zu Leipzig und studirte eine Zeitlang Rechtswissenschaft. Wie er zum Musiker wurde, wie er als solcher zu kämpfen und zu ringen hatte, bis er endlich Anerkennung und eine gesicherte Stellung als Hofkapellmeister in Braunschweig fand, das haben wir den Lesern der „Gartenlaube“ im Jahrgang 1867 (S. 325) ausführlich erzählt. Nach seiner Pensionirung im Jahre 1881 hatte er sich nach Wiesbaden zurückgezogen, wo er nun auch seine letzte Ruhestätte auf der Höhe des schönen, rings von dem bewaldeten Taunusgebirge umgebenen Friedhofes gefunden hat. Ein Aufruf an die deutschen Gesangvereine, welche dem Talente des Entschlafenen so viele ihrer schönsten und sangbarsten Lieder verdanken, soll die Mittel beschaffen, um ihm dort ein würdiges Denkmal zu setzen. Das schönste Denkmal hat er sich aber selbst im Herzen des deutschen Volkes gesetzt, in welchem die Lieder und Weisen von Franz Abt noch lange, lange fortklingen werden.




Ein Buch für Fortbildungsschüler. Als eine segenbringende Einrichtung der Neuzeit muß die Fortbildungsschule begrüßt werden, die sich die Aufgabe stellt, die weitere Ausbildung der Lehrlinge zu fördern, namentlich aber für die Befestigung derjenigen Kenntnisse und Fertigkeiten, die für den Beruf nothwendig sind, Sorge zu tragen. Für diese Anstalten empfehlen wir angelegentlich das „Lehr- und Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen von Ernst Stötzner“ (Leipzig, Julius Klinkhardt). In den drei Hauptabschnitten dieses Buches – Lehr-, Wander- und Meisterjahre – werden alle Beziehungen eines Gewerbetreibenden berücksichtigt. Die trefflich ausgewählten Lehrstücke sind den Werken unserer besten Schriftsteller entnommen und neben der realen Seite des Lebens kommt auch die ideale zur vollen Geltung. In dem Buche wird die Charakterbildung ins Auge gefaßt, auf das Vorbildliche besonders Gewicht gelegt und der Weg vorgezeichnet, den der Jüngling zu gehen hat, um nicht nur ein Meister in seinem Fache, sondern auch ein Meister in der schweren Kunst eines gesitteten Lebens zu werden. Da sich hier Belehrung und Unterhaltung in schönster Weise vereinigen, so ist dies Werkchen zugleich auch als Volks- und Prämienbuch zu empfehlen. Dasselbe Lob müssen wir auch dem in demselben Verlage erschienenen „Lehrbuch für ländliche Fortbildungsschulen von Hugo Weber“ spenden, in dem, im Gegensatz zur Stadt, die Verhältnisse der Landbevölkerung berücksichtigt werden. E.     




General Vogel von Falckenstein †. Am 6. April starb im 89. Lebensjahre einer jener Feldherren, denen es beschieden war, in der entwickelnden Vorgeschichte des Deutschen Reiches eine hervorragende Rolle zu spielen, der General Vogel von Falckenstein. Unvergessen sind seine Verdienste, die er sich als Generalgouverneur sämmtlicher deutscher Küstenlande im Kriege 1870 bis 1871 erwarb. Seiner Thatkraft und Umsicht hatten die deutschen Ostseeküsten es zu verdanken, wenn sie von französischer Invasion verschont blieben, seinen Maßregeln gegenüber machte die französische Flotte nicht einmal den Versuch einer Landung. Seit dem Jahre 1873 in Ruhestand getreten, verlebte er seine letzten Jahre auf seinem Schlosse Dolzig in der Nähe von Sorau in Schlesien. Ausführliches über das Leben und die Laufbahn des verdienstvollen Heerführers haben wir in den Jahrgängen 1866 und 1871 gebracht. –r.     




Schach.
Problem Nr. 2. Von Otto Fuß in Bergen a. d. Dumme.
SCHWARZ

WEISS
Weiß zieht an und setzt mit dem dritten Zuge matt.


Kleiner Briefkasten.

(Anonyme Anfragen werden nicht beantwortet.)

R. W., Pensa, „Glück auf!“, E. H. in Berlin, B. z. M., H. H. in B., Josefus. Ungeeignet.

W. E. in Schandau. Der betreffende „Rathgeber“ ist ein Schwindel, vor dem wir Sie warnen.



Inhalt: Die Frau mit den Karfunkelsteinen. Roman von E. Marlitt (Fortsetzung). S. 273. – Der Stil in der Wohnung. Von Ferdinand Avenarius. S. 278. – „Die Gesellschaft der Waisenfreunde“. Von Friedrich Hofmann. S. 279. – Unter der Ehrenpforte. Von Sophie Junghans (Fortsetzung). Mit Illustration S. 281. – Franz Defregger. Zum 50. Geburtstage des Meisters, am 30. April. Von Fr. Pecht. S. 284. Mit Illustrationen S. 284 und 286. – Der Eschepeter. Von Emil K . . . g. S 286. – Der Rhabarber. Von O. Hüttig. Mit Abbildung S. 287. – Blätter und Blüthen: Reiherbeize S. 288. Mit Illustration S. 277. – Zum Gedächtniß Franz Abt’s. – Ein Buch für Fortbildungsschüler. – General Vogel von Falckenstein. – Schach. Problem Nr. 2. Von Otto Fuß. – Kleiner Briefkasten. S. 288.



Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redacteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_288.jpg&oldid=- (Version vom 19.3.2023)