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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

buchhändlerische Aufträge veranlaßt ward, gaben ihm erwünschte Gelegenheit, nach Vollendung seiner Studienzeit ein schönes Stück Welt zu sehen: Italien, die Schweiz, Frankreich, Oesterreich und Ungarn, Belgien und England. Darüber versäumte er nicht, sich einen festen Boden für das gesellschaftliche Leben unter den Füßen zu schaffen. Er bestand 1868 sein juristisches Staatsexamen, arbeitete eine Zeit lang in anwaltschaftlicher Praxis und promovirte 1869 zu Heidelberg als Doktor der Rechte. Aus jener Zeit stammen auch staatsrechtliche und politische Arbeiten in der „Allgemeinen Zeitung“. Als ihm 1870 Gelegenheit geboten ward, in den bayerischen Staatsdienst einzutreten, ergriff er dieselbe und wirkte zuletzt als Assessor im königlichen Reichsarchiv zu München. Hier, im Erdgeschoß des prachtvollen Bibliothekgebäudes fanden wir ihn in einem hohen gewölbten Zimmer, wie in einer schweigsamen Klosterzelle, zwischen ehrwürdigen alten Urkunden und modernen Akten.

Seit 1871 aufs glücklichste verheirathet und von drei reizenden blondhaarigen Kindern umtanzt, hatte er ein überaus angenehmes Heimwesen. Die ernsten Arbeiten im Reichsarchiv wurden in anregender Weise unterbrochen durch Reisen, welche der Dichter in die Städte am Rhein, an der Weser und Ostsee unternahm, um auf Einladung von Vereinen öffentliche Vorträge zu halten, meist über das Leben und die Sitten seiner Heimath. Diese Vorträge haben nicht wenig zu seiner Popularität beigetragen. Am freudigsten aber stimmte ihn das Wandern, wenn er das städtische Gewand mit dem grünen Jägerhut und dem Lodenmantel vertauschte, um, selbst ein echter Sohn seiner Berge, unter seinem Bergvolk herumzuwandern und da dem ewig sprudelnden Quell des Volkshumors zu lauschen oder jener schlichten Philosophie, die unter dem Bauernkittel sinnt.

Es war ein beneidenswerthes Los, das diesem Manne ward. In jungen Jahren ein Liebling seines Volks; hoch geachtet in der Gesellschaft; heimisch in einem der schönsten Thäler deutscher Lande; beschirmt aus eigener Kraft gegen jene ökonomische und gesellschaftliche Zerrüttung, die schon manches glänzende Talent verdarb –: es ist schwer sich ein harmonischer ausgestaltetes Leben zu denken.

Und so beneidenswerth war dieses Los, daß auch an diesem hochbegnadeten Dichter der alte Spruch sich erfüllen mußte: Wen die Götter lieben, den lassen sie jung sterben. Vor mehreren Jahren schon von schwerer Krankheit niedergeworfen, war er zwar wieder genesen; aber er hatte dem Tode ins Gesicht geschaut und, was er da gesehen, in einem düsteren, mächtig ergreifenden Liedercyklus „Aus Fiebertagen“ wieder gesagt. Sein damaliges Ahnen eines frühen Todes trog ihn nicht. Der in oberbayerischer Mundart verfaßte Glückwunsch, welchen seine Tegernseeer Landsleute an den deutschen Reichskanzler zu dessen siebzigstem Geburtstage sandten, war Karl Stieler’s Schwanengesang.

Nach nur fünftägiger Krankheit raffte eine tödliche Lungenentzündung den lebensfrohen, schaffensfreudigen Mann am 12. April 1885 aus dem Kreise der Seinigen, aus einer Reihe hochfliegender Pläne und Entwürfe hinweg. Liebenswerth und edel, wie er als Lebendiger war, ist er unvergeßlich als Todter. Die grünen Wellen seines geliebten Tegernsees umrauschen sein frühes Grab; in seinen heimischen Bergwäldern beginnt es zu knospen und zu blühen. Aber wenn auch dieses Knospen und Blühen ihm keine neuen Lieder weckt: die alten, die er aus jenen Wäldern holte, bleiben unvergessen; dem innersten Volksgemüth entwachsen, klingen sie goldhell von den Bergen ins Land, Geschlecht um Geschlecht überdauernd. M. Haushofer.     




Unter der Ehrenpforte.

Von Sophie Junghans.
(Fortsetzung.)


In den Vorbereitungen für den Einzug fand sich der würdige Doktor Tiedemars von seiner Bürgerschaft aufs Beste unterstützt und von einem allgemeinen guten Willen gleichsam an jedes einzelne seiner Ziele getragen. Es lag etwas in dem Gedanken gerade dieser Vermählung, was den Leuten förmlich zu Kopfe stieg. Hier handelte es sich ja nicht um den künftigen Besitz einer blutjungen Fürstin, die außerhalb ihres Hofes Niemand so recht kannte, da sie sich als schüchternes Jungfräulein anders als etwa bei Vertheilung eines Turnierdankes noch nicht öffentlich hatte bethätigen können. Nein, die Gräfin Sabine war eine glänzende, gereifte Frau, war lange der Mittelpunkt eines prächtigen Hofes gewesen, den sie mit Geist, Lust und Leben erfüllt hatte wie kaum eine andere Fürstin ihrer Zeit. Sie war bekannt als eine Meisterin in jeder ritterlichen Kunst, an der damals die Frauen theilnahmen, sie beizte den Reiher und hetzte den Hirsch mit den Besten, aber bei all diesem lustigen, freien Leben hatte nie ein Hauch die Reinheit ihres Namens getrübt; muthig, klug und jeder Lage gewachsen, hatte sie sich immer den besten Leumund zu wahren gewußt, denn ein derber Scherz, wie man deren wohl ihr nacherzählte, konnte denselben nicht beeinträchtigen.

Auch darin hatte sich die Fürstin tüchtig und der Vorliebe ihrer nunmehrigen Landeskinder ganz besonders werth gezeigt, daß sie manchen ganz in ihrer Nähe mächtigen, offenen und geheimen, Einflüssen zum Trotze nicht nur selber eine gute Protestantin geblieben, sondern auch stets, wo es noththat, rücksichtslos für ihre Glaubensgenossen eingetreten war und dem lutherischen Bekenntniß in den Landen ihres ersten Gemahls zu einer gesicherten Stellung verholfen hatte.

Unter allen diesen Eigenschaften, so recht danach angethan, die Einbildungskraft des Volkes mit ihrem glänzenden Bilde zu füllen, darf aber eine sehr wesentliche nicht vergessen werden, und das war: der große Reichthum der gräflichen Wittwe, davon die Legende, zugleich mit der ihrer fürstlichen Freigebigkeit, schon lange vor ihrer Ankunft in allen Stuben, hohen und niedrigen, ihres neuen Landes heimisch war.

Und nach dem Spruche: „Wer da hat, dem wird gegeben,“ bereiteten Stadt und Land der neuen Herrin zum Willkommen Geschenke, die noch einmal so reich und werthvoll waren, als man sie einer minder begüterten und daher für solche schönen Dinge vielleicht um so empfänglicheren künftigen Landesmutter zu Füßen gelegt haben würde. Alle Gewerke waren in den letzten Wochen in einer fieberhaften Thätigkeit gewesen, denn man hatte ja, seitdem der Abschluß der vorbereitenden Verhandlungen bekannt geworden war, nicht allzu viel Zeit gehabt. Jede Zunft bereitete ein Meisterstück vor, so weit ein solches in der nicht langen Frist nur irgend herzustellen war. Da gab es Schatullen und Schränkchen von der köstlichsten eingelegten Arbeit, schwer mit Silber beschlagen, Arbeiten, zu denen sich Kunstschreiner, Drechsler, Gold- und Silberschmiede vereinigt hatten, da prangte Bibel und Gebetbuch in köstlichem gepreßten Lederbande oder in Sammet mit Beschlägen von ciselirtem Edelmetall und Zieraten von Juwelen. Da bogen sich die Kredenztische fast unter der Last der schweren getriebenen Gefäße, während wundervolle geschliffene Gläser und Kelche auf den oberen Borden in einem märchenhaften Glanze strahlten. Gar nicht genug zu beschreiben war die Pracht und der Werth der Stoffe und Gewänder, von dem schweren Fürstenmantel an, von silbergesticktem Sammet und mit Hermelin umsäumt, bis zu dem mit Goldfäden durchwirkten Schleier, der sich, wie die Zaubergabe im Märchen, beinahe in eine Nuß falten ließ und wirklich für das Geschenk der Feen hätte gelten können.

Dazwischen fehlte es weder an Hemden, das Linnen aus jenem Flachse gesponnen, davon ein Schock durch den Goldring eines Mägdleins geht, noch an Strümpfen und Schuhen. Und das Geschmeide, die Halsketten, Ringe, goldenen Haarreife, Gürtel und Spangen hätten allein schon einen würdigen Mahlschatz für eine reiche Braut gegeben.

Und dies Alles nun, diese Herrlichkeiten, für den flüchtigen Blick nicht nur, sondern die ihr hoher Werth, des Materials sowohl wie der darauf verwendeten Kunst, für Diejenigen, die sie darboten, zu kleinen Heiligthümern machte, sollte am Einzugstage der Fürstin auf glänzende Weise zuerst vor die Augen geführt,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 299. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_299.jpg&oldid=- (Version vom 10.10.2020)