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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)


Mount Hood und die Dalles des Columbia.

Zehntausend Meilen durch den Großen Westen der Vereinigten Staaten.[1]

Von Udo Brachvogel.0 Mit Illustrationen von Rudolf Cronau.
VII.
Der Columbia und seine Mündung. – Zur Geschichte des Pacifischen Nordwestens. – Den Columbia stromaufwärts durch das Küstengebirge. – Das Kaskadengebirge und der Columbiadurchbruch. – Die „Kaskaden“ und die „Dalles“. – Afrika am Stillen Ocean.

Wir haben schon einmal an den Wassern des Columbia, des königlichsten der Pacifischen Ströme Amerikas gestanden. Beim westlichen Austritt aus dem Wunderlande des Yellowstone (vergl. Nummer 36 des Jahrgangs 1883) war es, dort, wo wir im Herzen der Felsengebirge mit einem und demselben Blick nach den Quellwassern des Snake River und denen des Missouri hinsehen und in ihnen durch die beiden größten Stromsysteme des Stillen und des Atlantischen Oceans diesen Oceanen selbst unsere Grüße entsenden konnten. Jetzt sehen wir den Strom da wieder, wo er, ein Riese seines Geschlechts, in das Stille Weltmeer fällt. Auf einem der prächtigen Dampfer der „Oregon Eisenbahn- und Schifffahrts-Gesellschaft“ von San Francisco kommend, haben wir nach zweitägiger Seefahrt seine Mündung in der Breite eines kleinen Meerbusens vor uns, dessen felsige Propyläen – Kap Hancock im Norden, Tillamock Head im Süden – nahezu drei Meilen von einander abstehen. Quer davor legt sich die Barre des Columbia, welche in der blendenden Schaumkrönung ihrer Brandung dem Auge des Laien ebenso malerisch erscheint, wie sie dem des Seemanns mißfällig und gefahrdrohend ist. Nur mit größter Vorsicht vermögen Vollschiffe die von den ewig wechselnden Sandschichtungen der Tiefe bestritteue Einfahrt zu bewerkstelligen. Dahinter freilich breitet sich wieder – und nicht nur hier, sondern volle 100 Meilen den mächtigen Strom aufwärts – bestes Fahrwasser aus. Gleichzeitig entfaltet sich, je weiter die Einfahrt gedeiht, zu beiden Seiten ein Wasser- und Land-Panorama, welches uns um so stattlicher und um so gastlicher zugleich empfängt, als es der unwirthliche Ocean ist, von dem wir kommen.

Unvermittelt den Fluthen entsteigende Berge ragen im Vordergrunde empor; hinter ihnen und dem übrigen unmittelbaren Ufergehänge und Ufergefelse thürmt sich höheres Gebirge auf: die breite Kette des Pacifischen Küstengebirges, und über ihre mächtigen Rücken und Kämme grüßt von Süden her, die Riesenform eines Mexikanischen Sattels tragend, der 5000 Fuß hohe Saddle Mountain. Alle diese Hügel, Berge, Abhänge und Lehnen sind mit endlosen dichten Waldungen bedeckt, die bis zu den Wassern des Stromes hinunterreichen. Selbst die häufigen Waldbrände, welche weite Strecken dieser Forsten gelichtet und in dürre Oeden mit gespenstisch aufragenden nackten und verkohlten Stämmen verwandelt haben, thun dem üppigen Bilde nur vorübergehend Abbruch.

Es war im Jahre 1792, daß diese majestätische Strommündung durch den ums Kap Horn herumgesegelten Bostoner Schiffskapitän Robert Gray entdeckt und das von den Indianern „Oregon“ genannte herrliche Gewässer nach ihm zuerst „Gray’s River“ getauft wurde. Aber da das „Columbia Rediviva“ geheißene Schiff, welches diesen Entdecker so wacker hierher getragen, durch seine Dauerhaftigkeit kaum weniger Antheil als sein Kommandeur an dem großen Flußfunde hatte, so legte man dem Strome nach dem Finderschiff auch noch den Namen „Columbia“ bei. Und da dieser Name unwillkürlich an den ruhmreichen Entdecker des ganzen Kontinents erinnert, so hat er billiger Weise den ersteren überdauert.

Dreizehn Jahre später, 1805, kamen Lewis und Clark auf ihrem unsterblichen Erforschungszug vom Osten her über die Felsengebirge des heutigen Montana. Sie krönten ihre Entdeckung der Missouri-Quellen mit der weiteren Auffindung der Columbia-Quellflüsse, des südlichen Snake River sowohl wie des nördlichen eigentlichen Columbia, verfolgten auch dieselben bis zu ihrem Zusammenfluß zum großen Hauptstrom und diesen selbst bis zum Ocean. Seitdem kennt die Welt den Columbia und sein Stromgebiet. Besiedelnd von ihm Besitz zu ergreifen, begann sie dann – abgesehen von der kurzlebigen Handelsfaktorei-Gründung Astorias durch die heroischen Sendboten des New-Yorker Pelzhandelsfürsten Johann Jakob Astor im Jahre 1812 – mit

  1. Unter Meilen sind in diesen Artikeln stets englische Meilen verstanden von denen 4 6/10 auf die deutsche Meile gehen.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 396. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_396.jpg&oldid=- (Version vom 20.4.2021)