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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)


Deutschlands große Industrie-Werkstätten.

Die Fabrikation der Buchdruckerschwärze.0 Mit Illustrationen von C. Grote.

Die alten Buchdrucker können sich noch auf jene Zeiten besinnen, da an heiteren, windstillen Tagen die dumpfen Druckereisäle verlassen wurden und die Jünger Gutenberg’s fröhlich vor die Thore der Stadt zogen, um „Farbe“ zu bereiten. Da prasselte lustig in einem Erdloche das Feuer, darüber stand auf einem Dreifuß die kupferne birnförmige Blase, in der das Leinöl kochte, und Jung und Alt tauchte in dasselbe an Holz gespießte Semmeln und Schwarzbrotstücke, die, später mit Salz bestreut, ein beliebtes Druckerfrühstück bildeten und zum kräftigen Schluck vortrefflich mundeten. Der Meister sah es nicht ungern, daß seine Leute auf diese Weise ihr Brot fett machten, denn aus dem Leinöl sollte man Firniß sieden, und da entzogen jene Semmeln und Brotstücke dem siedenden Oele die flüssigeren Fetttheile und brachten es rascher zum Eindicken. Vorsicht mußte dabei freilich geübt werden, denn das Oel durfte nicht aufbrausen und überlaufen, sonst ging die ganze Herrlichkeit in Rauch und Flammen auf.

Erzeugung des Rußes in der Buchdruckfarbenfabrik von Gebrüder Jänecke und Fr. Schneemann zu Hannover.

War nun diese Arbeit glücklich vollendet und der Firniß gehörig abgekühlt, dann begann ein mühseliger Proceß, der zweite Theil der Farbebereitung. Aus den mitgebrachten Säcken wurde Ruß in den Firniß hineingerührt, bis nach der Meinung des Meisters die Masse schwarz genug war, um sie selbst für den Druck von Prachtwerken zu verwenden. Also bereiteten die früheren Buchdrucker ihre Buchdruckfarbe nach einer Methode, die schon vor Gutenberg’s Zeiten bekannt war, da es noch die sogenannten Blockbücher gab, deren in Holz geschnittene Bilder- oder Typentafeln mit schwarzer Farbe gedruckt wurden. Manche Leute finden diese ursprüngliche Bereitungsart „romantisch“, was wir nicht leugnen wollen, wenn wir uns die kochende Schar an einer alten Stadtmauer postirt denken und im Geiste den Feuerschein auf alten Giebeln und Erkern spielen sehen, aber praktisch war sie nicht. Alles schickt sich nicht für Jeden, und so war auch mancher guter Drucker ein schlechter Farbemacher; darum finden wir auch in so vielen alten Büchern unsaubere Buchstaben mit gelben Oelringen, die noch nach Jahrhunderten von mangelhaft bereiteter Druckerschwärze zeugen. Trotzdem wurde die alte Einrichtung beibehalten, denn von der lieben Gewohnheit konnten sich auch die Buchdrucker nicht trennen, bis sie im Anfang des 19. Jahrhunderts durch die Macht der Verhältnisse zum Verzicht auf die Farbebereitung gezwungen wurden.

Die von Friedrich Koenig erfundene Schnellpresse begann damals ihren großen Siegeslauf um die Welt. Sie wirkte reformirend und belebend auf den Buchdruck. Spielend wurden jetzt die höchsten Auflagen bewältigt, die Tagespresse wuchs mit überraschender Schnelligkeit zu einer neuen Macht heran und scheute weder Papier noch Buchdruckfarbe, um überall ihren Einfluß geltend zu machen. Da konnte die Farbenblase der alten Buchdrucker den immer wachsenden Bedarf an guter Druckerschwärze nicht mehr decken, und auch auf diesem Gebiete mußte endlich das große Princip der Theilung der Arbeit zur Geltung gelangen.

Es entstanden bald besondere geschäftliche Unternehmungen zur Anfertigung der Druckerschwärze, Buchdruckfarbefabriken im vollsten Sinne des Wortes, und England, in dem die Schnellpresse ihre ersten Triumphe gefeiert hatte, ging auch nach dieser Richtung bahnbrechend vor. Lange Zeit hindurch versorgte es die Völker des Kontinents mit seinen zu hohen Preisen verkauften Erzeugnissen, und erst in späteren Jahrzehnten, nachdem die Wunden, die uns die lange Kriegszeit geschlagen, geheilt waren, konnte Deutschland daran denken, die englische Konkurrenz aus eigenem Lande zu verdrängen. Heute ist die Zeit jener Abhängigkeit von fremder Industrie längst überwunden, und der gute Ruf der deutschen Buchdruckfarbe auf dem Weltmarkte fest begründet.

Reibwerke zum Raffiniren der Buchdruckfarbe.

Aus kleinen Anfängen erwuchsen bei uns jene großartigen Etablissements, unter denen die Fabrik der Gebrüder Jänecke und Fr. Schneemann in Hannover als eine Musteranstalt hervorgehoben zu werden verdient. Wir wollen gerade ihr einen Besuch abstatten, denn hier lernen wir am besten, wie tadellose Buchdruckfarbe den Anforderungen der Zeit entsprechend hergestellt wird.

Ruß und Leinöl sind noch heute die Hauptrohmaterialien, mit denen unser Farbefabrikant rechnen muß. Von ihrer Güte hängt die Vollkommenheit der Druckerschwärze ab, und darum muß seine Sorge in erster Linie darauf gerichtet sein, besten Ruß und bestes Leinöl zu erhalten.

Der Buchdrucker bezog früher seinen Ruß aus gewöhnlichen Rußbrennereien, deren Produkt oft von zweifelhaftem Werthe war; der moderne Fabrikant hat die Erzeugung desselben selbst in die Hand genommen. Mit den alten Rauchkanälen und Rußkammern hat er längst gebrochen, der dort erzeugte Ruß mag für Stiefelwichse gut sein, für die Farbe, mit der die besten Holzschnitte gedruckt werden sollen, ist er viel zu roh.

Um feineres Produkt zu erzielen, hat man darum zunächst zu den Oellampen gegriffen, und wir finden jetzt in den Farbefabriken weite Säle, in welchen Hunderte von Lampen brennen, denen sämmtlich eine Eigenschaft innewohnt, die sonst nicht gerade zu den Vollkommenheiten einer Lampe zählt: sie rauchen alle gründlich – ist es doch hier ihr Beruf zu rauchen, nicht zu leuchten! Das Ergebniß ihrer Berufsthätigkeit, der Lampenruß, wird dann sorgfältig durch Rohre in lange senkrecht hängende Säcke geleitet, aus denen man ihn durch vorsichtiges Klopfen entfernt und sammelt. Um ein gleichmäßiges Brennen der Lampen in diesen Rauchsälen zu erreichen und dabei das zeitraubende Nachfüllen des Oels zu ersparen, sind Vorkehrungen getroffen, daß dasselbe einer jeden durch Zuteilungen von selbst und regelmäßig zufließe.

Ja, man ging noch weiter. Sorgfältige Experimente ergaben, daß die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 425. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_425.jpg&oldid=- (Version vom 28.3.2024)