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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Wir werden aber weiter unten sehen, daß letzteres Bedenken hinfällig geworden ist.

Wir wollen die Leser mit den vielen Namen von Eismaschinen-Erfindern und mit der Beschreibung ihrer Apparate nicht plagen. Für unsere Zwecke genügt ein kurzer Hinweis auf die Principien, welche den Eisapparaten beziehungsweise Kühlvorrichtungen zu Grunde liegen.

Man pflegt diese Apparate in drei Gruppen zusammenzufassen. Entweder wird die Kälte durch das Schmelzen eines festen Körpers, z. B. Salz, oder durch die Ueberführung eines flüssigen Körpers in Gasform, oder durch die Ausdehnung von Gasen erzeugt.

Zu der ersteren Gruppe, deren Vertreter sich nur für den Hausbedarf eignen, weil ihr Betrieb zu kostspielig und umständlich ist, gehören die allbekannten Apparate zur Herstellung von „Gefrorenem“. Der verbreitetste, von Meidinger angegebene, besteht aus einem doppelwandigen, eimerartigen Behälter, aus einem konischen Einsatz, in welchen die abzukühlenden Fruchtsäfte oder Sahne gethan wird, endlich aus einem ringförmigen, siebartigen Gefäß, welches zur Aufnahme des Salzes dient. Der Eimer wird bis zur Hälfte mit zerstoßenem Eis gefüllt, was zugleich besagt, daß zum Betriebe der Apparate gerade das gehört, was man durch Eismaschinen herzustellen wünscht und daß daher Meidinger’s Erfindung höchstens auf den Namen eines Kühlers Anspruch machen darf. Nachdem man nun eine Salzlösung in das siebartige Gefäß gethan, beginnt das Eis zu schmelzen, verdünnt die Salzlösung und erzeugt eine bedeutende Kälte. Den Fruchtsaft braucht man nur von Zeit zu Zeit umzurühren.

Der Wirkung der Maschinen der zweiten Gruppe, deren bekannteste Carré, Kropf und Pictet zu Urhebern haben, liegt eine sehr bekannte Erscheinung zu Grunde. Befeuchtet man die Hand mit Aether, so verdampft dieser sehr rasch, und die Wärme, welche er hierzu benöthigt, entnimmt er nothgedrungen der nächsten Umgebung. So erklärt sich das sehr unangenehme Kältegefühl an der ätherbefeuchteten Hand. Bei der Eisfabrikation im Großen wird nun in der Weise verfahren, daß ein mit Wasser gefülltes Gefäß in den verdunstenden Aether getaucht wird, wobei das Wasser sofort zu einem Block gefriert und dann in dieser Gestalt sich leicht aus dem Gefäß herausnehmen läßt. Man braucht dasselbe nur einen Augenblick in warmes Wasser zu stecken. Den zweiten Theil der Operation bildet die Wiederverdichtung der Aetherdämpfe, die nicht verloren gehen dürfen, weil sonst der Betrieb ein zu kostspieliger würde. Die Stelle des Aethers vertritt auch vielfach Methyläther, eine Mischung aus Holzalkohol und Schwefelsäure, sowie namentlich Ammoniak.

Zur dritten Gruppe gehören die Maschinen, welche lediglich Luft abkühlen, ohne daß es auf die Erzeugung von Eis abgesehen wird. Bei diesen Maschinen, deren bekannteste die Windhausen’sche sein dürfte, wird Luft in einem Cylinder durch irgend eine Kraftmaschine verdichtet und dadurch zunächst das Gegentheil der beabsichtigten Wirkung erzielt, indem diese Luft sich durch den Druck erwärmt, weßhalb sie erst durch Wasser abgekühlt werden muß. Man erhält durch diese Abkühlung verdichtete Luft von gewöhnlicher Temperatur, deren Wärmegrad aber sofort beträchtlich sinkt, sobald man sie sich wieder ausdehnen läßt. So kühlt sich Luft von zwei Atmosphären Spannung hierbei um 60 Grad ab.

Die Maschinen dieser Gruppe besitzen vor denjenigen der zweiten den bedeutenden Vorzug, daß hierbei übelriechende Chemikalien nicht zur Verwendung gelangen, und daß sie zugleich eine kräftige Ventilation der Räume herbeiführen, in denen sie aufgestellt sind. Dafür können sie aber, wie gesagt, nur in der Nähe wirken, während die eigentlichen Eismaschinen Kälte in Eisform etwa in derselben Weise aufstapeln, wie es bei den Akkumulatoren mit der Elektricität geschieht. Sie eignen sich daher mehr für Brauereien und bei sonstigen gewerblichen Anlagen, welche Kälte überhaupt gebrauchen, während die Eismaschinen eher für den Einzelverkauf arbeiten und die Eishäuser ersetzen. Sie liefern entweder schneeweißes Eis, oder dadurch, daß man während des Gefrierens das Wasser umrührt und die Luft heraustreibt, krystallklares Eis.

Ueber die Leistungsfähigkeit und die Kosten der Herstellung des künstlichen Eises schwanken die Angaben um so mehr, als sich diese Kosten mit der Größe des Betriebes verringern. Der obenerwähnte R. Pictet liefert, um ein Beispiel anzuführen, größere Eismaschinen, bei denen sich die Erzeugung eines Kilogrammes Eis auf acht Zehntel Pfennig stellen soll. Eins steht aber wohl fest: das Kunsteis ist in den Jahren, wo die Eisernte ganz oder zum Theil verunglückte, jedenfalls wohlfeiler als das Natureis und dürfte bei der fortwährenden Vervollkommnung der Kälteerzeugungs-Apparate dieses schließlich ganz verdrängen.

Wir wiesen oben darauf hin, wie die Kostspieligkeit der Eismaschinen Viele von der Anschaffung abschrecke, oder vielmehr bisher abgeschreckt habe. Der obenerwähnte R. Pictet in Genf, der zu den genialsten Forschern unserer Zeit gehört, hat nämlich auch eine kleine, tragbare Eismaschine gebaut, die sich für den Haushalt eignet und namentlich auf Gütern, wo die Eisbeschaffung bisweilen große Schwierigkeiten verursacht, gute Dienste leisten möchte. Auch eignet sie sich für Schiffe und Krankenhäuser vorzüglich. Sie gehört zur zweiten Gruppe, bedarf zum Betriebe höchstens der Kraft eines Pferdes und nimmt nur ein halbes Quadratmeter Fläche in Anspruch. Sie liefert etwa vier Kilogramm Eis in der Stunde, also eine für den gewöhnlichen Hausbedarf völlig ausreichende Menge. Die hierzu gehörigen Chemikalien werden wieder verdichtet und bedürfen nur selten einer Ergänzung.

Zum Schluß einige Worte über die Aussichten für die leichtere Erzeugung höherer Kältegrade und deren gewerbliche Verwerthung. Wie unseren Lesern erinnerlich sein wird, gelang es dem obengenannten R. Pictet und dem Pariser Gelehrten Cailletet gleichzeitig, Sauerstoff bei der „angenehmen Temperatur“ von –181 Grad zu verflüssigen, während zwei polnische Forscher, Wroblewski und Olszewski das Kunststück fertig brachten, auch den Stickstoff bei 214 Grad Kälte flüssig zu machen und bei 225 gar in Eis zu verwandeln. Verwendung fanden diese unfaßbar niedrigen Temperaturen bei der Industrie freilich bisher nirgends, weil deren Erzielung eine zu schwierige ist. Im Verlaufe seiner Studien entdeckte indessen Cailletet neuerdings ein Verfahren, um mittelst Aethylens, eines mit dem Aether verwandten Stoffes, ohne Mühe und erhebliche Kosten die sehr hohe Kälte von 123 Grad zu erzielen. Die Verdunstung des Aethylens wird nämlich dadurch sehr beschleunigt, daß man in die Masse einen Strom kalter Luft oder kalten Wasserstoffes hineinleitet.

Ausgeschlossen erscheint es daher nicht, daß wir dereinst, Dank diesem Verfahren, Temperaturen auf leichte Weise erzielen, denen gegenüber die des Polarwinters als gelinde Maienluft erscheint und welche sonst nur im Weltraum anzutreffen sein möchten. Eis wird alsdann so wohlfeil wie Brombeeren. G. van Muyden.     


Unruhige Gäste.

Ein Roman aus der Gesellschaft.
Von Wilhelm Raabe.
1.

Es war eigentlich ein wenig abseits der gewöhnlichen, ausgetretenen Touristenstraße durch das Gebirge, wo das Dorf lag, das auf seine Kosten aus Stangen, Rasen und Tannenrinde die Hütte oder Köthe gebaut hatte, die einen und einen halben Büchsenschuß (alte Tragweite) von den letzten Häusern des Ortes am Waldrande stand. Aber ein Fuß- und Reitweg schlängelte sich doch einige fünfzig Schritte von dem kuriosen, indianerhaften Gebäude aus dem Hochforste hervor, und eine bunte Schar von Sommerreisenden – Weiblein und Männlein zu Fuß, zu Pferd und zu Esel, zog eben lustig und laut aus dem Dunkel des Waldes in die Sonne und quer über die Vierlingswiese vorbei an der Rasenhütte.

„O wie hübsch!“ rief eine der jungen Damen, ihr Thier anhaltend. „Das möchte ich wirklich noch in meinem Skizzenbuche mitnehmen. Haben wir nicht so lange Zeit, Papa und Ihr Anderen?“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 446. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_446.jpg&oldid=- (Version vom 18.3.2024)