Seite:Die Gartenlaube (1885) 468.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Blätter und Blüthen.

Wilhelm von Camphausen †. Mit der malerischen Darstellung der letzten großen Siege der deutschen Heere ist der Name Camphausen’s eng verbunden. Mehr als irgend ein Anderer sorgte er dafür, daß die denkwürdigen Momente gewaltiger Schlachten und die Bildnisse ruhmreicher Feldherren dem Volke vor Augen geführt wurden, und mehr als irgend ein Anderer war er auch dazu berufen, mit markigen Strichen die ernsten Züge des Krieges festzubannen und wahrheitsgetreu das Getümmel der Schlachten wiederzugeben. Der Heimgegangene war ohne Zweifel einer der hervorragendsten Schlachtenmaler der Gegenwart, und wir dürfen es mit Stolz hinzufügen, der vornehmste Mitarbeiter der „Gartenlaube“ auf diesem Gebiete, dessen Portrait wir bereits im Jahrg. 1871 (S. 857) gebracht haben. Während des deutsch-französischen Krieges schmückte er unser Blatt mit den kraftvollen Reitergestalten des „königlichen Siegers von Rezonville“, „Unseres Fritzen“, des Prinzen Friedrich Karl und des General Steinmetz und in der Zeit des Jubels über die gewonnene Einheit bot er in den „drei Paladinen des Kaisers“ (Bismarck, Moltke und Roon) eine der schönsten Scenen aus dem Einzug der siegreichen Truppen in der Kaiserstadt Berlin.

Als wahre Musterbilder, wie sie in der illustrirten Presse nur in den seltensten Fällen zu schauen sind, erscheinen ferner die Reiterportraits der Heerführer aus dem russisch-türkischen Kriege, welche die „Gartenlaube“ aus der Meisterhand Camphausen’s in den Jahrgängen 1877 und 1878 gebracht hat. Man muß staunen über die meisterhafte Wiedergabe der einzelnen Charakterzüge in der Haltung und in dem Antlitz der Krieger, und wer Lust und Freude findet an den schöngeschwungenen Linien edler Rosse, der wird kaum sein Auge abwenden können von jenen prachtvollen Thieren, die bald kampfbereit zum Angriff losstürmen, bald dem Donner der Geschütze lauschend den Gang der Schlacht zu verfolgen scheinen.

Die Hauptwerke Camphausen’s müssen wir freilich wo anders suchen: in den Museen und Bildergallerien Deutschlands leuchten sie als glänzende Denkmäler großer Zeiten, und viele von ihnen schauen herab von den Wänden des kaiserlichen Schlosses, dem greisen Heldenkaiser denkwürdige Augenblicke seines Lebens und große Thaten seiner Vorfahren ins Gedächtniß zurückrufend.

Im kunstberühmten Düsseldorf stand die Wiege unseres Meisters – er wurde am 8. Februar 1818 geboren – Düsseldvrf war die Stätte seines Wirkens als Professor an der dortigen Akademie, und dort ereilte ihn auch am 18. Juni der Tod. Der Schlachtenmaler war auch Humorist und Dichter. Für seinen lieben „Malkasten“ lieferte er Gedichte und Festspiele, schrieb sogar im mittelalterlichen Stil eine Chronik desselben. In seinem Umgang war er leutselig, zeichnete sich aber stets durch strenge Gewissenhaftigkeit aus. So wird sein Andenken fortleben als das eines großen Künstlers und eines edlen Mannes! – i. 


Antigone. (Mit Illustration S. 457.) In der griechischen Tragödie gingen die Helden nicht an ihrer eigenen Schuld zu Grunde, sondern unterlagen dem unabwendbaren Schicksale, das sie zu verhängnißvollen Thaten trieb und Leiden auf Leiden auf ihr Haupt häufte. Das Los des Thebanerkönigs Oedipus und seines Geschlechts bildet wohl das ergreifendste Beispiel für dieses fruchtlose Ringen des Menschen mit höheren Gewalten. Es ist düster und schauerlich, aber nicht grausam, denn es wird verklärt durch Thaten, die einem reinen Herzen entsprangen, es wird gemildert durch die aufopferungsvolle Kindes- und Schwesterliebe der edlen Antigone.

Sie war es, die ihren unglücklichen Vater Oedipus, nachdem er erkannt hatte, daß er ohne sein Wissen seinen Vater ermordet und seine Mutter geheirathet, auf dessen Irrfahrten begleitete, ihm Trost zusprechend. Sie führte den Blinden, der sich in Verzweiflung seines Augenlichts selbst beraubte, in den Hain der Erinnyen bei Kolonos und harrte bei ihm aus, bis ihn dort die Götter von seinen Leiden erlösten.

Nun ging die Verwaiste heim nach Theben, wo nach des Vaters Tode ihre Brüder, Eteokles und Polynikes, gemeinsam regierten. Freudige Hoffnungen winkten der Unglücklichen, denn hier fand sie die Liebe Haimon’s, der ein Sohn ihres Oheims Kreon war. Aber ein Bruderzwist brachte ihr neue Leiden.

Polynikes, von Eteokles vertrieben, verband sich mit sechs andern Fürsten zum Krieg gegen seinen Bruder (der berühmte „Zug der Sieben gegen Theben“). Beide Brüder fielen im Zweikampfe, und Kreon, der dann König in Theben wurde, gebot, daß die Leiche des Polynikes unbestattet bleiben und den Vögeln und wilden Thieren preisgegeben werden solle. Da nun die Bestattung der Todten bei den Griechen eine der heiligsten Pflichten war und nach der religiösen Anschauung des Volkes die Seele des Verstorbenen, so lange der Leib nicht bestattet war, keine Ruhe im Reiche der Todten fand, beschloß Antigone, getrieben von edler Liebe für den so grausam behandelten todten Bruder, dessen Leichnam zu bestatten. Sie bedeckte ihn mit Erde, ward aber dabei ergriffen und auf des Königs Befehl in einer Felsschlucht lebendig eingemauert. Kreon’s Sohn Haimon, ihr Geliebter, gab sich vor ihrer Gruft den Tod, sodaß auch Kreon’s Haus verwaiste. Die griechischen Dichter haben dieses Musterbild erhabener Weiblichkeit oft verherrlicht; erhalten sind uns des Sophokles Trauerspiele: „Oedipus auf Kolonos“ und „Antigone“. Unser Bild stellt die an dem Leichnam ihres Bruders wehklagende Antigone dar. Die Sagengeschichte spinnt den Faden der Schicksale des thebanischen Königsgeschlechtes weiter fort. Auch Kreon’s Burg sollte fallen und sein Geschlecht zu Grunde gehen, als später in den Söhnen der vor Theben gefallenen Fürsten siegreiche Rächer erstanden waren.


Auf der Landpartie. (Mit Illustration S. 465.) Die besten Einfälle haben stets die Mütter heirathsfähiger Töchter. Sie haben eine beneidenswerthe Phantasie, wenn es gilt, zwei Leutchen einander zu nähern oder Hindernisse, welche sich zwischen den Beiden aufthürmen, zu überwinden. Wir wetten Hundert gegen Eins, daß eine Dame von der Gruppe, welche im Hintergrunde unseres Bildes lagert, Fräulein Helenens Mutter ist, und zwar fällt unser Verdacht auf jene Dame, die sich eben dem Pärchen im Vordergrunde zuwendet. Was sie da aber gewahrt, kann ihr nur das Herz lachen machen und muß ihr beweisen, daß sie richtig „kalkulirt“ hat: wenn zwei Liebende sich um Alles in der Welt nicht aussprechen wollen, dann giebt es kein besseres Mittel, ihnen die Lippen zu öffnen, als eine – Landpartie. Diese reizend verschlungenen, verschwiegenen Waldwege machen selbst das zaghafteste Herz muthig, und der frische Hauch der Natur, der freudige Glanz der Sonne erwärmen selbst das sprödeste Jungfräulein und lassen sie Blicke mit Blicken und Seufzer mit Seufzern erwidern. Und was jetzt gerade die Lippen des jungen Mannes flüstern, das beweist uns aufs Beste – Fräulein Helenens Sonnenschirm. Wenn ein hübsches Mädchen auf offener Haide, unter dem glühenden Strahl der Sonne, ihren Schirm nicht schützend über das Gesicht hält, sondern ihn lässig in den Schoß sinken läßt, dann giebt es nur eine Erklärung für ein solches Wunder – sie lauscht den Geständnissen des Geliebten. Darüber vergißt man selbst die Sommersprossen. Mama hat also ein Recht, triumphirend zu lächeln, wenn sie auch nicht hört, was sich die Beiden erzählen. Ihr Scharfblick täuscht sie nicht – das Ende der Landpartie wird eine Verlobung sein. E. P. 


Robert Franz, einer der hervorragendsten Liedersänger der Gegenwart, hat am 28. Juni in seiner Vaterstadt Halle a. d. S. seinen siebzigsten Geburtstag gefeiert. Die Kunstkritik hat dem Komponisten längst den Ehrenplatz neben Schubert, Schumann und Mendelssohn angewiesen, und manche Auszeichnung wurde ihm im Laufe der Zeit zu Theil. So ist er Ehrendoktor der Universität Halle und Ehrenbürger seiner Vaterstadt. Euuge seiner Kompositionen, wie die „Schilflieder“, „Auf der Heide“, „Er ist gekommen“ etc., erfreuen sich einer großen Popularität, aber im Großen und Ganzen ist die Franz’sche Lyrik lange nicht so tief ins Volk gedrungen, wie es zu wünschen wäre, da sie in kunstvollendeter Form nur der Verherrlichung des Edlen und Wahren dient. Der schönen Charakteristik des Komponisten, die La Mara im Jahrgange 1873, S. 238 unsern Lesern geboten, haben wir heute nichts mehr hinzuzufügen. Wünschen wir nur, daß die Sorgen, die ihn früher so oft umschwebt haben, seinen Lebensabend nicht trüben mögen!


Auflösung des Keilschrift Räthsels in Nr. 27: Setzt man an die Stelle der bei den Zeichen stehenden Zahlen die betreffenden Buchstaben, wie dieselben der Numerirung des Alphabets von A–Z entsprechen, und fügt die so gefundenen Buchstaben in jene Reihenfolge an einander, wie sie durch die Anzahl der Theile (Keile) angezeigt wird, aus welchen jedes Zeichen besteht, so erhält man die Worte: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“


Inhalt: Trudchens Heirath. Von W, Heimburg (Fortsetzung). S. 453. – „Ich gratulire!“ Illustration. S. 453. – Antigone. Gedicht von Hermann Lingg. S. 456. Mit Illustration S. 457. – Plaudereien über Romandichtung. Von Rudolf von Gottschall. 2. Die Lebenswirklichkeit im Roman. S. 458. – Spanische Cholera-Impfung. Von Valerius. S. 460. – Zwei deutsche Feldherren. Von Fr. Hfm. Mit Portraits S. 461. – Unruhige Gäste. Ein Roman aus der Gesellschaft. Von Wilhelm Raabe (Fortsetzung). S. 462. – Luftschiffer aus alter Zeit. Von Reinhold Pfeil. Mit Abbildungen S. 467. – Blätter und Blüthen: Wilhelm von Camphausen †. S. 468. – Antigone. S. 468. Mit Illustration S. 457. – Auf der Landpartie. S. 468. Mit Illustration S. 465. – Robert Franz. – Auflösung des Kellschrift-Räthsels in Nr. 27. S. 468.



In unserem Verlage sind erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben:

 Fanfaro. 
Novelle
von
Stefanie Keyser.



Elegant broschirt Preis Mk. 3. –.

Elegant gebunden Preis Mk. 4. –.
Der Krieg um die Haube. – Glockenstimmen.
Zwei kulturgeschichtliche Novellen
von
Stefanie Keyser.



Elegant broschirt Preis Mk. 4. 50.

Elegant gebunden Preis Mk. 5. 50.

Stefanie Keyser hat sich durch ihre in der „Gartenlaube“ erschienenen Novellen: „Der Krieg um die Haube“. – „Glockenstimmen“, welchen sich im vorigen Jahre „Fanfaro“ anschloß, rasch die Gunst der deutschen Lesewelt errungen. Wir sind deßhalb überzeugt, daß wir mit den obigen, elegant ausgestatteten und besonders auch zu Geschenken geeigneten Buchausgaben den Wünschen Vieler entgegenkommen.

Leipzig, im Juli 1885. Ernst Keil’s Nachfolger. 


Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redacteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 468. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_468.jpg&oldid=- (Version vom 27.3.2024)