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verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

verknallt man wohl, ohne viel Schaden zu thun, aus alten Schiffskanonen und rostigen Musketen viel mittelmäßiges Pulver.

Ja, selbst Mitrailleusen, und zwar die früher in der bayerischen Armee gebräuchlichen, sind durch unternehnmende Kaufleute eingeführt worden und haben unter den Königen Käufer gefunden, jedoch deren Macht und Ansehen nicht zu kräftigen vermocht.

Wochenlang dauert zuweilen die Fehde, bis der besiegte Theil, der vielleicht kaum ein halbes Dutzend Todte zu beklagen hat, sich zur Zahlung einer Kriegsentschädignng bereit erklärt. Die Zahlung wird geleistet in einem großen gelblichen Steine, bei schweren Fällen wohl auch in mehreren, die man stets als Paradestücke vor den Häusern der Häuptlinge stehen sieht. Die kleinsten Stücke dieses Steingeldes sind von der Größe eines Tellers und von Armsdicke, ihr Werth stellt schon ein kleines Vermögen dar, von dem wohl eine ganze Familie der Eingeborenen längere Zeit leben kann, während die größten, unseren Mühlsteinen vergleichbar, denn sie sind auch in der Mitte durchbohrt, einen kaum schätzbaren Werth für diese Insulaner haben. Muß man doch dies Geld aus dem 200 Meilen weiten Palau holen, wo es nach erlangter Erlaubniß des dortigen Königs aus dem Fels gehauen wird, um auf gebrechlichem Kanoe zur Heimath geführt zu werden, sobald nach Ablauf mehrerer Monate der Wechsel des Monsuns den Antritt der Rückreise gestattet. Wie mancher mühsam erarbeitete Stein verschwand aber schon mit dem Kanoe in der Tiefe! Der zunehmende Verkehr mit den Europäern und das Annehmen ihrer Sitten wird dieses Geld freilich bald verdrängen, ist es doch den amerikanischen Missionären auf Kuschaie schon gelungen, die hübschen, aber knappen Grasröckchen der dortigen Bewohner durch europäische Kleidungsstücke zu ersetzen. Die Einwohner von Kuschaie werden civilisirt; ihre bunten Tänze hören auf, dafür lernen sie viel Oberflächliches in Kirche und Schule. Stolz konnte ein fleißiger brauner Schulbesucher als Resultat seiner Studien uns versichern, daß er Merika, Jesus Christ, Million, alles wüßte! Für solche Unterweisung und Sorge für ihre Seelen läßt man die gutmüthigen Insulaner hohe Abgaben zahlen, Kalender und Traktätchen kaufen und treibt mit den Ergebnissen der Kirchensteuern einen einträglichen Handel.

Freilich wird es solchen Verbreitern des Christenthums wohl nicht mehr allzu lange vergönnt sein, ihr einträgliches Geschäft zu betreiben, denn auch diese Rasse schmilzt dahin, wie der Schnee vor der Frühlingssonne. Welche auch immer die Ursachen sein mögen, die Thatsache steht fest, daß die Bevölkerung der Inselgruppe stetig abnimmt. Man schätzt sie jetzt auf nur 22 000 Seelen. So besitzt das schöne Kuschaie, das noch zur Zeit der Blüthe des Walfischfanges in den 50er und 60er Jahren von zahlreichen Schiffen angelaufen wurde und heute vollständig christianisirt ist, kaum mehr als ein paar hundert Bewohner, während das viel größere Ponape noch etwas über 2000 besitzen mag. Auch hier haben, wie allenthalben in der Südsee, durch Weiße eingeführte Epidemien (Blattern, Masern) große Verheerungen angerichtet. Und es ist schade um dies körperlich wohlgestaltete und heitere Völkchen, das immer, wo es nicht durch Eingriffe in seine Rechte aufgereizt wurde, sich als sanft und freundlich und zutraulich gegen die Europäer bewiesen hat. Die Karolinier zählen mit zu den schönsten Stämmen des westlichen Stillen Oceans, unterscheiden sich aber als Rasse in keiner Weise von ihren östlichen Nachbarn, den Bewohnern der Marschalls- und Gilberts-Inseln. Dagegen sollen die Eingebornen Palaus sich durch dunklere Hautfärbung mehr der melanesischen Rasse nähern.

Die Karolinier sind von nicht geringer geistiger Begabung, aber sie standen ehemals unzweifelhaft auf einer höheren Stufe der Gesittung, von welcher sie im Laufe der Zeit herabgesunken sind. Schwer entschließt man sich zu dem Glauben, daß die mächtigen Steinbauten von Kuschaie, Ponape und Palau Werke eines Volkes sein können, das fortdauernd angestrengter Thätigkeit so abhold ist, wie diese Insulaner. In Kuschaie schützen hohe Mauern die Ufer gegen den Anprall der Wellen, in Ponape sehen wir großartige Ruinen, cyklopische Bauten aus mächtigen Basaltsäulen, und in Palau muß man staunen über die hohen Wälle, Straßen und Steintreppen, die langen und breiten Steindämme, mit denen man künstliche Häfen bildete. Wie man die ungeheuren Basaltblöcke von ihrem Fundorte zu dem oft weit entfernten Bauplatze quer durch den Urwald fortschaffte, bleibt ein Räthsel. Jetzt bedecken Moos und prächtige Blattpflanzen die dunklen Riesenmauern, die nach allen Richtungen laufen. Meist umschließen sie unregelmäßige Vierecke, zu welchen große, mit Geröll halb verschüttete Oeffnungnen führen. Der innere Raum ist mit gewaltigen Bäumen bestanden und der Boden häufig mit flachen Steinen gepflastert. Ohne Zweifel wurden diese Riesenbauten zu Vertheidigungszwecken angelegt, aber wir sind da nur auf Vermuthungen angewiesen, denn bei der jetzigen Generation ist alle Erinnerung an den Bau dieser Werke verschwunden, nicht einmal eine vage Tradition kann uns über ihren Zweck belehren. Doch haben die Ausgrabungen, welche der Reisende Kubary in den sogenannten Königsgräbern von Nautauatsch auf Ponape anstellte, den unzweifelhaften Nachweis geliefert, daß die Erbauer dieser Riesenbauten mit den Resten der heutigen Bevölkerung identisch waren.

Aber noch immer entwickeln die Karolinier eine bemerkenswerthe Geschicklichkeit, verbunden mit Nettigkeit und Geschmack im Bau ihrer Häuser und Boote, in der Anfertigung von allerlei Geräth und Zeugen. Charakteristisch für diese Insulaner ist die Kenntniß einer primitiven Webekunst, welche ohne eigentlichen Webestuhl doch sehr hübsche Stoffe aus der haltbaren, fast seidenähnlichen Faser der Banane liefert. Darunter die buntgemusterten Toll oder Gürtel von Kuschaie und Ponape und die breiteren Stoffe von Ruk und den Mortloks, welche leider mehr und mehr durch europäische Fabrikate verdrängt werden. Denn schon hat sich ein reger Tauschverkehr mit europäischen Schiffen entwickelt. Die Insulauer liefern Kopra und Trepang in nicht erheblicher Menge gegen Zeuge, Beile etc. Die deutsche Handels- und Plantagengesellschaft der Südsee hat auf neun Inseln Faktoreien errichtet, darunter auch auf jenem Yap, und die Firma Hernsheim besitzt auf der großen Insel Ponape zwei Faktoreien auf eigenem Grund und Boden und eine Faktorei auf den nahen Ants-Inseln. Auch Engländer treiben Handel mit dieser Gruppe.

Vergeblich aber forschen wir nach einer Thätigkeit Spaniens. Seitdem im Anfange des 18. Jahrhunderts spanische Jesuiten den Versuch, hier das Christenthum zu pfanzen, endgültig aufgaben, hat Spanien hier weder seine Flagge entfaltet, noch haben seine Angehörigen irgend ein Interesse an dieser Gruppe bekundet. Die Missionsthätigkeit wird seit mehr als 25 Jahren durch die amerikanische Missions-Gesellschaft von Honolulu aus mittelst hawaiischer Lehrer betrieben, hat aber im Ganzen keine großen Erfolge gehabt. Diese Missionsgesellschaft besitzt ein eigenes Schiff, den „Morgenstern“, der alljährlich die verschiedenen Inseln der Karolinen besucht. Der Handel ist, wie bereits erwähnt, wie aber noch besonders hervorzuheben ist, fast ausschließlich und schon seit vielen Jahren in Händen von Deutschen. Jetzt aber, da der Boden vorbereitet ist und die unter Mühen gestreute Saat ihre Ernte bringt, möchte Spanien die Frucht fremden Fleißes einheimsen. Möge es unserer Regierung gelingen, das, was Deutsche erworben, denselben auch zu erhalten! Für die Eingeborenen jener Inseln wäre eine Vertauschung deutscher mit spanischer Herrschaft ein wahres Unglück, das zeigen uns die ehemals blühenden, jetzt ins tiefste Elend versunkenen benachbarten Marianen.


Orientalische Sprüche.

Wohl kennt man ein Mittel, das überaus bewegliche Quecksilber zu binden, aber kein Mittel, ein Weiberherz zu fesseln. Indisch. 


  Wenn auch Dein Mund nie das Geheimniß bricht,
  Zweihundert Schleier hüllen Liebe nicht.  Persisch. 

Liebe und Haß sind Schleier vor den Augen: der eine läßt nur das Gute sehen, der andere nur das Schlimme. Arabisch. 


Wo Männer beisammen sind, hören sie einander, wo Frauen und Mädchen, sehen sie einander an. Chinesisch. 


  Jedwedes Ding mit Deinem Weib besprich,
  Und ist sie klein, so bücke Dich.  Hebräisch. 

Der Bauch des Armen ist der Trog Gottes, und wer ihn füllt, ist Gottes Freund. Persisch. 

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 643. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_643.jpg&oldid=- (Version vom 4.4.2024)