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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

No. 41.   1885.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Unterm Birnbaum.

von Th. Fontane.
(Schluß.)


17.

Hradscheck, sonst mäßig, hatte mit den Andern um die Wette getrunken, bloß um eine ruhige Nacht zu haben. Das war ihm auch geglückt, und er schlief nicht nur fest, sondern auch weit über seine gewöhnliche Stunde hinaus. Erst um acht Uhr war er auf. Male brachte den Kaffee, die Sonne schien ins Zimmer, und die Sperlinge, die das aus den Häckselsäcken gefallene Futterkorn aufpickten, flogen, als sie damit fertig waren, aufs Fensterbrett und meldeten sich. Ihre Zwitschertöne hatten etwas Heitres und Zutrauliches, das dem Hausherrn, der ihnen reichlich Semmelkrume zuwarf, unendlich wohl that, ja, fast war’s ihm, als ob er ihren Morgengruß verstände: „Schöner Tag heute, Herr Hradscheck; frische Luft; alles leicht nehmen!“

Er beendete sein Frühstück und ging in den Garten. Zwischen den Buchsbaum-Rabatten stand viel Rittersporn, halb noch in Blüthe, halb schon in Samenkapseln, und er brach eine der Kapseln ab und streute die schwarzen Körnchen in seine Handfläche. Dabei fiel ihm, wie von ungefähr, ein, was ihm Mutter Jeschke vor Jahr und Tag einmal über Farrnkrautsamen und Sich-unsichtbar-machen gesagt hatte. „Farrnkrautsamen in die Schuh gestreut …“ Aber er mocht’ es nicht ausdenken und sagte, während er sich auf eine neuerdings um den Birnbaum herum angebrachte Bank setzte: „Farrnkrautsamen! Nun fehlt bloß noch das Licht vom ungebornen Lamm. Alles Altweiberschwatz. Und wahrhaftig, ich werde noch selber ein altes Weib … Aber da kommt sie …“

Wirklich, als er so vor sich hinredete, kam die Jeschke zwischen den Spargelbeeten auf ihn zu.

„Dag, Hradscheck. Wie geiht et? Se kümmen joa goar nich mihr.“

„Ja, Mutter Jeschke, wo soll die Zeit herkommen? Man hat eben zu thun. Und der Ede wird immer dummer. Aber setzen Sie sich. Hierher. Hier ist Sonne.“

„Nei, loatens man, Hradscheck, loatens man. Ick sitt schon so veel. Awers Se möten sitten bliewen.“ Und dabei malte sie mit ihrem Stock allerlei Figuren in den Sand.

Hradscheck sah ihr zu, ohne seinerseits das Wort zu nehmen, und so fuhr sie nach einer Pause fort: „Joa, veel to dohn is woll. Wihr joa gistern wedder Klock een. Kunicke kunn woll wedder nich los koamen? Den kenn’ ick. Na, sien Vader, de oll Kunicke, wihr ook so. Man blot noch en beten mihr.“

„Ja,“ lachte Hradscheck, „spät war es. Und denken Sie sich, Mutter Jeschke, Klock zwölf oder so herum sind wir noch fünf Mann

Wer kriegt’s?{{}} Nach dem Oelgemälde von Hermann Bever.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 665. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_665.jpg&oldid=- (Version vom 29.3.2024)