Seite:Die Gartenlaube (1885) 722.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

„Amen!“ so wollte er sein „neues Betsprüchel“ schließen; Enzi’s flink erhobene Hand aber kam diesem Amen zuvor – klatschend fiel sie auf Dori’s Ohr und Wange.

„Sakra noch amal!“ stöhnte der Bursche unter dem Gelächter all der Anderen auf und verzog den Mund, als wollte er sich überzeugen, ob ihm auch der Kiefer noch richtig im Gelenke säße.

„Hat’s aus’geben? Nachher is recht!“ äußerte sich Emmerenz mit befriedigter Miene; dann faltete sie die Hände und sprach, die Augen frommen Blickes zum Kreuze erhebend, mit ruhiger Stimme das übliche Tischgebet.

Verdrießlichen Gesichtes starrte Dori vor sich nieder, bis ihn die Stimme der Emmerenz aus dem stummen Brüten weckte. „Du Lalle – Du unchristlicher!“ brummte ihn die Dirne an, als sie nach einem ungestörten Amen an ihm vorüber der Thür zuschritt.

„No ja –“ grollte Dori, „deßwegen muß man auch net gleich dreinschlagen wie der Metzger auf sein Hackstock.“

„Thu’ Dich trösten, Dori,“ bemerkte eine von den Mägden, „d’ Emmerenz hat ’s halt heut’ schon amal so in die Finger – gelt, Valtl?“

Der Knecht hatte alle Ursache, diese Frage zu überhören. Um die Aufmerksamkeit von sich abzulenken, wandte er sich mit stichelnden Worten gegen Dori; der aber wußte die Spottreden des Knechtes zumeist in einer Weise zu erwidern, durch die er die Lacher auf seine Seite brachte, und als ihm schließlich der Witz ausging, wehrte er sich mit gesunder Grobheit seiner Haut.

„Da schau!“ spottete Valtl nun, „wenn den Lackl so grob daherreden hörst, da möcht’ sich ja keiner net denken, wie sanft und scharmierlich als er an andermal daherreden kann!“

„Jetzt auf die Stund’ müßt’ ich mich dengerst b’sinnen, wo ich Dir a sanfte Red’ hätt’ geben mögen!“

„Ja – aber gelt – bei der Veverl – da taugt’s Dir halt besser, die zuckerne Süßen!“

„Du, merk’ Dir’s fein,“ fuhr Dori mit bebender Stimme auf, während brennende Röthe in seine Wangen schoß, „zu mir kannst reden, wie D’ willst – und mich kannst heißen, was Dir lieb is – aber – aber d’ Veverl bringst mir net in d’ Red’!“

„Natürlich – von Dir werd’ ich mir vorschreiben lassen, was ich reden soll – Du damischer Gispel, Du verliebter!“

„Valtl – ich sag Dir’s –“

„No also, so sag’ mir’s halt, wo der Veigerlbuschen hin’kommen is, den im Kammerwinkel aus der Joppen ’zogen hast? Ich mein’ allweil, ich hab’ ihn an der Veverl ihrem Mieder g’sehen.“ ’ „Net wahr is! Net wahr is! Net wahr is!“ schrie Dori, die zitternden Fäuste ballend. „D’ Veverl nähmet schon gar keine Bleamerln von mir!“

„Glauben möcht’ man’s schier, daß ihr ’s Grausen kommt, wenn s’ Dich anschaut, Du Mißgeburt!“ fiel Valtl mit rohem Lachen ein; und zu den Andern sich wendend, sagte er: „G’nommen hat s’ den Buschen aber doch. Ich hab’ ja zug’schaut aus’m Stallfenster. Und ang’schmaacht[1] hat er ’s Deandl dabei, so zuckersüß – das is g’rad g’wesen, wie wenn der Mistgockel mit der Schwalben schnabelt.“

Eine fahle Blässe hatte bei diesen Worten alle Farbe aus Dori’s Gesicht vertrieben. Mit vorgerecktem Kopfe und stieren Augen, schnaubend und die langen Arme wie Pendel schwingend, näherte er sich dem Knechte, dann plötzlich schnellte er sich unter einem gurgelnden Aufschrei mit katzenartigem Sprunge wider Valtl’s Brust, der durch die Wucht dieses Anpralls zu Boden gerissen wurde, von Dori’s Händen am Halse gewürgt und gedrosselt.

Da verging den Andern das Lachen. Kreischend und scheltend sprangen sie herbei, um die Beiden zu trennen. Emmerenz erschien unter der Thür, und mit dem Rufe. „Ja, heiliger Gott, was macht’s denn jetzt da für Sachen!“ drängte sie sich mitten in den staubenden Knäuel, packte Dori mit beiden Händen beim Kragen und riß ihn in die Höhe. Fluchend richtete sich Valtl von den Dielen auf – und schon hob er die Arme, um nun seinerseits über Dori herzufallen, als die Thür sich öffnete.

Jörg stand auf der Schwelle.

„Jesses, der Bauer! der Bauer!“ ging es flüsternd durch die erregte kleine Schar, und Jeder und Jede bemühte sich, eine möglichst harmlose Miene zu zeigen.

Doch immer noch hätte ein einziger Blick genügt, um Jörg errathen zu lassen, was hier vor sich gegangen.

Er aber stand auf der Schwelle, regungslos, mit gesenkten Augen – und es währte eine Weile, ehe er die Hand hob, um den Hut vom Haupte zu nehmen. Ein tiefer Seufzer schwellte seine Brust, und seine Lippen begannen zu zittern, als wären ihm die Thränen nahe.

Emmerenz näherte sich ihm mit zögernden Schritten – und als sie nun das blasse Gesicht und die verstörten Züge sah, fuhr sie erschrocken auf. „Um Gotteswillen – Bauer – wie schaust denn aus? Was hast denn? Was is denn g’schehen?“

Jörg mußte sich auf das Gesims des Wandschrankes stützen, als er tiefer in die Stube treten wollte. Mehrmals öffnete er die Lippen, ohne daß er zu sprechen vermochte, und als er endlich die Sprache fand, lösten sich die Worte rauh und schwer von seiner Zunge.

„Leut’ – ’s Unglück – is ein’kehrt in mei’m Haus – mein’ – mein’ Schwester – d’ Hanni is verstorben –“

„Jesus Maria!“ fuhr es von jedem Munde. Nur Valtl’s Lippen waren stumm geblieben. Die alte Waben hob die Schürze vor die Augen und flüsterte: „Da – da – jetzt kommt’s auf, wem ’s Zügenglöckl ’golten hat.“

„Ja is denn zum glauben?“ frug Emmerenz, tief erschüttert. „Kann denn so ’was g’schehen, so g’radweg über Nacht? Heut’ am Abend noch – ganz g’freut schon hab’ ich mich auf das liebe, süße G’sichterl – und jetzt – ja, sag’ nur g’rad, Bauer, an was is s’ denn g’storben?“

„Sie – sie is – verunglückt – im Wasser.“

(Fortsetzung folgt.)

  1. anschmachten.

Frauen als Armenpflegerinnen.

Von A. Lammers.

Weibliche Wohlthätigkeit ist in unseren Tagen die Zielscheibe zahlreicher Witze, und ein Schauspieldichter, der sich gern auf Zeitstoffe wirft, L’Arronge, hat aus den „wohlthätigen Frauen“ ein ganzes Lustspiel gemacht. Soweit dies auf scheue und zartfühlende Weiblichkeit abschreckend wirkt, ist es sicher schade; denn die mannigfaltigen Aufgaben der Armenpflege leiden immer noch unter einem gewissen Mangel sich ihnen widmender freiwilliger Kräfte, geeignete Frauen sind dafür leichter zu haben als Männer, denen schon so viel aufgepackt ist, und für manche Pflege-Aufgaben eignet sich unzweifelhaft obendrein die Frau besser als der Mann. Nur in so fern der Spott auch berichtigend zu wirken vermag, ist er nützlich, und viel von dem üblichen Wohlthun der Frauen kann solche Berichtigung noch vertragen. Aber wer verbessern will, muß selber Einsicht haben, die sich auf Erfahrung und Nachdenken stützt. Daran fehlt es Manchem, der mit dem Ueberlegenheitsbewußtsein des Mannes in allen Stücken, die das öffentliche Leben betreffen, auf „das schwächere Geschlecht“ hinabsehen zu dürfen meint. Spötter dieser leichten Art pflegen keine Ahnung von den Fortschritten zu haben, welche die Frauen bereits in der Reinigung ihres Wohlthuns von den so oft getadelten Auswüchsen und in der Eroberung eines würdigen Antheils an der öffentlichen Armenpflege gemacht haben. Ihnen muß man dies also als Schild für das „zarte, leicht verletzliche Geschlecht“, wie die Prinzessin Leonore im „Tasso“ sagt, entgegenhalten – zugleich aber und hauptsächlich jenen vielen, unendlich vielen Frauen es zeigen, die im Herzen brennen, unglücklichen Menschen in ihrer Nähe eine rettende, helfende, tröstende Hand zu reichen, und nur nicht recht wissen, wie das wahrhaft wirksam anzufangen sei. Ja, dies ist um so nöthiger, als auch die Lieblingsrathgeber der Frauen, die Geistlichen, bei Weitem nicht alle gehörig Bescheid wissen in der Lehre und Kunst der Armenpflege, von der sie auf ihrem Bildungsgange ja leider nicht einmal die Grundbegriffe erfahren.

Eine Frau ist, bis sie durch Leitung oder eigene, allmählich ansteigende und umsichgreifende Erkenntniß den rechten Weg des

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 722. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_722.jpg&oldid=- (Version vom 30.3.2024)