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verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Blätter und Blüthen.

Berliner und Wiener Küche. Als Erwiderung auf die gleichnamige in Nr. 40 der „Gartenlaube“ veröffentlichte Plauderei ist uns von einer Berliner Hausfrau ein Schreiben zugegangen, welches wir unseren geehrten schönen Leserinnen nicht vorenthalten möchten. Es lautet:

Berlin, im Oktober 1885. 
Geehrter Herr Redacteur!

Es geht wirklich nicht, ich würde mir die schwersten Indigestionen zuziehen, wollte ich’s verschlucken und verschweigen, daß ich Ihren Herrn Paul von Schönthan mit seiner Berliner und Wiener Küche ganz gründlich im Magen habe.

Wir armen norddeutschen Hausfrauen können doch nichts dafür, daß er ein so erschrecklicher Süßschnabel ist, dem jede kräftige Kost ein Heimweh nach den Mehltöpfen Wiens bereitet.

Hoffentlich verdirbt er sich aber an seinen Nockerln, Krapfen, Strudeln, Schmarrn und wie die zungenbrecherischen Namen all der süßen Mehlkleister sonst heißen mögen, noch so stark den Magen, daß er alle Jahre nach Karls- oder Marienbad gehen muß – zu seinen vielgeliebten böhmischen Köchinnen „mit den alchemistischen Kenntnissen“.

Unsere braven Berliner und norddeutschen Köchinnen scheeren sich allerdings nicht um Alchemie, und ihre Küche ist weder ein „Laboratorium“, noch ein „Atelier“, aber gut kochen können sie, und wir norddeutschen Hausfrauen wissen in unsern Küchen auch Bescheid, wenngleich Herr von Schönthan nichts davon meldet.

Armer Herr von Schönthan, wie hat ihm die „Dürftigkeit der Berliner Restaurations-Speiskarte“ schlechtgethan, nud doch muß den Wienern in Berlin das Essen in den echten Berliner Restaurants offenbar besser zugesagt haben, als in dem importirten Wiener, denn der Inhaber des letzteren ließ ja sehr bald, wie Herr von Schönthan selber erzählt, seine Landsleute in „Niedergeschlagenheit und Verwirrung“ zurück, um die Segnungen des „Schönbrunner Reis“ und der „Oedenburger Nudel“ nach Paris zu tragen. Ob er es dort wohl länger ausgehalten hat?

Kennt Herr von Schönthan wohl so’n reguläres Berliner Eisbein mit Sauerkraut, bei dem es Einem trotz des kalten Namens warm um – die Magengrube wird?

Kennt er wohl so einen zarten Hamburger Riesenkalbsrücken mit jener leckeren, herrlichen Sahnesauce, die nur in norddeutschen Küchen zu gerathen scheint? Kennt er die goldgelb gebratenen saftigen Vierländer Hühner? Oder kennt er so eine in Eigelb und geriebener Semmel gewälzte und in ostfriesischer Butter gebratene goldige frische Flunder, so einen feisten norddeutschen Flußhecht mit Meerrettigsauce, eine geräucherte ostpreußische Maräne?

Sind ihm schon jemals die allerdings nur in unserem verrufenen märkischen Sande gedeihenden aromatischen köstlichen Teltower Rübchen mit mecklenburgischer Lammsbrust auf den Tisch gekommen? Kennt er die kräftigen, würzhaften, delikaten, auch nur in dem nordöstlichen Böotien wachsenden, in Bouillon, Biersuppe oder der ganz eigenartigen sauersüßen Specksauce servirten „grauen Erbsen“, die sogar hoffähig sind und in der Kochkunst-Ausstellung neben den Dressel’schen höchsten Delikatessen prangten? Kennt er wohl die mit Sardellen und Citronen zubereiteten pikanten „sauren Klopse“, die außerhalb der nordischen Stadt der reinen Vernunft „Königsberger Klopse“ heißen? Kennt er pommersche Gänse und ihr „Weißsauer“, westfälische Schinken und den von Fritz Reuter zur Klassicität gebrachten Spickaal mit Gurkensalat? „Daß Du die Nase ins Gesicht behältst!“

Das schmeckt Alles fein! Und das sind Alles norddeutsche Küchenerzeugnisse, auf deren Vollendung die größte Sorgfalt und Mühe verwendet werden muß, denn hierfür giebt’s keine gedruckten „vorgekauten“ Vorschriften und kein mechanisches Messen und Abwägen der einzelnen Bestandtheile – hier heißt’s, seine Sache gelernt haben, nach der Praxis, nicht aus Kochbüchern mit „hundert Kapiteln über Mehlspeisen“; hier heißt’s, Geschmack und Einsicht haben, nach eigenem Ermessen im richtigen Augenblicke umsichtig, sachgemäß und schnell handeln und mit Liebe und Hingebung arbeiten. Das erst ist die wahre Kochkunst, nicht jene unheimliche Alchemisterei in Laboratorien und Ateliers.

Und diese norddeutsche Kochkunst schafft Gesundes, Reelles, Förderliches! Von ihren Leistungen wird man satt!

Vermag Ihr Herr von Schönthan wohl zu sagen, was das Wort „satt“ so recht eigentlich bedeutet; kennt er das wohlige Gefühl des Sattseins?

Nein! Denn von seinen „abgetriebenen Gugelhupfs“, Nudeln, Strudeln, Nockerln wird er nicht satt, sondern voll, wie ein Pfefferkuchenmann, dessen ganzer Leib auch nur aus Teig besteht. Wie unbehaglich ist solch ein Vollsein, wie mollig aber ist dem Satten zu Muth – ein Unterschied wie zwischen Backofenhitze und Frühlings-Sonnenschein!

Herr von Schönthan soll nur erst essen lernen! Ich erlaube mir daher, ihn zu einem richtigen echten norddeutschen Mittag in meiner bescheidenen Häuslichkeit einzuladen. Er soll auch einen Pudding bekommen, der weder schreckensbleich, noch rindenlos ist oder gar vor Scham in Anilinroth erglüht. Der Speiszettel wird mir gar kein Kopfzerbrechen verursachen, und als gute Köchin will ich ihm sogar einige feurige Kohlen bereit halten.

Auch Sie, Herr Redacteur, sind freundlichst dazu eingeladen von
Ihrer ergebensten 
Ida Bischofsburger. 


Transport von Firmkindern in den nördlichen Alpen Tirols. (Mit Illustration S. 729.) Endlich ist der Tag erschienen, an welchem der Bischof von Brixen oder Salzburg die Kirchen der Tiroler Dörfer visitirt und den von Nah und Fern herbeiströmenden Kindern das Sakrament der Firmung spendet. Längst haben die mit Kindern gesegneten Elternpaare einen „Firmgöth’“ oder eine „Firmgodel“ gefunden, welche am bestimmten Tage den kleinen Loisl, die Viktl, oder wie das Kind sonst heißen mag, in einem Rückenkorb hinab in die Dorfkirche zur Firmung tragen und dort, wie es Brauch, an ihnen Pathenstelle vertreten. Einen solchen Kindertransport zeigt unser Bild.

Voran, auf den Langstock gestützt, wandert ein rüstiger Bauer, dem wir es sofort ansehen, daß er hoch vom Berge aus einem sogenannten Einödhofe herabkommt. Ein bausbackiger Bub und ein kleiner Schreihals schauen zwischen Polstern aus seinem Rückenkorbe hervor, in dem er schon manche Bürde auf unwegsamem Steige getragen.

Neben dieser strammen Bauerngestalt schreitet ein junges Weib mit einem Wickelkind im Arme und einem niedlichen kleinen Mädchen zur Seite. Hinter diesen beiden folgen die übrigen Firmpathen, alle schwer mit Firmkindern beladen, so daß die Rückenkörbe zu eng sind und aufgebundene Brettchen den Polstern zur Stütze dienen müssen, um das Herausfallen der Kleinen zu verhindern.

Alle diese Leute kommen weit her, und es ist wahrlich keine kleine Mühe, der sie sich unterzogen haben. Aber trotzdem sieht man nirgends verdrießliche Gesichter, sondern heitere Festfreude strahlt allen aus Blick und Mienen. Ist ja doch heute heiliger Firmtag, der kommt in vier bis fünf Jahren einmal; und dann setzt bekanntlich ein wohlhabender Bauer immer einen gewissen Stolz in die Zahl seiner Firmkinder. Die größeren werden nach der Firmung ins Wirthshaus geführt, und zuletzt beim Heimgehen bekommt jedes ein blankes Guldenstücklein oder einen alten Schatzthaler, wenn ihnen der splendide Göth oder die Godel nicht gar ein „Firmg’wandel“ gekauft hat. Das merken sich die Kinder ihr Leben lang. J. C. Maurer. 


„Du Ring an meinem Finger“ (Mit Illustration Seite 721.) Den feinen glänzenden Goldreif am Finger muß wohl ein eigenartiger Zauber umgeben. Nicht bloß in den Träumen junger Mädchen spielt derselbe eine hervorragende Rolle, auch Künstler und Dichter haben oft versucht, die von ihm wachgerufenen Empfindungen in Worten, Tönen und Farben festzuhalten. Die ebenso schlichte als wirkungsvolle Zeichnung Paul Thumann’s zu dem von R. Schumann in Musik gesetzten Liede Chamisso’s ist allbekannt. Nicht minder ansprechend ist das farbenreiche Gemälde Karl Marr’s, dessen Holzschnittnachbildung unsere heutige Nummer schmückt. Das stimmungsvolle Bild athmet eine seltene Innigkeit und ist für die Begabung des noch jungen Künstlers – derselbe wurde 1858 in Milwaukee geboren und lebt gegenwärtig in München – ein außerordentliches Zeugniß. –th.     


In unserem Verlage ist erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben:
„Gartenlaube-Kalender“
für das Jahr 1886.
0 251 Seiten mit zahlreichen Illustrationen in Holzschnitt, eleg. geb. Preis Mk. 1,50.

Allen Lesern der „Gartenlaube“ als Ergänzung der letzteren empfohlen! Man bittet beim Kauf des Kalenders genau an die Verlagsfirma zu achten, da von anderer Seite her ein sogenannter „Gartenlauben-Kalender“ verbreitet wird.

manicula Ein dieser Nummer beigelegter Bestellzettel kann zur Bestellung in derselben Buchhandlung, von welcher man die „Gartenlaube“ bezieht, benützt werden. – Postabonnenten wollen sich gefl. an die nächstgelegene Buchhandlung, oder wie dies, wie z. B. im Auslande, auf Schwierigkeiten stößte, unter Beifügung des Betrags incl. Kreuzbandporto direkt an die unterzeichnete Verlagshandlung wenden.


Unseren Abonnenten

theilen wir hierdurch zugleich in Erwiderung verschiedener Anfragen mit, daß wir von einzelnen älteren Jahrgängen der „Gartenlaube“ noch eine kleine Anzahl von Exemplaren zu dem ermäßigten Preise von nur 3 Mark für den vollständigen Jahrgang abgeben können.

Es sind dies die Jahrgänge 1868, 1869, 1872, 1875, 1876, 1877, enthaltend Novellen und Romane von V. Blüthgen, P. Heyse, G. v. Meyern, E. Marlitt, H. Schmid, L. Schücking, Fr. Spielhagen u. s. w.

Bestellungen auf diese älteren Jahrgänge führen alle Buchhandlungen aus, welche den neuen Jahrgang liefern. Nur solche Besteller, welche an ihrem Wohnort oder in dessen Nähe keine Buchhandlung haben, wollen sich unter Beifügung des Betrags der Bestellung (event. in Briefmarken) direkt franko an die unterzeichnete Verlagshandlung wenden.

  Leipzig, im Oktober 1885. Ernst Keil’s Nachfolger. 



Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redacteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 732. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_732.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2023)