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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)


Und als sie eben nach einem neuen Notenheft griff, schritt er auf sie zu, legte die Hand ihr auf die Schulter und sagte, da sich das schöne Gesicht nach ihm umwandte: „Bianca, wenn ich Dich heute fragte, was ich Dich neulich gefragt habe, würdest Du auch heut’ antworten: ich weiß es nicht?“

Sie wurde feuerroth und wandte langsam den Kopf zu den Noten zurück. „Was meinst Du denn, Otto?“

„Ob Du Frau von Sperber werden möchtest.“

Sie sah ihn wieder an. Der Schalk blizte aus ihren Augen und „Meinst Du, daß … er daran denkt?“ war ihre ganze Antwort.

„Du bist darüber also noch nicht im Klaren, Bianca?“

„Er hat es noch nicht gewagt, mich zu fragen.“

„So wage Du’s!“

„Ah!“

Ehrliches Erstaunen über solche Zumuthung ließ sie den seltsamen Vetter anstarren, der, nachdem er selber vor kurzen Wochen ihr seine ganz tolle freventliche Liebe gestanden, diese heute bereits so sicher überwunden hatte, daß er sie an einen Andern verheirathen wollte. Doch fand sie sich noch nicht in seine Gedanken, und unschlüssig flüsterte sie: „Ich weiß nicht, ob es das Rechte wäre.“

„Dann laß ihn laufen!“

„Nein! nein!“ schrie sie laut und hastig und hob wie bittend beide Hände.

„Siehst Du!“ lächelte der Chorherr. Aber eines oder ’s andere mußt Du wählen. Sonst läufst Du mir Gefahr. Und ich selber laufe sie mit. Ich muß Dich versorgt wissen, oder der Teufel ficht mich wieder an. Und das willst Du doch nicht? … Nun also!“

„Aber wie fängt man’s an?“

„Soll ich dafür sorgen, Mädel? Soll Dich der Vetter Otto unter die sogenannte Haube bringen?“

Sie nickte mit lächelndem Haupt und faltete die Hände.

„Gut!“ sagte jener. „Aber machen wir die Rechnung nicht ohne den Wirth! Diese jungen Herren von heute, sie stören sich bei ihren Courschneidereien nicht gern mit ernsthaften Gedanken … Wer weiß … doch das müssen wir eben ausproben. Und ist Dein Sperber ein Windbeutel … na, Blankerl, dann mußt Du Dich eben auch trösten, wie ... wie sich ein Anderer, den ich hier nicht nennen will, in Gottes Namen getröstet hat … Amen!“

Er tüßte bei den lezten Worten ihre Fingerspitzen und ging dann hastig zur Thür hinaus, noch ehe sie in der Dämmerung beobachten konnte, was er für ein Gesicht dazu machte.

(Fortsetzung folgt.)

Terrain-Kurorte.

Eine neue Heilmethode, geschildert von Dr. med. Taube-Leipzig.

In Deutschland giebt’s wohl sehr viele Fette?“ befragte mich kürzlich ein Engländer, als er in einer Buchhandlung die verschiedenen Broschüren über Fettleibigkeit erstaunt betrachtete. Bei manchem unserer Leser wird wohl ein ähnlicher Gedanke aufgetaucht sein, ob nämlich die so überaus kultivirte Entfettungsfrage durch ein Bedürfniß unserer Zeit bedingt sei. Der Praktiker muß hierauf eine entschieden bejahende Antwort geben, die Ausbreitung eines der besten Fettbildner, des Bieres, in den verschiedensten Bevölkerungsschichten und in den entlegensten Gegenden hat unserem Zeitalter den Ruf eines fettreichen gesichert. Es klingt nun beinahe wie Ironie, daß die Stadt, welche vor Allem die Schuld an der Zunahme unseres körperlichen Umfanges trägt, München, den Mann besitzt, dessen Methode der Entfettung innerhalb der letzten Zeit das größte Interesse erregt hat. Professor Oertel in München ist der Erste, welcher, unter Benutzung der physiologischen Forschungen der Münchner Gelehrten Voit, Pettenkofer u. A. und gestützt auf eigene mühevolle Untersuchungen, die Ergebnisse der mechanischen und Ernährungsphysiologie zur Heilung gewisser krankhafter Processe benutzte. Die Fettabnahme ist nur eine Beigabe seines Verfahrens, der Grundgedanke seines Systems gipfelt in dem Schlagworte: „Stärkung des geschwächten Herzmuskels“.

Die Mehrzahl unserer Leser hat eine Vorstellung von dem Blutkreislauf. Das Herz besitzt vier Kammern, das rechte Vorherz empfängt das dunkelrothe unbrauchbare Blut aus den Körpervenen, die rechte Herzkammer pumpt es in die Lungen, von wo es nach Abgabe der Kohlensäure und Aufnahme des Sauerstoffs durch den linken Vorhof in das linke Herz fließt und jetzt hellroth durch energische Zusammenziehungen in die Arterien getrieben wird, deren kleinste Endigungen den Venenanfängen entsprechen. Normaler Weise müssen nun beim Herzen Zufluß und Abfluß in richtigem Verhältniß stehen, dies ist aber bei Schwächezuständen des Herzens, Fettherz, Herzfehlern nicht der Fall, das geschwächte Herz pumpt hier nicht die der Blutmenge entsprechende Masse aus den Venen, sondern weniger, und in Folge dessen staut sich das Blut in den kleinen Venen der Lungen und des Körpers an. Anfänglich sind diese Stauungen unschädlich, später werden sie größer, das Blut wird immer dünner und schlechter, weil es in den Lungen nicht mehr den genügenden Sauerstoff erhält, zuletzt treten bei solchen andauernden Zuständen wässerige Blutbestandtheile in die Gewebe, es bilden sich Schwellungen vor Allem an den Füßen. Die Schwäche des Herzens wird uns durch den Pulsschlag verrathen, dessen Kraft schon die geübten Finger des Arztes annähernd abzuschätzen vermögen. Wir haben jedoch Mittel, die Stärke des Pulses auch dem Auge wahrnehmbar zu machen. Ein auf die Pulsader befestigter Apparat giebt die Bewegungen derselben wieder und zeichnet sie vermittelst einer Nadel auf einer berußten Glastafel mit großer Genauigkeit ab. Wir stellen auf der nächsten Seite einige solcher „Pulskurven“ dar. Die erste dem Oertel’schen Handbuche der Kreislaufstörungen entnommene Kurve giebt das Bild des Pulses eines an Herzschwäche Leidenden, die geringen Erhebungen auf den Linien sind der Beweis für die schwache Blutwelle, die vom Herzen kommt. Fragen wir nun einen Kranken mit Neigung zu Fettherz oder mit einer Zusammenpressung der Lunge durch Wirbelsäulenverkrümmung, wo gleichfalls das Herz wegen Verkleinerung der Athmungsfläche mehr zu arbeiten hat, wie er gelebt hat, so finden wir fast stets bei einer genauen Berechnung der eingenommenen Flüssigkeitsmenge in Speisen und Getränken, daß er täglich 3- bis 4000 g zu sich genommen hat. Nehmen wir an, daß der Kranke 78 Kilo wiegt, so beträgt seine Blutmenge circa 12 Kilo, und unter diesen Umständen müssen täglich 4 Kilo Flüssigkeit mehr durch das geschwächte Herz und das gestaute Blut cirkuliren. Dieses wird endlich zur Unmöglichkeit, und Oertel beweist das einfach durch eine Vergleichung der Flüssigkeitsaufnahme und deren Ausscheidung durch die Nieren, es werden täglich über 100 g in dem Stauungsblute zurückbehalten und vergrößern so die Stauung. Diesem Uebelstande soll das erste Mittel der Oertel’schen Heilmethode abhelfen: Wasserentziehung in Speisen und Getränken“.

Normaler Weise brauchen wir täglich 2000 g Nahrung, während Dertel die Menge auf 900 bis 1000 g herabsetzt. Daran schließt sich eine entsprechende Kostordnung, welche ich nur kurz berühren will. Unsere Nahrungsmittel bestehen aus Eiweiß, Fett, Kohlenhydraten (Zucker, Mehl, Gemüse), Wasser und Salzen, und um den Körperbedarf zu decken müssen eiweißhaltige und eiweißlose Stoffe in dem Verhältniß wie 1:3–4 gemischt sein. Bei Kranken unserer Art verlangt dagegen das eiweißärmere Blut und der sehr oft vorhandene Eiweißverlust durch die Nieren eine vermehrte Eiweißnahrung, die beabsichtigte Fettabnahme aber eine geringere Beigabe von Fett und Kohlenhydraten, welche vorzüglich Fett bilden. –

Während der gesunde Mensch durchschnittlich aufnimmt: 130 g Eiweiß, 84 g Fett, 404 g Kohlenhydrate, gestattet Oertel 169 g Eiweiß, 43 g Fett, 114 g Kohlenhydrate. Nicht zu verwechseln ist dabei Eiweiß und Fleisch. 100 g mageres gebratenes Ochsenfleisch enthalten z. B. 59 g Wasser, 38,2 g Eiweiß, 1,7 g Fett.

Der vermehrte Eiweißgenuß erfordert eine vollständige Ausnutzung der Verdauungssäfte, welche die Aufsaugung des Eiweißes im Darme ermöglichen, das Trinken muß deßhalb, um letztere nicht zu sehr zu verdünnen, erst eine Stunde nach dem Essen und überhaupt nur in kleinen Quantitäten auf einmal erfolgen, weil hierdurch das Herz am wenigsten belastet wird.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 768. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_768.jpg&oldid=- (Version vom 24.2.2023)