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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

einschließen, um eine interessante Schilderung liefern zu können, und wahrscheinlich würde der starknervige Reporter auch am nächsten, entscheidenden Morgen sich eine Verwechselung, wenn eine solche möglich gewesen wäre, bis zu einem gewissen Augenblicke haben gefallen lassen, um den Lesern auch mittheilen zu können, welche Gedanken Einen auf dem Wege zum Galgen überkommen.

Eine jenseit des Oceans erscheinende Zeitung enthielt vor einiger Zeit die schauerliche Beschreibung einer nächtlichen Eisenbahnfahrt durch den Schneesturm mit amerikanischer Eilzuggeschwindigkeit. Der Erzähler stand auf der Plattform der Maschine, an der Seite eines Lokomotivführers, bei dem eben ein Anfall des Säuferwahnsinns zum Ausbruche gekommen war. Und wie kam der Erzähler zu dieser haarsträubenden Fahrt? Das Weib des wahnsinnigen Maschinisten war in ihrer rathlosen Verzweiflung auf die Redaktion geeilt, in der er journalistischen Nachtdienst verrichtete, und beschwor ihn, das drohende Unheil abzuwenden – nachdem sie die Anzeichen des Wahnsinns bei ihrem unglücklichen Manne bemerkt hatte. Er aber benutzte die Gelegenheit und suchte das Abenteuer auf.

Auch von französischen Journalisten wird Aehnliches erzählt. In Paris ist neulich im Elend ein Journalist gestorben, der wiederholt die Höhlen des Lasters, der Noth und Armuth aufgesucht hat, auch im Asyl der Obdachlosen ein paar Mal übernachtete, um diesen trübseligen Ort zu studiren. Als er wenige Wochen vor seinem Tode wieder an die Pforte klopfte – diesmal, weil er wirklich kein Nachtlager mehr besaß – wies man ihn respektvoll und höflich ab: für einen „Neugierigen“ war an diesem Abend kein Platz.

Daß Journalisten zu Verkleidungen ihre Zuflucht nehmen, ist nichts Neues. Erst vor wenigen Jahren hat ein bekannter Pariser Feuilletonist sich während der Vorbereitungen zu einer großen Bilderausstellung mit der Mütze und in dem Kittel eines Arbeiters in den Industriepalast Eintritt verschafft und beim Bildertransport Hand angelegt, nur um der Erste zu sein, der über die Ausstellung schreiben konnte. – Um einen pikanten Artikel „Die Schönheiten zu Hause“ liefern zu können, gerieth endlich ein Franzose auf den Einfall, in der Verkleidung eines Schlächtergesellen am Morgen die Runde zu machen und die schönsten Pariserinnen im Negligé zu – studiren. P. v. Schönthan.     

Der Bauernphilosoph von Goisern. Als die „Gartenlaube“ in Nr. 45 des Jahrgangs 1872 mit einem Nachruf für Ludwig Feuerbach einen Rückblick auf sein Leben verband, wurde darin zum ersten Mal ein österreichischer Landmann, Konrad Deubler, genannt, als der treue Freund Feuerbach’s und seiner Familie bezeichnet und zugleich als ein Beispiel aufgestellt, welch kerngesunde, nach höherer Wahrheit sich sehnende und ringende Menschen Oesterreich in sich berge, und welcher Opfer für die Wahrheit solche Menschen fähig seien. Deubler entstammte einer jener lutherischen Familien, welche bei der Austreibung der Salzburger Protestanten, 1732, heimlich im Lande zurückgeblieben waren. Es war offenbar angeborener Forschungs- und Wissensdrang, der schon den Jüngling erfüllte und ihm den Muth gab, nachdem er „Die Stunden der Andacht“ und „Der Mensch im Spiegel der Natur“ gelesen hatte, mit Zschokke und Roßmäßler einen Briefwechsel anzuknüpfen, und der ihn immer mehr zu Naturforschern und Philosophen hintrieb, je weiter sein Geist sich entwickelt hatte. Seine Bücher- und Briefsammlung, zu deren Beschaffung er Mittel und Muße durch harte Arbeit als Müller, dann als Bäcker, Wirth und Fremdenführer sich erwarb, war sein Glück und Stolz, wäre aber fast sein Unglück geworden. Der charakterlose Witzling Saphir sah dieselbe, schlug Lärm über den merkwürdigen Fund von solchen Schriften in einem Bauernhaus und verursachte dadurch in der schlimmsten Konkordatszeit Oesterreichs eine Verfolgung, die dem zum Verbrecher gegen Staat und Religion gestempelten Mann die Leiden vierjähriger Untersuchungs- und schwerer Zuchthaushaft zuzog. Ungebrochenen Geistes kehrte Deubler an seinen Herd zurück und erlebte die Genugthuung, daß die Gemeinde von Goisern ihn zu ihrem Bürgermeister und zum Präsidenten des Ortsschulrathes erwählte. Im Jahre 1864 erwarb er ein Alpenhaus auf dem Primesberg bei Goisern, das im Jahrgang 1875, S. 401 der „Gartenlaube“ abgebildet ist, in welchem 1867 Feuerbach sich frische Gesundheit holte, das seitdem eine Wallfahrtsstätte vieler kühn und fröhlich strebender Geister geworden ist und nun die neugesammelten Bücher-, Brief- und Kunstschätze enthält, welche Deubler’s Seelennahrung waren bis zu seinem Tod, am 31. März 1884.

Der reiche Briefschatz und die Selbstgeständnisse Deubler’s in seinem Tagebuche verdienten, der Vergessenheit entrissen zu werden. Das ist jetzt geschehen, indem sie einem Buche des Professors Dodel-Port in Zürich: „Konrad Deubler’s Lebens- und Entwickelungsgang und handschriftlicher Nachlaß, mit Deubler’s Bildniß“ (Leipzig, B. Elischer) einverleibt sind. Unter den Briefen verräth einer von Ernst Keil, daß unser Bauernphilosoph auch ein stiller Mitarbeiter der „Gartenlaube“ gewesen ist. Fr. Hfm.     

Eisenbahn-Fundgegenstände. Mit dem 1. Oktober d. J. wird auf sämmtlichen preußischen Staatsbahnen hinsichtlich der im Eisenbahnbereiche zurückgelassenen, bez. wieder aufgefundenen Gegenstände eine einheitliche Neuerung eingeführt.

Am Sitze jeder Direktion, also in Berlin, Bromberg, Breslau, Magdeburg, Altona, Hannover, Erfurt, Frankfurt am Main und Köln wird ein Fundbureau errichtet, welchem alle aufgefundenen Gegenstände zugesandt, bez. gemeldet werden.

Auf allen Stationen findet der Reisende Formulare für Verlustanzeigen, welche dem Fundbureau sofort nach ihrer Ausfüllung zugesandt werden. Dasselbe wird die erforderlichen Nachforschungen anstellen und Alles thun, um dem Verlierer zur Wiedererlangung seines Eigenthums zu verhelfen. Für eine verlangte telegraphische Nachforschung werden 50 Pfennig erhoben. Dieselbe feste Gebühr wird für die Wiederzusendung aufgefundener Sachen berechnet.

In Berlin wird eine Centralfundstelle eingerichtet, welcher monatlich von allen Fundbureaus die unerledigt gebliebenen Verlustanzeigen und die nicht abgeforderten Fundstücke gemeldet werden und welche darauf das Nöthige veranlaßt, um den Verlierern wieder zu ihrem Eigenthume zu verhelfen. Möchten diese eben so einfachen wie wirksamen Vorschriften im Interesse des reisenden Publikums bald gleichmäßig auf allen deutschen Bahnen eingeführt werden, damit sich die z. Z. leider immer noch sehr häufigen Fälle verringern, daß zurückgelassene Gegenstände nicht wiedererlangt werden können. G. F.     

Ein deutsches Fest in Paraguay. Auch in dieser südamerikanischen Republik hat das Deutschthum Wurzel geschlagen und darf frisch und fröhlich seine Fahnen entfalten. Im Juli feierte der deutsche Krankenunterstützungsverein in Assuncion ein Fest, indem er seine prachtvolle goldgestickte deutsche Fahne, in Gegenwart des deutschen außerordentlichen Gesandten und des Vicekonsuls, einweihte. Ein Hoch auf Kaiser Wilhelm wurde ausgebracht, und das Musikcorps des 1. Linienbataillons spielte ausgewählte passende Stücke von Anfang bis zu Ende des Festes. Es ist erfreulich, daß bei dieser Gelegenheit das officielle Blatt der Republik Paraguay „El Orden“ es anerkannte, wie die Söhne des starken und verständigen Deutschlands, indem sie sich mit den nationalen Elementen vermischen, in hervorragender Weise den Fortschritt und Wohlstand des Landes fördern. †      

Skataufgabe Nr. 6.[1]
Von K. Buhle.

Obwohl nach folgenden ersten 4 Stichen:

der Spieler alle übrigen Stiche hereinbekommt und überdies 13 Augen im Skat findet, so hat er doch das Spiel bei fehlerfreier Spielführung verloren.

Welcher von den Dreien war der Spieler und welches Spiel hat er angesagt? Wie waren die übrigen Karten vertheilt?


  1. Diese Aufgabe cirkulirte bei dem 1. deutschen Skat-Kongreß als Preis-Aufgabe


Auflösung der Skataufgabe Nr. 5 auf Seite 644.

Wenn Mittelhand mit folgender Karte:

gD, gZ, gK, g9, rD, r9, r8, sD, s9, s8

das Spiel auf Grünfrage behalten und r7, s7 im Skat gefunden hat, so wird sie am besten nicht Grün- sondern Eichelfrage ansagen, weil die letztere, obwohl kein einziger Trumpf vorhanden, höchst wahrscheinlich gewonnen wird, während erstere sehr leicht verloren gehen kann. Der Umstand nämlich, daß beide Mitspieler auf Grünfrage gepaßt haben, läßt im Zusammenhalt mit obiger Karte darauf schließen, daß in Eicheln die Trümpfe zu 5 und 6 vertheilt sind, und weder rZ noch sZ blank, sondern je einmal besetzt ist, weil sonst die Mitspieler kaum gepaßt hätten. Ist dies aber der Fall, so können die fehlenden drei Grün nicht in einer Hand sitzen, so daß gK einen Stich machen muß, was bei Grünfrage nicht anzunehmen war. Sind nun aber die Karten so vertheilt:

Vorhand: gW, sW, eZ, eO, e8, e7, g8, rZ, [r]O, sK,
Hinterhand: eW, rW, eD, eK, e9, gO, g7, rK, sZ, sO

so wird, nachdem der Spieler gD, gZ (+ 21) gedrückt hat, sich dieses Spiel:

1. sK, sD, sO (+ 18) 2. rD, rK, rO (+ 18) 3. gK, g7, g8 (+ 4)

ergeben, denn diese drei Stiche muß der Spieler machen, [e]s mag die Vorhand ausspielen was sie will. – Eichelfrage ohne 11 Matadore ist aber auch wohl das einzige Spiel, das bei der gegebenen Sitzung sicher gewonnen wird. Hätte Vorhand oder Hinterhand Eichelfrage gespielt, so würden sie höchst wahrscheinlich sogar mit Schneider verloren haben. Ebenso wäre Tourné, Solo, Grand und Null von jedem der Mitspieler verloren worden.


Kleiner Briefkasten.

A. W. St. Ein Bildniß von Justinus Kerner im Kreise seiner Familie und Freunde (Lenau, G. Schwab, Alexander von Württemberg, Karl Mayer, Ludwig Uhland, Varnhagen von Ense) hat die „Gartenlaube“ mit einem längeren Artikel „Die Sängerrunde am Weinsberger Thurm“ schon im Jahre 1866 S. 4 gebracht.

A. K. in R. Auf die Frage über die Bedeutung der Endung -roda in Ortsnamen, wie Friedrichroda etc. giebt Ihnen schon der alte biedere Joh. Leonh. Frisch in seinem „Teutsch-Lateinischen Wörterbuch“ (Berlin 1741) Bd. II S. 112c–115a ausführliche Auskunft.

„Von reuten oder roden sind die Namen vieler Teutscher Oerter hergenommen, nämlich von reut oder roda mit ihren Derivatis und Compositis. Nachdem sich die Teutschen, als das römische Reich an sie gelangte, in einigen noch übrigen waldigen Gegenden, sonderlich gegen die Grenze, wo sie sonst Vieles unbebaut gelassen, ausgebreitet, haben sie von dem geschehenen Ausreuten und Roden mit Vorsetzung anderer Umstände vielen Oertern den Namen gegeben. Unter Anderen ist dieses absonderlich in dem heutigen Frankenland, in dem Burggrafthum Nürnberg geschehen, vom anspachischen Fürstenthum an bis zu Ende des Bayreutischen, d. i. in den 2 Theilen desselben, unterhalb und oberhalb des Gebirgs, allwo die Endung reut häufig geblieben. In Niedersachsen ist die Endung roda an vielen Namen der Städte, Dörfer und bewohnten Plätze bekannt … Roda oder reut ist in Thüringen und in Niedersachsen gebräuchlich.“


[ Inhalt von Nr. 40 / 1886 ]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.

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