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verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Judith bewies. Außer der „Iphigenie“ glänzte sie als „Jungfrau von Orleans“, allerdings eine geharnischte Heldin von Kopf zu Fuß, nicht eine zarte Magd, die sich so kriegerischer Thaten unterfängt, wie später als Medea, Lady Macbeth, Gräfin Orsina, Elisabeth in „Graf Essex“, Isabella in „Braut von Messina“ und in anderen hochtragischen Rollen. Der Beifall der Leipziger, die sie zu ihrem Liebling erkoren hatten, ermuthigte sie allerdings zu gewagten Experimenten, wie zur Darstellung des Shakespeare’schen Romeo, die ihr ein volles Haus und größten Beifall des Publikums eintrug, die aber doch bei den wahren Kunstfreunden nur Kopfschütteln erregen konnte.

Von Leipzig ging der große Ruf der Künstlerin aus; sie erhielt alsbald Anträge an die ersten Hofbühnen und entschied sich für diejenige ihrer Vaterstadt München, wo sie am 1. Oktober 1868 ein lebenslängliches Engagement annahm. Von hier aus begann sie ihre Gastreisen nach Wien, Dresden, Berlin, Hamburg, überall vom Publikum hochgefeiert, während zum Theil die Kritik, besonders die Wiener, gegen die sie deßhalb von der Bühne herab protestirte, ihr zu eintönige Deklamation zum Vorwurf machte. Im Jahre 1874 schied sie aus dem Verband der Hofbühne, der sie indeß als Ehrenmitglied mit der Verpflichtung zu regelmäßig wiederkehrenden Gastspielen noch jetzt angehört. Im Jahre 1876 heirathete sie ihren Lehrer, Herrn Christen. Bei ihren künstlerischen Rundreisen suchte sie ihr Repertoire auch mit den großen Rollen neuerer Dichtungen zu bereichern, wie sie denn „Die Patricierin“ von Richard Voß in dasselbe aufnahm.

Klara Ziegler, deren Bild als „Brunhild“ wir in der „Gartenlaube“ (Jahrg. 1868, Nr. 32)[WS 1] brachten, ist eine Darstellerin großen Stils, die bisher nur wenig Nachfolgerinnen gefunden hat; denn sie vereinigt seltene Mittel, eine imposante Erscheinung und ein Organ an Kraft und Wohlklang mit der Plastik des Geberdenspiels, welche für große Aufgaben unerläßlich ist; sie steht in einsamer Größe unter den jetzigen renommirten Darstellerinnen, welche den Schwerpunkt ihrer künstlerischen Leistungen in der französischen Rührkomödie suchen.

Elektrische Zeitübertragung. Zu den interessantesten Aufgaben der Berliner Sternwarte gehört die Regulirung der Uhren vermittelst elektrischer Signale. Von einer Hauptuhr der Berliner Sternwarte werden nicht allein die zehn an den verkehrreichsten Straßenpunkten aufgestellten Normaluhren in Berlin derartig regulirt, daß ihre Zeitangaben etwa nur um eine halbe Sekunde von der richtigen Zeit abweichen, sondern auch einige Uhren außerhalb der Hauptstadt im richtigen Gang erhalten. So wird z. B. im Interesse der Uhrmachertechnik tagtäglich um 8 Uhr 22 Minuten ein Zeitsignal von Berlin nach der Uhrmacherschule in Glashütte in Sachsen abgegeben. Um 8 Uhr 22 Minuten erfolgt ein anderes Zeitsignal für den Hafen von Swinemünde. Hier ist der sogenannte „Zeitball“, eine große, weit sichtbare und auf einem hohen Gerüst angebrachte Kugel, aufgestellt. Genau um Mittag fällt die Kugel in Folge einer elektrischen Auslösung von der Spitze des Gerüstes um einige Meter herab und kündigt den Schiffern die richtige Zeit an. Die Uhr des Beamten in Swinemünde wird ähnlich wie die in Glashütte täglich um 8 Uhr 22 Minuten von der Berliner Sternwarte aus durch Ablassen von Zeitsignalen regulirt. – Nicht ohne Grund vergleicht man die Menschheit mit einem hochentwickelten Organismus. Schon die wenigen Angaben dieser Notiz überzeugen uns, wie verwickelt und doch voller Ordnung das vielfältige Triebwerk unserer modernen Kultur ist. *

Die Katoomba-Kohlenmine in Neu-Südwales. (Mit Illustration S. 125.) Das Katoomba-Thal ist eine der schluchtartigen Landschaften, welche durch ihre sonderbare Gestaltung die „Blauen Berge“ Australiens weit und breit berühmt gemacht haben. Zahlreiche Gebirgsbäche rauschen durch die wildzerklüfteten Berge und stürzen in mächtigen Wasserfällen zu Thal. Das Interessanteste aber bilden in dieser Gegend die Kohlenlager, die zwischen den Schichten von Sandstein und Granit wie schwarze Streifen oder Mauerwälle hier und dort hervorragen. Die „schwarzen Diamanten“ hatten auch in diese einsamen Berge unternehmende Menschen gelockt, und so entstanden Kohlenminen, unter denen die auf unserer Illustration abgebildete wohl zu den seltsamsten der Welt zählt. Von der Thalsohle, die 2400 englische Fuß unter dem oberen Gebirgszuge liegt, sollen die Kohlen bis auf die Hochebene befördert werden. Es geschieht dies vermittelst einer Seilbahn, welche wohl zu den steilsten der Welt gehört. Vom Thale aus werden die Wagen hinaufgezogen, zunächst zwischen steilen Felswänden, dann durch einen Tunnel, welcher die obersten Schichten durchbohrt, und gelangen endlich auf den Gipfel des Höhenzuges, wo sich die Station der Eisenbahnlinie befindet. *

Ein bewaffneter Klerus. Zwischen Italien und den Herrschern von Habesch bestehen, seitdem das erstere in Massawa Fuß gefaßt hat, freundliche Beziehungen. Der König Menelik von Schoa bestellte sich durch den Afrikareisenden Grafen Antonelli in Rom für seine Gemahlin Handschuhe, Strümpfe aus schwarzer Seide und Atlasschuhe, indem er ihm das Maß ihrer Hände und Füße mitgab; auch für sich selbst bestellte er die gleichen Artikel. Für diese Schuhe und Handschuhe ist die Gebrauchsanweisung zweifellos und es kann damit nicht das Unglück passiren, welches dem König Menelik mit den militärischen Uniformen begegnet war, die ihm Viktor Emanuel zugesandt hatte: der äthiopische Fürst vertheilte diese Helme, Käppis und Waffenröcke an die Priesterschaft seines Landes und befahl ihr, dieselben bei allen kirchlichen Feierlichkeiten zu tragen.

Der Rheinfall bei Schaffhausen soll in nächster Zeit für Arbeitszwecke benutzt werden. Durch Dammbauten wird ein Theil des Stromes abgeleitet, damit er die nöthigen Kräfte zum Betrieb einer Aluminiumfabrik liefere. Das Metall soll auf elektrischem Wege erzeugt werden. *

Der erste Leichenwagen. In den neubegründeten aufstrebenden Städten im Westen der Union begiebt sich noch mancherlei, was unsern civilisirten Städten und Städtchen in seiner Naivetät fast komisch erscheinen muß. Wenn bei uns zur Sedanfeier, zu Kaisers Geburtstag, bei der Anwesenheit der Landesfürsten und bei anderen festlichen Gelegenheiten illuminirt wird, so versetzt dort oft jede neue städtische Einrichtung die Bürger in solchen Enthusiasmus, daß sie ihr Städtchen durchaus in das hellste Licht setzen müssen. So gestaltete sich der Einzug des ersten, elegant ausgestatteten Leichenwagens in Rapid City in Dakota zu einer großen Festlichkeit. Mayor und Stadtrath, die Feuerwehr und das Polizeiamt, sowie viele hervorragende Bürger begaben sich nach dem Bahnhofe, um ihn feierlich abzuholen. Abends wurde nicht nur die Stadt illuminirt, sondern auch ein glänzendes Feuerwerk vor dem Hause des Leichenbestatters abgebrannt. Wer weiß, ob nicht viele Gemüther in Rapid City selbst eine gewisse Todessehnsucht anwandelte, nur um der Freude theilhaft zu werden, in dem neuen schönen Leichenwagen den Weg nach dem Kirchhof anzutreten.


Allerlei Kurzweil.
Skat-Aufgabe Nr. 3.
Von K. Buhle.

Wie müssen die Karten der Gegner vertheilt sein und wie ist der Gang des Spieles, wenn bei allerseits fehlerfreier Spielführung der Spieler in Mittelhand ein Eichel-Solo verliert, sobald er zu folgenden 9 Karten:

(c. As) (c. Z.) (p. 8.) (p. 7.) (tr. B.) (p. B.) (c. B.) (car. B.) (tr. D.)

noch die (tr. Z.) hat, dagegen dasselbe gewinnt, sobald er noch (tr. 7) dazu hat?

Auflösung der Skat-Aufgabe Nr. 2 auf S. 84. Die Hinterhand würde ihr Eichelsolo mit Schneider gewinnen, wenn die übrigen Karten so vertheilt sind:

Vorhand: eZ, gD, rD, rK, rO, r9, r8, r7, s8, s7.
Mittelhand: eW, eD, e9, g8, g7, rZ, sZ, sK, sO, s9.
Skat: gO, g9, denn nach den 3 ersten Stichen:

1. gD, g8, gK (−15); 2. s7, s9, sD (+11); 3. gW, eZ, eW (−14) kann Mittelhand ausspielen, was sie will, der Spieler wird bei fehlerfreiem Spiele alle Stiche bekommen. Könnten jedoch die Gegner unter einander s8 und s7 mit g8 und g7 vertauschen, so würde der Spieler selbst Schneider werden, denn es folgt:

1. gD, rZ! gK (−25);
2. g8, eD! gZ (−21);
3. sZ! sD, eZ (−31),

und erhalten danach die Gegner noch auf eW einen Stich mit Wimmelung das rD und mindestens 13 Augen.

Auflösung des „Schach-Problems“ auf S. 68: Setzt man die Buchstaben aller weißen Figuren in jener Reihenfolge neben einander, wie diese durch ihre Stellung in der jeweiligen numerirten Felderreihe bedingt wird, z. B. D (1. Reihe), U (2. Reihe) u. s. f. und thut dies in gleicher Art mit den schwarzen Figuren, so erhält man die Worte: „Durch Kampf (weiße Fig.) zum Sieg (schwarze Fig.).“


Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

H. W. in Stuttgart. Sie haben Recht, es giebt in deutschen Ländern allerlei Humore, die in Nord und Süd verschieden sind, und man muß jeder Volkseigenthümlichkeit Rechnung tragen. Ein echter, urwüchsiger, schwäbischer Humor belebt die Seminaristengeschichte „Der verzauberte Apfel“ von H. Bauer (Stuttgart, Robert Lutz), die, wie Sie sagen, Ihnen große Freude bereitet hat durch den quellfrischen Volkston, und wir zögern nicht, sie allen Freunden des schwäbischen Volksstammes warm zu empfehlen.

C. R. in Bautzen. Sie schreiben uns, daß Adalbert Stifter Ihr Lieblingsschriftsteller ist, und daß Sie seine Naturschilderungen mit ihrer warmen Empfindung und schönen Begeisterung den Jean Paul’schen an die Seite setzen. Es wird Sie interessiren zu erfahren, daß jetzt Adalbert Stifter’s „Ausgewählte Werke“ in einer Volksausgabe (Leipzig, Amelang’s Verlag) in 28 Lieferungen erscheinen, und daß bereits die ersten derselben vorliegen. Die Sammlung wird enthalten: „Studien“, „Bunte Steine“ und „Erzählungen“.

Ein Neugieriger in B. Um die Einführung der Hühner in Deutschland hat sich Karl der Große besondere Verdienste erworben. Er hat eine Verfügung getroffen, daß auf jeder seiner Domainen 50 Hühner und 50 Gänse, auf Hubengütern dagegen 50 Hühner gehalten werden sollten. Seit jener Zeit wurde, wie man annimmt, die Geflügelzucht in Deutschland heimisch.

Abonnent K. W. in Solingen. Vergleichen Sie gefl. den Artikel „Etwas über die Holzschneidekunst“ von Karl B. Lorck in Nr. 41 und 42 der „Gartenlaube“ 1882.

R. G. in Basel. Sie erkundigen sich, ob in einer Zeit, die so vielen Schriftstellern Denkbilder errichtet, ein so tüchtiger Autor wie Johannes Scherr leer ausgehen soll? Wie wir erfahren, hat die Familie Scherr’s den Bildhauer Donndorf beauftragt, auf dem Kirchhofe in Zürich ein Grabdenkmal des Schriftstellers in großem Stile auszuführen.

A. H. in Köln. Sehr wohlgereimte Verse, doch nicht in der dichterischen Einkleidung, die für die „Gartenlaube“ unerläßlich ist.

L. G. R. in New-York. Nicht geeignet.

Hans S. in Wien. Wir bitten um Angabe Ihrer genauen Adresse.


Inhalt: Herzenskrisen. Roman von W. Heimburg (Fortsetzung). S. 117. – Die Todtenbeschwörung. Von Rudolf Kleinpaul. S. 120. Mit Illustration S. 121. – Litterarische Begegnungen. Von Wilhelm Goldbaum: Ludwig Ganghofer. S. 123. Mit Portrait S. 117. – Ein verhängnißvolles Blatt. Erzählung aus den bayerischen Bergen von Anton Freiherrn v. Perfall (Fortsetzung). S. 124. – Vom Nordpol bis zum Aequator. Populäre Vorträge aus dem Nachlaß von Alfred Edmund Brehm. Adlerjagden des Kronprinzen Rudolf von Oesterreich. III. S. 127. – Das Goaßlfahren. Eine kleine Dorfgeschichte aus Oesterreich von August Silberstein. S. 128. Mit Illustration S. 129. – Das erste Jahr im neuen Haushalt. Eine Geschichte in Briefen. Von R. Artaria. II. S. 130. – Blätter und Blüthen: Das fünfundzwanzigjährige Jubiläum von Klara Ziegler. S. 131. – Elektrische Zeitübertragung. S. 132. – Die Katoomba-Kohlenmine in Neu-Südwales. S. 132. Mit Illustration S. 125. – Ein bewaffneter Klerus. S. 132. – Der Rheinfall bei Schaffhausen. S. 132. – Der erste Leichenwagen. S. 132 – Allerlei Kurzweil: Skat-Aufgabe Nr. 3. Von K. Buhle. S. 132. – Auflösung der Skat-Aufgabe Nr. 2 auf Seite 84. S. 132. – Auflösung des Schach-Problems auf S. 68. S. 132. – Kleiner Briefkasten. S. 132.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1878; siehe Berichtigung in Kleiner Briefkasten, Heft 11
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