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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Aus seinem Lager gehetzter Bär.0 Nach dem Oelgemälde von Jul. Falat.
Mit Genehmigung der Photographischen Gesellschaft in Berlin.

Bärenjagden des Prinzen Wilhelm von Preußen.

Allgemeines und besonderes Interesse erregte es vor Jahresfrist, als durch die öffentlichen Blätter die Mittheilung ging, daß Prinz Wilhelm von Preußen einer Einladung des Generaladjutanten des Kaisers, des ritterlichen und in den Kreisen der Berliner Gesellschaft allbekannten Fürsten Anton Radziwill gefolgt sei, um auf dessen weitläufigen Herrschaften in Rußland der Bärenjagd obzuliegen.

Prinz Wilhelm theilt bekanntlich die Neigung seines Freundes, des Kronprinzen Rudolf von Oesterreich, bezüglich der Jagd und ist, wie Jener, ein außerordentlich tüchtiger Schütze.

Einige Notizen über die Reise des Prinzen werden, wie wir glauben, unsere Leser auch noch nachträglich interessiren, um so mehr, als wir in der Lage sind, dieselben durch die trefflichen, seiner Zeit an Ort und Stelle aufgenommenen Bilder des Malers Falat zu illustriren.

Am 12. Februar Abends bestieg Prinz Wilhelm, begleitet von seinem Gastgeber, dem Fürsten, und seinem Adjutanten, Major von Krosigk, den Warschauer Schnellzug. Nach einem kurzen Aufenthalt in Warschau wurde die Fahrt mit der Warschau-Terespoler Bahn fortgesetzt, und am 14. Februar früh langten der Prinz und seine Begleitung in der Nähe von Nieswiez, dem uralten Schlosse der fürstlichen Familie Radziwill, an, verweilten einige Zeit, um hier ein vom Fürsten angeordnetes Frühstück einzunehmen, und fuhren nun auf russischen Schlitten – ein dem Prinzen Wilhelm bisher ungewohntes Vergnügen – nach dem zu der großen Herrschaft gehörenden Gute Radziwill-Monte (bei Klez). Hier wurde dinirt und Nachtquartier genommen, und am nächsten Morgen begann dann die erste Jagd auf die Bären.

Die Bärenjagd gehört immerhin zu dem gefährlichsten Sport in Europa, und wer sie ausüben will, der muß nicht nur ein geübter Schütze sein, sondern auch über kaltes Blut verfügen. Beim Beginne derselben wird der ganze Distrikt, in welchem man das Lager des Wildes aufgespürt hat, mit einer Kette von Treibern und Wehrleuten umstellt. Innerhalb des Kreises stellen sich auf der einen Seite die Hundeführer auf mit einer Meute von Hatzhunden, die kräftig und schneidig sein müssen. Diesen gegenüber stehen, gleichfalls im Innern des Kreises, die Schützen, aber sie stehen nicht einzeln auf dem Posten, sondern zu Zwei und mehr, damit sie sich im Augenblicke der Gefahr beispringen können. Auch Leute mit geladenen Flinten, sogenannte Sekundanten, werden ihnen oft beigegeben.

Auf ein gegebenes Zeichen beginnt die Treibjagd. Die Hunde werden sofort gelöst, sobald man merkt, daß sie auf frischer Spur sind. Bricht nun der Bär, von jenen und durch das Geschrei der Treiber aufgeschreckt, aus seinem Lager auf, so passirt er zunächst die Jägerlinie. Jetzt gilt es, ihm aus naher Entfernung, aus etwa dreißig bis vierzig Schritt, einen tödlichen Schuß zu geben. Gelingt es aber dem Bären, die Schützenlinie unverletzt zu passiren, so gelangt er an die auf der entgegengesetzten Seite des Kreises aufgestellten Leute, die sogenannte Wehrlinie, und wird von diesen gegen die Schützen zurückgetrieben.

Vom 15. Februar ab wurde auf den Radziwill’schen Gütern die ganze Woche hindurch täglich gejagt, und der Prinz hatte Gelegenheit, die eigenartige, zum Theil wunderbar groteske Landschaft mit ihren großen Wäldern und ausgedehnten Mooren, Alles umhüllt von dem weißen Reif, dem Schnee und dem Eise der Jahreszeit, in Augenschein zu nehmen.

Die fürstliche Familie besitzt hier für ihren Sport ein eigenes Jagdhaus, und zwar in dem Dorfe Dnieskowice. Beim Beginn der Jagd waren bereits acht Bären bestätigt (als aufgespürt gemeldet), worunter sich eine Bärin befand, welche sich schon von dem einjährigen Bären getrennt hatte. Zunächst ward diese mit zwei vorjährigen Bären ins Auge genommen; später folgten die anderen fünf, und der Prinz Wilhelm erlegte von diesen acht die Hälfte, während Major von Krosigk die Bärin niederschoß.

Ein anschauliches Bild der im tiefen Schnee vergrabenen Waldungen mit ihrem ziellosen Wachsthum, mit den sturmverwehten, zerknickten Bäumen und Bäumchen und der wildnißartigen Regellosigkeit geben namentlich zwei der von uns reproducirten Bilder. Auf dem einen wird gerade der Bär für die beginnende Jagd aufgescheucht. Die Meute ist losgelassen und setzt sich mit wüthendem Gebell in Bewegung. Das Thier, von allen Seiten bedroht und ausgehetzt, richtet den riesigen Kopf in die Höhe und erwartet, gleichsam noch unentschlossen, aber mehr gereizt als geängstigt, seine Widersacher. In den Gesichtern der Treiber malt sich Besonnenheit und Entschlossenheit zugleich. Beide sind auch erforderlich, denn in dem hohen und tiefen Schnee, der den Boden bedeckt, ist jede Bewegung beschwerlich und selbst die muthigste Meute unterliegt häufig den furchtbaren Tatzen und Zähnen dieser gewaltigen Thiere.

Das zweite Bild, erfaßt in dem Augenblick, in welchem Prinz Wilhelm nach dem entscheidenden Schuß selbst an den Bären herangeht, zeichnet sich ebenfalls durch frappante Anschaulichkeit aus.

Der kühne Jäger will nicht der Umgebung die Feststellung bezüglich der Wirkung des Schusses überlassen. Er geht mit dem gespannten Revolver in der Hand vorwärts und ist auf eine noch größere, vielleicht sehr große Gefahr vorbereitet. Nur allzu häufig kommt es vor, daß Schüsse nur eine zeitweilige Betäubung hervorrufen, daß ein Bär sich plötzlich wieder aufrichtet und nun mit der Kugel im Eingeweide, durch wahnsinnigen Schmerz aufs Aeußerste gereizt, seinen Verfolger packt, umarmt und zerreißt.

In dem Gesicht des Prinzen Wilhelm drückt sich Entschlossenheit aus; festen Schrittes geht er – obgleich bisher solcher Jagd ungewohnt – vor, und mit gespannter Miene beobachtet seine Umgebung, die Flinten schußgerecht in der Hand, wie sich die Dinge entwickeln werden.

Die Sorge war zum Glück – oder dem kühnen Jäger zum Leidwesen – unnöthig. Der Prinz hatte in diesem Falle so wohlgezielt, daß der Bär augenscheinlich sofort verendet war.

Später gesellte sich den hohen Jagdfreunden noch der Prinz Matthias Radziwill zu (ein Vetter des Fürsten Anton), und überdies nahm auch der Generalbevollmächtigte des Letzteren, Herr von Abolamowicz, welcher sämmtliche Vorbereitungen getroffen hatte und die Jagd leitete, an dem Treiben Theil.

Am 21. Februar kehrte der Prinz, eine Strecke von seinem liebenswürdigen Gastgeber bis an die Hauptbahn begleitet, zurück und trat die Reise nach Berlin wieder an. Eine besondere Freude und Ueberraschung hatte derselbe noch kurz vor seinem Fortgange, indem ihm auf der Schlittenfahrt ein großer, wunderbar schön gewachsener Elch in den Weg kam. Da diese Thiere die Gewohnheit haben, von ihrem Laufe nicht abzubiegen, so flog der Schlitten eine beträchtliche Weile geradlinig hinter dem Flüchtling einher und die günstigere Gelegenheit zum Schuß ward dadurch verwehrt.

Endlich aber gelang es dem Prinzen doch, das von dem Geweih bereits befreite Thier durch einen wohlgezielten Schuß niederzustrecken und somit am Schluß sich nochmals als ausgezeichneter Jäger zu bewähren.

Fürst Anton blieb mit seinem Bruder Wilhelm auf der Herrschaft zurück und setzte 11/2 Woche die Jagd fort, wobei er in den eigenen und angrenzenden fürstlich Wittgenstein’schen Waldungen noch zehn Bären erlegte.

Die Besitzungen des Fürsten Radziwill liegen im südlichen Theile des Gouvernements Minsk und erstrecken sich mit Unterbrechungen vom oberen Memelstrom, einschneidend in die Wittgenstein’schen Forsten, bis an die Wolhynische Grenze.

Auf unseren Bildern sind das Jagdgefolge, die Treiber und die Mitglieder der russischen Polizei wiedergegeben. Auf dem Hauptbilde (S. 228 und 229) steht Prinz Wilhelm neben einem erlegten Bären, ihm zur Rechten der Fürst Anton Radziwill.




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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_225.jpg&oldid=- (Version vom 10.4.2023)