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verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

No. 16.   1887.
      Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.



Götzendienst.

Roman von0 Alexander Baron v. Roberts.
(Fortsetzung.)
4.0 Suum cuique.

Auf der Treppe zu seiner Wohnung begegnete Eff der feisten, untersetzten Gestalt seines Burschen, der sich eben in einem stark beschädigten Bunzlauer Topf seinen Abendkaffee holen wollte. Der Mann wollte umkehren, als er seinen Herrn kommen sah.

„Allez, Baptiste, allez prendre votre café – je vais attendre,“ redete Eff ihn an.

Baptist war ein Lothringer, ein Stockfranzose, und gerade einen solchen hatte sich der lernbegierige Officier vom Regiment als Burschen erbeten, damit er im Französischen doch etwas in Uebung bliebe.

„Su Beefäl, ’err Leut’!“

„Baptist, Du sollst ja Französisch sprechen. Parler français, rien que français! Avez-vous compris?“

Und Baptist abermals, über das ganze gutmüthige Gesicht grinsend, aber in strammster Haltung, den Bunzlauer Topf wie zu einer Freiübung gegen die Brust gedrückt: „Su Beefäl, ’err Leut’!“ wie es ihm der Unterofficier in der Instruktion beigebracht; es waren über diese paar deutschen Worte sogar Thränen der Verzweiflung geflossen.

Er war unverbesserlich; seitdem er des Abends in einer halbgeöffneten Hausthür der Nachbarschaft bei einer drallen Berliner Köchin Unterricht im Deutschen nahm, war er wie besessen auf diese Sprache. –

„Der reine Wartesaal!“ pflegte Mühüller auszurufen, wenn er Eff’s Zimmer betrat. Letzterer war in der Eisenbahnabtheilung des Generalstabs beschäftigt, dort, wo der überaus schwierige Mechanismus der Truppentransporte für jede Eventualität einer Mobilmachung konstruirt und gangbar erhalten wird: eine anstrengende Handwerksarbeit, die jedoch die zuverlässigsten Arbeiter verlangt. Gelbe, weiße und rothe Eisenbahnfahrpläne waren an die Wände, ja sogar an die beiden Thüren geheftet, den Bilderschmuck halb verdeckend; mit dem markigen Ausdruck der kecken Haudegengesichter überragten einige Menzel’sche Feldherrnköpfe diese dürre papierene Prosa der modernen Kriegsführung. Mühüller konnte sich auch eines Schauders nicht erwehren, der sich in einem herzhaften „Brrr!“ Luft machte, wenn er der Tabellen und zahlenwimmelnden Bogen ansichtig wurde, die den Schreibtisch bedeckten. Aus dieser Wüste von Zahlen schien ihm nur eine Oase hervorzuragen, die Rangliste, die Eff mit peinlicher Genauigkeit nach der jedesmaligen Ausgabe des Militärwochenblattes auf dem Laufenden erhielt.

Bayerischer Holzknecht.0 Nach dem Oelgemälde von C. Breitbach.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1887, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_257.jpg&oldid=- (Version vom 13.11.2023)