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verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Mühsal und Gefahren verbundener Kampf. Im Frühjahr, wenn der Schnee zu schmelzen beginnt und die mächtigen Tannen die eisige Last abgeschüttelt haben, bezieht der Holzer mit Säge, Axt und Seil sein Revier auf Wochen und Monate und haust in einer nach seiner Ansicht schon ganz komfortabeln Holzstube oder erbaut sich aus Brettern und Rinden eine Art Hütte, die etwa mit dem Wigwam eines Wilden verglichen werden kann, oder er schläft auf nackter Erde mit und ohne Lagerfeuer. Die Arbeit beginnt mit dem Tagesgrauen und endet mit dem Sinken der Sonne. Das Fällen und Zurichten der Bäume ist nicht so leicht wie im Flachlande; da giebt es genug Terrainschwierigkeiten und meistens gilt der Hieb alten riesigen Bäumen, deren Größe und Umfang die Arbeit gefährlich macht.

Das Umständliche aber bleibt immer das „Holzbringen“, das heißt dasselbe zu Thal zu fördern. Da giebt es die verschiedensten Arten, und oft greift man zu künstlichen Anlagen und läßt das Wasser mitarbeiten. Da tragen die stürzenden Wogen der auf dem Hochplateau angelegten Weiher, Klausen genannt, wenn ihr Verschluß geöffnet worden, die Last durch Rinnsale, Klammen und Schluchten in irgend einen Gebirgssee, von wo aus sie weiter geflößt wird. Dieser „Holzgang“ bietet ein prächtiges Schauspiel und Berg und Thal hallen wieder von dem donnernden Geräusch, welches die an die Felswände anprallenden Stämme verursachen. Um ein Stocken des Holzgangs zu vermeiden, müssen die Holzer oft die gewagtesten Hantierungen vornehmen. Doch diese anstrengenden Arbeiten führen sie mit großer Ausdauer und Unermüdlichkeit aus. Ihr Körper ist überaus abgehärtet; Wind und Wetter haben ihre scharfen Züge ausgemeißelt. Mit Kleiderluxus beschweren sie sich nicht. Ihr Humor ist unverwüstlich und entfaltet sich am kräftigsten, wenn sie beim Gläschen in der Holzstube oder Wirthsstube sitzen und sich die Zeit mit „Citherschlag’n und G’stanzlesingen“ vertreiben.

Ein Festtag in Afrika. Wie bunt das Leben auf den Kolonialgebieten Afrikas sich bisweilen gestaltet, davon giebt Hermann Soyaux ein Beispiel in seinen Erlebnissen und Beobachtungen: „Aus Westafrika“. Der Reisende befand sich in dem portugiesischen Angola, in der Stadt Dondo, die längere Zeit durch eine gewaltige Ueberschwemmung des Kuansaflusses bedrängt worden war. Doch die Wassernoth war wieder gewichen, als die Stadt das große Fest der katholischen Christenheit, den Frohnleichnamstag, beging. Da entwickelte sich nun ein buntes, ergötzliches Treiben: Jeder hat seinen besten Staat angelegt; man sieht, die europäischen Trödelmärkte beglücken mit dort nicht mehr verkäuflichen alten Kleidern die putzsüchtige Negerbevölkerung Afrikas. In den lächerlichsten Zusammenstellungen erblickt man defekte Uniformstücke aus aller Herren Ländern, betreßte Livréeröcke, fadenscheinige schwarze Fracks, Damenhüte von riesigen Dimensionen, Dreimaster, Kalabreser und zerknitterte hohe Cylinder. Dazwischen bewegt sich das zum Fest hereingekommene Landvolk in fast adamitischem Urkostüm. Eine Gruppe fetttriefender Libòlòs, in eifrigem Handel begriffen, überzählt die Preise in angolanischen Kupfermünzen. Dort scharen sich die Männer und Mädchen zum Betuk, dem Kankan der Neger, und unter Begleitung von Gesang und Händeklatschen beginnt der Tanz; aber er wird durch die Klänge der Militärmusik unterbrochen. Die in Dondo zurückgebliebene Mannschaft der Caçaderes V. marschirt von der Kirche zur Residencia hinauf; an der Spitze mit gesenktem Degen der Teniente in der Uniform der portugiesischen Jäger, hinter ihm das Musikkorps, die Melodie: „Einst spielt’ ich mit Scepter und Kronen“ im Marschtempo blasend, dann die Reihen der Soldaten, ihre „Sergantos“ und „Cabos“ zur Seite. Die Parade-Uniform sieht etwas weniger unsauber aus als die gewöhnliche Ausrüstung der portugiesisch-angolanesischen Armee. Nur die Fußbekleidung befindet sich in demselben fragmentarischen Zustande, wenn sie nicht gar dem Lichtenberg’schen Messer ohne Klinge[WS 1] gleicht, und eben so ist die Kopfbedeckung von bedenklicher Fragwürdigkeit.

Die kirchliche Feier selbst, die gegen Abend stattfand, bot einen eben so merkwürdigen Anblick. Vor der Thür der Kirche balgten sich zwei schwarze Chorknaben, der Würde ihrer Tracht und ihres Amtes vergessend; durch den Palmenhain am Ufer blitzten eine Menge bengalischer Lichter auf, die Frohnleichnamsprocession nahte. Unter einem von vier Schwarzen getragenen Baldachin, dem ein Chorknabe das Krucifix vorantrug, schritt der Priester im reichen Ornat, ihm nach die Schar der Gläubigen: Schwarze, Weiße, Mulatten, Männer, Weiber und Kinder, einzeln oder paarweise, mit Lampions, Fackeln und Laternen. Von Andacht war bei der schwarzen Christengemeinde nichts zu spüren; Alles scherzte und lachte in ausgelassener Fröhlichkeit.

Diesen Toiletten-, man könnte sagen Operettentrödel hat unser Reisender mehrfach in Afrika gefunden, so in Akkra an der Goldküste, wo er in einen aufgeregten Volkshaufen gerieth, der ein Siegesfest feierte. Eine dichte Menge älterer und jüngerer Schönheiten zog in Procession durch die Straßen mit ohrenzerreißendem Geplärr und Geschrei. „Wirr schollen Stimmen, Lieder und Gebete zum Christen- und zum Negergotte durch einander; Fahnen unbekannter und bekannter Nationalitäten, unter den letzteren auch die deutschen Farben in verkehrter Reihenfolge, flatterten über dem Volksgewühl und die weiten Frauengewänder wehten phantastisch im Winde. Und was für Gewänder! Es war mir schwer, nicht in helllautes Lachen auszubrechen, als ich die Sterne eines Vereinigten Staaten-Banners und bei einer andern Frau das Portrait Moltke’s auf einem, wie mir schien, gelben Taschentuche eine gewisse Körperstelle decken sah.“

Allerlei Kurzweil.
Schach.
Von Ottmar Nemo in Wien.

SCHWARZ

WEISS

Weiß zieht an und setzt mit dem dritten Zuge matt.
Auflösung der Schach-Aufgabe auf S. 216.
Weiß: Schwarz:
1. K h 1 – h 2! c 6 – c 5! (oder c 4 – c 3)
2. D b 3 – b 7! beliebig.
3. D b 7 – h 1 resp. b 1 matt.

Auf 1. … c 4 – d 3 : folgt 2. c 2 – d 3 : nebst 3. D b 3 – c 2 matt. Ein scharfsinniges, schwieriges Problem! Wir empfehlen unsern Lesern die unlängst erschienene Aufgabensammlung des Komponisten: „101 ausgewählte Schachaufgaben“ von Fritz Hofmann, Verlag der M. Rieger’schen Universitäts-Buchhandlung in München.

Schach-Litterarisches. „Das allgemeine Schachspiel“. Ein Vorschlag zu einer Erweiterung des Schachspiels von C. A. Otto Voigt. Verlag von Karl Höckner in Dresden, brochirt, Preis 1 Mark. – Wir vermögen zwar dem Vorschlage des Verfassers nicht beizutreten, welcher eine neuartige, dem eigentlichen Wesen des Schachspiels gänzlich fremde Spielbehandlung, insbesondere der Eröffnung bezweckt, allein das Werkchen ist sehr anziehend geschrieben, und wir wollen es daher allen Schachfreunden als genußreiche Lektüre bestens empfehlen.

Auflösung des Bilder-Räthsels auf S. 256.
„Auf Wind und Meer gebautes Glück ist schwankend.“
Auflösung des Metamorphosen-Räthsels auf S. 256.

Durch Versetzung der Buchstaben erhält man die Wörter:

Braten, Inka, Schlaf, Maus, Altona, Rheder, Chinese, Kalt.

Die Anfangsbuchstaben ergeben den Namen: Bismarck.


Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

H. F. in D. Geburtstag oder Geburtsfest ist die Bezeichnung für den wiederkehrenden Jahrestag der Geburt und dessen Feier. Bei der Zählung dieses Festes darf der Tag der Geburt selbst nicht mitgerechnet werden, da der Begriff des Festes eben auf der Wiederkehr des Tages beruht. Ist also Jemand am 28. März 1867 geboren, so feiert er 1868 seinen ersten, 1887 seinen 20. Geburtstag.

Ein Neugieriger in Hamburg. Sie wollen wissen, wie viel Silber ungefähr im Meere enthalten ist. Es entzieht sich jeder Berechnung, wie viel dieses edlen Metalles im Laufe der Weltgeschichte mit den Handelsschiffen aller Nationen auf den Grund des Meeres gelangte. Wir wollen aber Ihre Neugierde nach einer anderen Richtung hin befriedigen und Ihnen mittheilen, wie viel Silber ungefähr im Meere schwimmt. Das Meerwasser enthält neben den bekannten Salzen in sehr verdünnter Lösung fast alle Elemente, aus welchen unsere Erde besteht; auch Silber befindet sich darin, und man hat ausgerechnet, daß in einem Kubikkilometer Meerwasser etwa 1 Kilogramm Silber enthalten ist. Nehmen wir an, daß die durchschnittliche Tiefe der Oceane 5 Kilometer beträgt, so werden wir den Wasserinhalt des Meeres auf 1 Milliarde 876 Millionen Kubikkilometer schätzen können; es müßten eben so viel Kilogramm Silber im Meere enthalten sein; und aus ihnen könnte man 375 Milliarden Mark prägen. Auf einige Milliarden mehr oder weniger kommt es bei diesem Silber nicht an; denn niemals wird es den Menschen Nutzen bringen; nimmer wird man auf den Gedanken kommen, 1 Kubikkilometer Wasser zu destilliren, um für 200 Mark Silber zu gewinnen.

P. in Hildesheim. Auf den sämmtlichen Eisenbahnen der Welt werden nach der neuesten Statistik jährlich rund 1 Milliarde 864 Millionen Passagiere befördert. Das Land, in welchem die erste Eisenbahn gebaut wurde, steht noch heute in der Benutzung derselben für den Personentransport obenan: es werden in England jährlich 683 Millionen Passagierbillette ausgegeben; auf England folgen die Vereinigten Staaten von Nordamerika mit 312 Millionen Passagieren, während in Deutschland jährlich 246 Millionen Passagiere auf den Eisenbahnen befördert werden. Mit anderen Worten: im Durchschnitt reist jeder Engländer achtzehnmal, jeder Nordamerikaner sechsmal und jeder Deutsche fünfmal im Jahre mit der Eisenbahn.

A. K. in Leipzig. Näheres über den am 8. März dieses Jahres verstorbenen berühmten amerikanischen Kanzelredner H. W. Beecher finden Sie in dem Artikel „Amerikanische Kirchen und Kanzelredner“ Jahrgang 1884, S. 588 der „Gartenlaube“.

W. R. in Sigmaringen. Eine reiche Fülle von Sentenzen, übersichtlich geordnet, finden Sie in Hertz’ „Worte der Weisen“, einer trefflichen Sammlung, auf welche wir schon auf S. 883, Jahrgang 1886 der „Gartenlaube“ hinwiesen.

K. P. in Tilsit. Daß den Deutschen in Rußland noch nicht der Humor ausgegangen ist, beweist der von Berthold Guttmann in St. Petersburg herausgegebene „Pipifax“, dessen erste Probelieferung recht amüsante Scherze und Humoresken in Wort und Bild enthält, natürlich von einer Harmlosigkeit, welche die Censur nicht beeinträchtigen kann.

G. A. Sp. in Milwaukee. Der sogenannte „Altenstein“ im Taunus hat keinerlei beachtenswerthe Vorgeschichte. Aehnliche Namen (Altenstein, Altenburg etc.) finden sich mehrfach vor.


Inhalt: Götzendienst. Roman von Alexander Baron v. Roberts (Fortsetzung). S. 257. – Die Münchener Künstlergesellschaft „Allotria“ und ihr Heim. S. 263. Mit Illustrationen S. 261, 263 und 264. – Berlin am 22. März. Stimmungsbild von Hermann Heiberg. S. 264. Mit Illustration S. 265 und 269. – Gründet billige Volksbäder! Von C. Falkenhorst. S. 256. Mit Abbildungen S. 266 und 267. – Herzenskrisen. Roman von W. Heimburg (Fortsetzung). S. 268. – Blätter und Blüthen: Die Königin von Italien. S. 271. – Bayerischer Holzknecht. S. 271. Mit Illustration S. 257. – Ein Festtag in Afrika. S. 272. – Allerlei Kurzweil: Schach. S. 272. – Auflösung der Schach-Aufgabe auf S. 216. S. 272. – Schach-Litterarisches. S. 272. – Auflösung des Bilder-Räthsels auf S. 256. S. 272. – Auflösung des Metamorphosen-Räthsels auf S. 256. S. 272. – Kleiner Briefkasten. S. 272.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. „Ein Messer ohne Klinge, an welchem der Stiel fehlt.“ (Verzeichniß einer Sammlung von Geräthschaften …, in: Göttinger Taschen Calender, 1798, S. 157 UB Bielefeld)
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1887, Seite 272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_272.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)