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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)


Das Patronenmagazin (m) besteht aus einem Rohr von dünnem Stahlblech, welches im Schaft unterhalb des Laufes liegt und hinten in die Hülse mündet, vorne dagegen über den Oberring vorsteht und mit einem aufgeschraubten Deckel verschlossen ist. Zum Zusammensetzen der Gewehre in Pyramiden ist der Deckel mit einem Stock versehen. Im Magazin befindet sich eine lange, das ganze Rohr ausfüllende Spiralfeder, „Magazinfeder“, zu dem Zwecke, die eingeladenen Patronen nach hinten, bezw. auf den Löffel zu drücken. Damit die Feder bei nicht gefülltem Magazin in diesem gehalten wird, bei gefülltem Magazin aber sich nicht auf eine Patrone schieben kann, ist sie am hinteren Ende mit einer Kapsel versehen. Das Heraustreten der Kapsel aus dem Magazinrohr oder, wenn dieses gefüllt ist, der Patronen, verhindert die Sperrklinke. Sie ist mit einem Stift, um welchen sie sich bewegt, an der linken Außenwand der Hülse befestigt und tritt mit ihrer Kralle durch die Hülse hindurch vor die hintere Oeffnung des Magazinrohrs. In der richtigen Lage wird die Sperrklinke durch eine mitteilst Schraube an der Hülse befestigte Doppelfeder gehalten, welche unter den hinteren Arm der Sperrklinke greift. Das Zurückdrücken der letzteren so daß jedesmal eine der im Magazin befindlichen Patronen an der Kralle der Klinke vorbei aus dem Magazin treten kann, wird beim Auf- und Zumachen der Kammer durch das gleichzeitig stattfindende Auf- und Abbewegen des Löffels (l) bewirkt, welcher die aus dem Magazinrohr tretende Patrone aufnimmt und in die Patroneneinlage befördert, von wo sie beim Vorschieben der Kammer in den Lauf gelangt. Der Löffel ist durch einen starken Stift, die Löffelwelle, drehbar in der Hülse befestigt, seine Aufwärts- und Abwärtsbewegung bewirkt der Auswerfer in Verbindung mit dem Anschlagstück. Das Anschlagstück liegt mit einer Führungsleiste in einer entsprechenden Führungsrinne auf der linken Seite des Löffels, ist mit dem Stellhebel verbunden und kann durch diesen hoch und tief gestellt werden. Zur Erhaltung des Stellhebels in der ihm gegebenen Lage dient die an der linken Seite der Hülse angeschraubte Stellfeder. Vorne hat dieselbe eine Warze, welche durch die Hülse hindurch in deren innere Bohrung tritt und beim Auswerfen der verschossenen Patronenhülsen mitwirkt, wenn die Mehrladevorrichtung abgestellt, das heißt das Anschlagstück gesenkt ist. Ein Abstellen der Mehrladevorrichtung ist nur möglich, wenn die Kammer geöffnet und vollständig zurückgezogen sowie der Löffel gehoben ist. Wird das Gewehr auf Magazinfeuer gestellt, so ist man in der Lage, bei geöffneter Kammer das Magazin mit 8 Patronen zu füllen, eine Patrone auf den Löffel und eine in den Lauf zu legen. Dieses Füllen erheischt die Zeit von etwa 20 Sekunden. Wird ein Schuß abgefeuert, so braucht man nur die Kammer zurückzuziehen und erreicht durch diesen Griff das Auswerfen der Patronenhülse und das Spannen des Schlosses, schiebt man hierauf die Kammer wieder zu, so ist der Lauf geladen und das Gewehr zum Schuß fertig.

Die Einführung des Magazingewehrs gab der deutschen Heeresleitung zugleich Veranlassung zum Erlaß einer neuen „Schießvorschrift“: nebenbei bemerkt, sind in dieser Vorschrift – nicht mehr „Instruktion“ – in höchst anerkennenswerther und geschickter Weise alle Fremdwörter ausgemerzt; es heißt z. B. nicht mehr Theorie des Schießens, sondern „Schießlehre“, nicht mehr Terrain, sondern Gelände“, nicht mehr Distance, sondern „Entfernung“. Durch die Vorschrift ist, den heutigen Kampfverhältnissen entsprechend, den Uebungen im gefechtsmäßigen Schießen ein noch größerer Raum gewährt als bisher; sie werden zum ersten Mal geradezu als die Hauptsache bezeichnet. In der That ist damit einem unbedingten Gebot der Zeit Rechnung getragen, denn das Magazingewehr erfordert weit mehr, als der Einzellader, eine gründliche Schulung der Führer wie der Mannschaft unter Verhältnissen, die der Wirklichkeit möglichst nahe kommen. Die Feuerleitung ist unendlich schwieriger geworden; es kommt gerade bei der neuen Waffe darauf an, die Verwerthung ihrer eigenartigen Kraft dem Führer allein vorzubehalten. Das Magazin soll und darf nur auf seinen Befehl, nicht nach Willkür der Mannschaft ausgefeuert, es muß für die entscheidenden Augenblicke des Kampfes aufgespart werden. Diese entscheidenden Augenblicke fallen mit den nahen Entfernungen zusammen. Die letzte Vorbereitung vor dem Einbruch in die Stellung des Gegners, die unmittelbare Abwehr des feindlichen Sturmlaufs oder eines überraschenden Reiterangriffs sind Gefechtslagen, in denen die Wirkung des Magazinfeuers am vortheilhaftesten zur Geltung kommen wird, für welche das gefüllte Magazin bereit gehalten werden muß. Unsere Infanterie kann aber nur eine beschränkte Anzahl Patronen mit sich führen und der Ersatz derselben auf dem Gefechtsfelde selbst ist äußerst schwierig. Mehr als je heißt es jetzt, der Gefahr des „Verschießens“ entgegenzutreten, und dies kann allein durch sorgfältigste Gewöhnung, durch zweckmäßige Schulung geschehen.

Die Uebungen im Gelände mit scharfen Patronen sind daher mehr und mehr zu wirklichen Gefechtsbildern geworden; die Scheiben werden den Verhältnissen des Ernstfalls entsprechend vorbereitet und aufgestellt; selbst der Pulverdampf, der die feindlichen Linien kennzeichnet, wird durch abgebrannte Kriegsfeuer nachgeahmt; die Entfernungen, auf welche die Truppe in das Gefecht eintritt, sind Führern und Mannschaften unbekannt und müssen abgeschätzt werden; alle Feuerarten vom Schützen- bis zum Magazinfeuer kommen abwechselnd zur Anwendung. Die Kompagnie hat z. B. zwei Züge gegen einen durch Figurscheiben dargestellten Feind in der Front aufgelöst und sich allmählich an denselben herangeschossen – da klappt plötzlich und überraschend in der Flanke eine langgestreckte weiße Scheibe auf. „Kavallerie von rechts! – Magazin!“ schallt das Kommando, und während die Schützen den Flügel der Front zurückbiegend sofort ihr Feuer auf den neuen Feind richten, rückt das Soutien ein und Salve auf Salve donnert gegen die anreitenden Schwadronen.

Solch eine Kavalleriescheibe beehren unsere Musketiere mit ihrer besonderen Liebe; das „fluscht“ doch wenigstens noch, meinen sie, wenn die Salven gegen die Leinwand klatschen. Und wenn es dann nach beendeter Uebung zum Trefferzählen kommt, eilt Alles nach der großen, weißen Wand hin, die wie ein Sieb durchlöchert zu sein pflegt, ein Jeder freut sich über den „erbaulichen“ Anblick und sucht unter den Treffern nach seinen eigenen, natürlich unfehlbaren Kugeln. Die arme Kavallerie! Die Zeiten, da sie das Schlachtfeld abfegte und wie die Windsbraut in die Infanteriemassen einfiel, sind für sie vorüber; das sagt sich beim Trefferzählen selbst der einfache Musketier und blickt mit verdoppeltem Stolz auf seine Waffe.

Aber die Reiterei hat darum ihre Bedeutung nicht verloren; sie hat nur ihre frühere Aufgabe, die auf dem Schlachtfelde lag, mit einer anderen, dem operativen Dienst vor der Front der Armee, vertauscht. Bei dieser selbständigen Thätigkeit kann jedoch auch sie der Feuerwaffe nicht entbehren; sie muß sich unter Umständen selbst ein Defilé öffnen; sie muß ein Dorf, eine vorgeschobene Stellung vertheidigen können, bis die Infanterie sie ablöst. In neuerer Zeit rüstete man daher die Kavallerie in allen Heeren anstatt mit der Pistole mit weittragenden Feuerwaffen aus, und auch sie erscheint jetzt fleißiger als ehedem auf den Schießständen. In Rußland hat man die gesammte Reiterei sogar geradezu in „reitende Infanterie“ verwandelt, denn die vorgeschriebene Ausbildung der russischen Dragoner stellt den Infanteriedienst vollgültig und gleichwerthig neben den kavalleristischen. Im deutschen und österreichischen Heere vermied man diese extreme Richtung glücklicher Weise und räumt auch heute noch der Wahrung des echten, alten Reitergeistes mit seinem schneidigen Drauflosgehen in der ganzen Ausbildung den ersten Rang ein. Und das mit Recht. Die reitende Infanterie wird, wie frühere Versuche gezeigt haben, stets bald zu einer schlechten Infanterie und zu einer noch miserableren Kavallerie. Die Leistungsfähigkeit des Reiters liegt nun einmal in erster Linie in der Schnelligkeit und Ausdauer seines Rosses; die Kraft des Infanteristen in seinen Beinen, denn diese gewinnen bekanntlich nach Napoleon’s treffendem Wort die Schlachten, und in seinem Gewehr – so wird es auch in Zukunft bleiben.




Blätter und Blüthen.


Ein deutscher Theaterintendant. In den „Venetianischen Epigrammen“ singt Goethe von seinem Weimar:

„Klein ist unter den Fürsten Germaniens freilich der meine;
Kurz und schmal ist sein Land, mäßig nur, was er vermag.
Aber so wende nach innen, so wende nach außen die Kräfte
Jeder; da wär’s ein Fest, Deutscher mit Deutschen zu sein.

Und was Goethe von dem weimar’schen Lande singt, das gilt noch heute von dem weimar’schen Theater, dessen Leiter August Friedrich Freiherr von Loën am 28. April dahingeschieden ist. Wir haben ein Bild und eine gedrängte Charakteristik des tüchtigen Mannes bereits früher gegeben (Jahrg. 1884, S. 381); heute müssen wir des obigen Spruches gedenken, denn mit den mäßigen Mitteln der weimar’schen Bühne hat er der Kunst Ersprießlicheres geleistet, als manche größere Hofbühne, der zu wünschen wäre, daß sie so „nach innen und außen“ die Kräfte wenden möchte.

Daß aber ein Theaterleiter litterarische Bildung besitzen muß, auch ein Hoftheaterintendant, wenn er mehr leisten will, als einen Sport für das Amüsement der Hofkreise zu bieten, wenn er aus der Hofbühne zugleich eine edlere Volksbühne herausgestalten will: das bewies Loën durch seine Theaterleitung, bei welcher er den engen Zusammenhang mit schöpferischen Kräften der neuen Dichtkunst und Musik stets zu wahren wußte, in denen er mit Recht das Trieb- und Schwungrad des ganzen Theaterwesens erblickte. Daß er aber die weimar’sche Bühne zu einem solchen Mittelpunkte zu machen verstand, dazu trug wesentlich seine Vertrautheit mit der neuen deutschen Dichtung und jene Bildung bei, die ihn selbst befähigte, gewandt und geistvoll die Feder zu führen.

Er ist zwar nicht, wie Laube und Dingelstedt, von dem Schreibpult zur Theaterleitung berufen worden: er war Officier und hatte schon seine Jugend in Hofkreisen verlebt, da sein Vater in Dessau, wo der Sohn am 27. Januar 1828 geboren wurde, Oberhofmarschall war. Als Officier machte der junge Loën den Feldzug in Schleswig mit und wurde nachher Adjutant des Erbprinzen von Dessau. Doch schon in dieser militärischen Stellung veröffentlichte Loën seinen ersten Roman „Bühne und Leben“, der warm für die idealen Bestrebungen des mit intimer Kenntniß gezeichneten Theaters eintrat und sich gegen den Schwindel auf jedem Gebiete des Lebens und der Kunst erklärte. Dabei war der Roman, wie auch Loën’s spätere Domäne, z. B. „Verloren und nie besessen“, in feinem Goethisirenden Stil geschrieben und enthielt viele schöne Gedanken in klarer Form. Als daher Loën an Stelle des nach Wien an das Burgtheater berufenen Dingelstedt 1867 die Intendanz des weimarschen Hoftheaters erhielt, da fielen bei einem litterarisch gebildeten Hofe seine schriftstellerischen Leistungen ebenso ins Gewicht wie seine Stellung als Kavalier und Officier, und man kann von ihm nicht sagen, wie von Hülsen, daß er direkt von der Kaserne aus an das Steuerruder eines Kunstinstituts berufen worden sei.

Seiner Direktion hat man in erster Linie die Aufführung der beiden Theile des Goethe’schen „Faust“ in der Devrient’schen Bearbeitung und die Veranstaltung eines Cyklus von Wagner-Opern nachgerühmt. Durch diese künstlerischen Thaten wurde allerdings ein großer Zustrom von Fremden nach Weimar gelenkt; aber in solchen äußerlichen Glanzpunkten, die man gleichsam als Knalleffekte bezeichnen könnte, sehen wir nicht das Hauptverdienst der Loën’schen Direktion, sondern in der steten Pflege des künstlerischen Geistes, welche die an der klassischen Stätte in Weimar doppelt weihevollen Aufführungen der klassischen Dichtungen bewiesen, unter

denen auch manche Goethe-Reliquie zum ersten Male in theatralischer

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