Seite:Die Gartenlaube (1887) 494.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Es war eine der größten geschichtlichen Thaten, in welche der Tölzer Ritter hier mit eingegriffen hatte. Vom Schlachtfelde zu Pavia heimgekehrt, durfte er sich nicht lange Rast gönnen; schon im folgenden Jahre finden wir ihn als Anführer eines auserlesenen Heeres, das der bayerische Herzog Wilhelm dem Könige der Ungarn, Ludwig, wider Sultan Soliman zu Hilfe sandte. Doch war die Tapferkeit der Bayern nicht im Stande, den König zu retten, der in der Schlacht von Mohacs Thron und Leben verlor.

Dem braven Tölzer ward wenig Dank für seine treuen Dienste. Lieber wär’s ihm gewesen, in offener Feldschlacht wider den Erbfeind der Christenheit zu streiten; statt dessen ward er fortan ein verlorener Posten der bayerischen Diplomatie. Fünfmal ward er in den folgenden Jahren seines Lebens als Gesandter nach Ungarn geschickt; aber zwischen seinem Herzoge und dessen Kanzler einerseits und den Intrigen fremder Diplomaten stehend, ward der treuherzige Kriegsheld des diplomatischen Lügenspiels bald herzlich müde. Vergeblich, denn immer und immer wieder muß er nach Ungarn, an den Hof und unter die Gesandten, während er doch weit lieber an der Seite seiner alten Waffengefährten, des Frundsberg oder Götz von Berlichingens, gestritten hätte.

Da wird dem Siebenundsiebzigjährigen noch ein unvermutheter Rittertod. Auf seiner Burg zu Brannenburg, das er als Lehen besaß, feiert der greise Held einen Besuch, den ihm ein Enkel des großen Frundsberg abstattet, durch ein Turnier. Im fröhlichen Waffenspiel will es ein unglücklicher Zufall, daß der Speer des jüngeren Frundsberg eine schlecht schließende Stelle der Rüstung Winzer’s trifft – und tödlich in die Schlagader des Halses getroffen, sinkt der edle Ritter vom Roß. In der Liebfrauenkirche zu Tölz hat er die ewige Ruhe gefunden.

So war der Lebenslauf des ritterlichen Kaspar von Winzer. Kaiser Max, Frundsberg, Götz von Berlichingen, Franz von Sickingen waren seine Kampfgenossen, das letzte Aufflackern des Ritterthumes bezeichnet seine Zeit. Jahrhunderte vergingen, bis man in seiner Heimath des Helden wieder gedachte. Als es aber galt, den im letzten großen Kriege gefallenen Tölzern ein Denkmal zu errichten, da wies ein geschichtskundiger Mann auf den Ritter von Winzer hin. (Vergl. „Leben und Thaten des Feldhauptmanns Caspar von Winzer“, Tölz 1887.) Und man sah ein, daß dieser treue vaterländische Held eine zum mindesten eben so geeignete Zierde für ein Kriegerdenkmal sei, wie irgend eine allegorische Viktoria. So ging man rüstig ans Werk, und nachdem die Kosten in hochherziger Weise aufgebracht worden, wurde das Denkmal modellirt und in der Münchener Erzgießerei gegossen.

Eine höchst eigenartige und glänzende Feierlichkeit war’s, als am 26. Juni 1887 dieses Denkmal enthüllt ward. Ein prachtvoller Frühlingstag lag über dem Isarthal und über dem freundlichen Tölz. Zu Fuß und zu Wagen, mit langen Bahnzügen und sogar auf dem Floße, den schäumenden Bergstrom herab, waren die Gäste zu Tausenden gekommen. Von allen Häusern wehten die Banner; von allen Seiten zogen Schützen- und Kriegervereine mit klingendem Spiel und fliegenden Fahnen herbei, zum Theile in der althergebrachten oberländischen Tracht. Als der Prinzregent selbst mit seinem glänzenden Gefolge eintraf, durch die donnernden Hochrufe des versammelten Volkes begrüßt, folgte der eigentliche Festakt. Er begann mit einer Feldmesse; hierauf zog ein ganz in Eisen gekleideter Ritter als Feldhauptmann Winzer einem Fähnlein Landsknechte voraus und bildete eine Ehrenwache um das Denkmal und um die Festtribüne. Während der nun folgenden Festrede ward unter Kanonendonner und Glockengeläute das Denkmal enthüllt. Mitten in der sanft zur Isar abfallenden Hauptstraße von Tölz leuchtet jetzt das schimmernde Standbild des wackeren Helden, die Hand am Speer, die scharfen Augen ins Isarthal hinabgerichtet, als gält’ es, einen herannahenden Feind zu erspähen. Auf dem Granitsockel des Standbildes aber prangen auch die Namen der braven Söhne von Tölz, die im Jahre 1870 bis 1871 im Kampfe den Heldentod fanden. M. H.     




Magdalena.

Von Arnold Kasten.
(Fortsetzung.)
5.

Früh am andern Morgen trabten drei flinke Pferde im herrlichsten Sonnenschein die Landstraße entlang und von ihrem Rücken herunter klang lustiges Scherzen und Gelächter der jungen Reiter. Komtesse Gabriele wußte sich vor Glück nicht zu fassen, schwang die Reitpeitsche in die Luft, freute sich jubelnd über die Blüthenbäume am Wege und versicherte ihrem Lehrer lachend, ein solcher Morgen sei ihr lieber als die ganze Völkerwanderung sammt Ost- und Westgothen und dem großen König Theodorich. „Heissa, Othello! so gut ist es uns lange nicht geworden!“ Sie klopfte, sich vorbeugend, dem schönen Thiere liebkosend den Hals und wandte sich dann wieder glückselig lächelnd dem jungen Lehrer zu, der große Anstrengungen nöthig hatte, um manchmal auch anderswohin zu sehen, als in ihre strahlenden Augen.

Wie bald schon sollte dies Alles vorüber sein! Um so unwiderstehlicher war das Verlangen, diesen letzten Tag zu genießen, der so schön zu werden versprach!

Sogar Hans hatte seine gewöhnlichen Ungezogenheiten heute zu Hause gelassen und horchte, nahe an Richard’s anderer Seite reitend, den gelegentlichen Bemerkungen desselben über Wald und Wild. Man ließ die Thiere, da es jetzt bergan ging, im Schritte gehen, und an das Nächste anknüpfend, gab Richard eine Menge eigener Erinnerungen und Jugenderlebnisse zum Besten, so daß allgemach das verwöhnte Grafensöhnchen ordentlich ein Neid ankam über das Leben, das diese Oberhauser Pfarrersjungen auf ihrem Dorfe geführt hatten! Ottern fangen, junge Füchse aufziehen und beim Eisgang ums Haar ertrinken: das war doch etwas Anderes, als auf Kinderbällen tanzen oder mit dem einfältigen Bodo Helmstatt im Garten Velocipede fahren! Da hätte er auch dabei sein mögen!

Seine Schwester betrachtete inzwischen mit raschen Seitenblicken, wie ritterlich der schlanke Doktor im Sattel saß. Endlich hatte sie doch einmal ihren Willen durchgesetzt, und wirklich, er sah doch heute ganz anders aus! Wo hatte er nur die hohen Reitstiefel her und den kecken, kleinen Filzhut, der so gut zu seinem dunklen Haar stand? Keiner der aristokratischen Bekannten hätte über sein Aussehen die Achseln zucken können – und im Uebrigen: welcher Unterschied zwischen ihm und dem jungen Baron Rothenburg oder dem Grafen Rattwitz, die manchmal sie und den Papa beim Spazierritt begleiteten! Deren Redensarten kannte sie alle auswendig, aber Alles, was Er sagte, kam ihr so interessant, so bedeutend vor, wie sie noch nie einen Menschen hatte reden hören. Ihr junges Herz fühlte sich unbeschreiblich glücklich in seiner Nähe, und sie gab sich diesem süßen Gefühle völlig hin, ohne Skrupel und Bedenken, mit der ganzen Unmittelbarkeit ihrer lebhaften Natur. Die Welt war ja so schön und es war ein so köstliches Gefühl, an seiner Seite in diese schöne Welt hineinzureiten.

So ging eine Stunde in Glück und Fröhlichkeit dahin. Der Weg hob sich mehr und mehr, der Hochwald schloß die Straße ein, endlich erschien in der Lichtung das Schlößchen Taxenbach, ein zur Sommerszeit sehr beliebter Vergnügungsort. Die Pferde trabten schneller dem wohlbekannten Ziele zu; nur noch zehn Minuten brauchte es jetzt, erst den Berg hinab, dann über die Brücke und jenseits wieder hinauf.

„Reiten wir zur Wette!“ rief Gabriele übermüthig und versetzte ihrem Othello einen Schlag mit der Peitsche. „Hopp, allez!“ und dahin ging es, den langen Straßenkurven nach. Doktor Reiter gab seinem Pferde die Sporen, und das feurige Thier nahm sofort die tête und flog voraus, zur Brücke hinunter, wo er zuerst anlangen wollte, um dem Wettrennen ein Ziel zu setzen. In wenigen Sekunden schoß Ali um die letzte Biegung – aber wo war die Brücke hingekommen? Das vom Regen geschwellte, breiter und lebhafter strudelnde Bächlein gab die Antwort, seine geringe Tiefe aber machte es leicht, zu Pferde hinüber zu kommen. Richard lenkte das seinige durch und rief den beiden eben Heranbrausenden zu: „Hier herüber, das Wasser ist nur ein paar Zoll tief!“

Hans war im nächsten Augenblick an seiner Seite, Gabriele aber rief lachend. „Nun sollen Sie einmal sehen, was mein Othello kann!“

Sie zwang das Pferd ein paar Schritte zurück – Richard wollte rufen, warnen, in demselben Augenblick hatte er nur noch einen blitzschnellen Eindruck von den gehobenen Vorderhufen des Pferdes, darüber die lachenden Augen und das fliegende Haar, dann – ein Dröhnen im Grunde, ein Klatschen im Wasser: Othello sprang los und ledig den Uferabhang hinauf. Blitzschnell war der Doktor abgestiegen, war auf die regungslos zwischen den Ufersteinen liegende Gabriele zugeeilt und hatte sie mit seinen Armen umfaßt, während ihr langes Kleid mit den Wellen strömte.

Aber nur einen Augenblick blieb sie regungslos, während er sich ängstlich über sie beugte und sie mit Fragen bestürmte, ob sie sich wehe gethan habe? Dann raffte sie sich lebhaft empor und

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 494. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_494.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)