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verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

der Kneiphöf’schen Langgasse, wo ihre Wiege stand, spielt auch die Haupthandlung ihres Romans. Natürlich ist die ostpreußische Hauptstadt eben so anschaulich wie anheimelnd geschildert. Diese Patricierhäuser des Kneiphofs mit ihren „Wolmen“, das grüne Thor, welches in die Vorstadt führt, der Blick auf den Pregel, auf die Speicherviertel, dann wieder das Schloß mit dem großen innern Hofe, mit seinen Gerichtssälen und Weinkellern, das Rathhaus der Altstadt: das Alles tritt in scharf umrissener Zeichnung vor uns hin, und gerade so liebevoller Detailmalerei folgen wir mit wachsender Theilnahme; denn die Kunst dichterischer Darstellung besteht ja zum großen Theil darin, uns so vertraut zu machen mit Allem, was die Phantasie des Dichters beschäftigt, daß wir gleichen Antheil nehmen an den von ihm geschilderten Personen und Vorgängen wie er selbst. Das erreicht er aber nicht durch flüchtige Berührung, sondern durch eingehendes Verweilen – und hierin besteht besonders die Aufgabe des Romandichters.

Die geschichtlichen Ereignisse selbst werden nur in so weit dargestellt, wie sie in die Schicksale der Stadt Königsberg und der Familie eingreifen, für welche Fanny Lewald in erster Linie unsern Antheil in Anspruch nimmt. Sie giebt keine glänzenden Schlachtgemälde, keine pomphafte Schilderung von Haupt- und Staatsaktionen; Kaiser Napoleon, Königin Luise, König Friedrich Wilhelm III. erscheinen nur mit flüchtigen Umrissen an den Rand des Bildes hingezeichnet; dagegen sind die kriegerischen Genrebilder, der Einzug der Truppen, die Einquartierung der Franzosen, der Brand der Vorstädte mit lebhaftem Kolorit geschildert und vor Allem sind die Stellung der Zeit, der Einfluß der Weltbegebenheiten auf die kaufmännischen Interessen, das Erwachen des patriotischen Geistes, der Tugendbund und die befreienden Thaten der Gesetzgebung in die Handlung verwebt. Fanny Lewald ist eine Jüngerin des ostpreußischen Liberalismus und für alle Emancipationsgedanken des Jahrhunderts begeistert.

Ihr Held, der alte Darner, ist ein mecklenburgischer Höriger, der flüchtig geworden, nachdem er einen Todtschlag vollführt, im seemännischen und kaufmännischen Leben dann in die Höhe gekommen ist und sich in der Stadt am Pregel niederläßt. Der reiche Kaufmann wird in den Kreisen der angesessenen Patricier scheel angesehen und trotz seines Reichthums nicht für ebenbürtig gehalten. Gleichwohl gelingt es seinem Sohne, nach schweren Kämpfen die Nichte eines angesehenen Kaufmanns heimzuführen. Diese Konflikte des ersten Bandes sind ein Roman für sich und der spannendste Theil des Ganzen. Die Schicksale der Töchter Darner’s, besonders der schwärmerischen Dolores, die einen griechischen Kaufmann heirathet und mit diesem nach Venedig zieht, sind romanhaft genug: ihr Gatte hat eine alte Leidenschaft für eine vornehme Dame und fällt im Duell mit einem Nebenbuhler; Dolores selbst trägt im Herzen die Liebe zu einem jungen Adeligen, der auf sein Majorat verzichtet hat und am Schluß die schöne Wittwe als Braut in die Arme schließt. Die andere Schwester Virginie liebt einen preußischen Officier, der den Heldentod auf dem Schlachtfelde stirbt. Daß ein junger Kaufmann aus den Kreisen der vorurtheilsvollen Patricier eine Jüdin heirathet, ist ein Trumpf, den Fanny Lewald sich nicht entgehen läßt, um auch nach dieser Seite den liberalen Tendenzen zu huldigen. Der Roman fesselt uns namentlich durch seine gelungenen militärischen Genrebilder und viele treffende Beobachtungen und lebenswahre Darstellungen, welche die Verfasserin geschickt in die Handlung hineinzuweben verstand.

Nach dem Gewitter.
(Mit Illustration S. 489.)

Das Wetter ist niedergegangen,
Die Wolken, die grollend und grau
Ins schwüle Gebirge gehangen,
Sie stillten der Wälder Verlangen,
Gelöst in unendlichen Thau;
Der Himmel ward heiter und blau.

Wohl zittern wie flammend die Lüfte,
Doch kühlet ein Wehen sie lind
Und trägt durch die dampfenden Klüfte
Der Kräuter gewürzige Düfte;
Wo rege die Wipfel noch sind,
Erschauern die Sträucher im Wind.

Breit fluthet der Bach von den Fällen,
Der wirbelnd im Thale noch schwillt;
Rings tausend lebendige Quellen
Enteilen mit murmelnden Wellen:
Der Balsam, der köstliche, quillt,
Der Durst ist in Strömen gestillt.

Martin Greif.

Kleine Bilder aus der Gegenwart: Zwei unpolitische „Kongresse“. (Mit Illustration S. 497.) Wenn die beiden Versammlungen, welche in den Tagen vom 25. bis 27. beziehungsweise 28. Juni d. J. in Leipzig tagten, überhaupt als „Kongresse“ bezeichnet werden dürfen, so waren es jedenfalls solche, welche den Weltfrieden in keiner Weise zu gefährden vermochten, vielmehr ihre Aufmerksamkeit der Lösung von Aufgaben zuwandten, die mit diplomatischen Problemen durchaus nichts zu thun hatten.

Die eine der Versammlungen, welche sich officiell als „Kongreß“ bezeichnete, tagte in den Räumen der „Centralhalle“, und der große Saal dieses Etablissements bot ein eigenartiges Bild: 170 Tische standen dicht gedrängt neben einander, und an ihnen wetteiferten 680 Personen im edlen Skatspiel. Die „Arbeit“ war sichtlich eine harte und nahm die volle Aufmerksamkeit der Betheiligten in Anspruch; es handelte sich um nicht weniger als 80 Spiele an jedem Tische, und neben der Ehre, sich als gute Skater zu bewähren, standen für die Sieger ansehnliche Preise in verlockender Aussicht. Das Rundbild oben rechts auf unserer Illustration führt drei solche Skater vor, während der Künstler unmittelbar darunter eine Scene aus dem Gedränge giebt, das bei Eröffnung der „heiligen Hallen“ vor dem Eingang zum Turniersaal entstand.

Das „II. Preiskegelfest des Verbandes deutscher Kegelklubs“ bot ein farbigeres Bild: die originellen Kostüme der Kegler mit allerlei humoristischen Aufschriften, die bunten, oft wunderlich verzierten Kopfbedeckungen, wie sie auf dem Mittelbilde unserer Illustration angedeutet sind, boten eine reiche Abwechselung. Das Komité hatte dafür gesorgt, daß es an unterhaltenden Festlichkeiten nicht fehlte, und der Krystall-Palast mit seiner „Alberthalle“ (dem neuerbauten Cirkus), seinem schönen Garten und seinen großen Sälen war für eine frohe Gesellschaft der rechte Ort. Das Interesse für die Festaufführungen wurde durch deren Beziehung zum Kegelsport gehoben, und besonders der von Tänzerinnen des Stadttheaters ausgeführte Kegeltanz fand reichen Beifall. Für das Preiskegeln waren im Zoologischen Garten 9 Bahnen erbaut worden, auf welchen sich gegen 1400 Kegler maßen, deren Eifer durch eine bedeutende Anzahl recht werthvoller Preise erhöht wurde. Mancher gute „Schieber“ warf allerdings statt der beliebten „Neune“ wohl auch eine „Ratte“ und erntete statt des winkenden Preises mehr oder minder verdienten Spott; doch das that der guten Laune keinen Abbruch, und der Verlauf der harmlosen Festlichkeiten war ein im Ganzen befriedigender. **

Schach.
Von Konrad Erlin in Wien.

SCHWARZ

WEISS

Weiß zieht an und setzt mit dem vierten Zuge matt.
Auflösung der Schach-Aufgabe auf S. 468.
Weiß: Schwarz: Weiß: Schwarz:
1. S g 8 – f 6 L d 7 – c 6 1. L d 7 – b 5
2. D c 4 – d 4 : † K c 5 – d 4 : 2. D e 4 – d 4 : † K c 5 – d 4 :
3. T b 6 – b 4 : † beliebig. 3. T b 6 – d 6 : † beliebig.
4. S resp. T setzt matt. 4. S resp. T setzt matt.

Varianten. a) 1. … d 6 – d 5, 2. a 7 !, d 5 – e 4:, 3. S e 4 : † etc. – b) 1. … T d 2 :, 2. D b 7 :, d 4 – d 3, 3. T b 4 : ! etc. – c) 1. … K b 6 :, 2. D b 7 : †, a 5, 3. K a 7 etc. – d) 1. … S e 3 zieht, 2. D d 5 †, K b 6:, 3. S c 4 † etc. – e) 1. … L c 8 (L f 4 :, T h 8 oder T h 6), 2. K a 7, L b 5 (T d 2 :), 3. D d 5 † ! etc. oder falls 2. … L c 6, 3. S d 3 † etc. – Sonstige Züge werden mit 2. K a 7 oder 2. D b 7 : etc. erledigt, außer 1, … b 4 – b 3, worauf nur 2. D b 7 : entscheidet. Ohne weiß B a 2 würde die Aufgabe wege 1. … L e 6 !! unlösbar sein. Eine prachtvolle, meisterhafte Komposition!


Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

Dr. S. in Breslau. Sie haben Recht: Dr. Pasteur in Paris hat kein sonderliches Glück mit seinen Impfungen mit Wuthgift; es ist eine beträchtliche Zahl der von ihm Geimpften an der Tollwuth gestorben. Gleichwohl wird in Paris eine großartige Wuthgiftanstalt begründet. Die Sammlung dafür hat bis jetzt gegen 2 Millionen Franken ergeben und es ist ein Grundstück von 11 000 Quadratmetern für diesen Zweck angekauft worden.

Ameisen. Auf unsere vor Kurzem erlassene Anfrage, wie man am besten Ameisen aus Küche und Zimmer vertreibt, sind uns zahlreiche Antworten zugegangen. Es erhellt aus denselben, daß folgendes Mittel das zuverlässigste sein dürfte: man verschafft sich einen großen Schwamm, wäscht und drückt denselben gehörig aus, läßt ihn trocknen, worauf er seine Zellen weit offen lassen wird. Man streut nun weißen Zucker reichlich auf und in die Zellen des Schwamms und legt letzteren an Orte, die von Ameisen belästigt werden. Die Ameisen sammeln sich auf diesem Schwamme und siedeln sich sogar in demselben an. Den Schwamm wirft man sammt den Ameisen in siedendes Wasser, wäscht ihn von Neuem aus, bestreut ihn wieder mit Zucker und wiederholt das Verfahren. Auf diese Weise wird man der Ameisen in kürzester Zeit Herr, da dieselben so leicht nach Hunderten und Tausenden getödtet werden und ihre Nester an Entvölkerung zu Grunde gehen.

S. H. P. E. Marlitt’s „Goldelse“ erschien im Jahrgang 1866 der „Gartenlaube“.

B. L. in R. Unseres Wissens giebt es nur wenige Fabriken in Deutschland, welche Wolfram und Wolframpräparate liefern; ausschließlich mit der Herstellung derselben beschäftigt sich nur die Fabrik von Theodor Kniesche in Roßwein im Königreich Sachsen, welche täglich 250 Kilogramm zu liefern im Stande ist und dadurch der ausländischen Konkurrenz wirksam die Spitze bietet. Wolfram wird namentlich in der Stahl- und Eisenfabrikation verwendet.


Inhalt: Der lange Holländer. Novelle von Rudolph Lindau (Fortsetzung). S. 485. – Spiritisten und Taschenspieler. S. 491. – Tölz und sein „goldener Ritter“. Mit Illustration S. 493. – Magdalena. Von Arnold Kasten (Fortsetzung). S. 494. – Blätter und Blüthen: Der deutsche Schulverein. Von Friedrich Hofmann. S. 499. – Marcella Sembrich. S. 499. Mit Portrait S. 485. – Die Familie Darner. S. 499. – Nach dem Gewitter. Gedicht von Martin Greif. S. 500. Mit Illustration S. 489. – Kleine Bilder aus der Gegenwart: Zwei unpolitische „Kongresse“. S. 500. Mit Illustration S. 497. – Schach. S. 500. – Auflösung der Schach-Aufgabe auf S. 468. S. 500. – Kleiner Briefkasten. S. 500.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1887, Seite 500. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_500.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2023)