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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Gesellschaft anderer Passagiere vermeiden wollte, die er auf der „Costarica" unfehlbar angetroffen haben würde – Büchner zog es vor, mit der „Aurora Belisle“ zu fahren und sich wegen der Zahlung des Ueberfahrtsgeldes mit mir zu verständigen.

Die letzte Stunde seines Aufenthaltes in Yokohama verbrachte Buchner mit Jenkins, dem er bei dieser Gelegenheit auch den Inhalt von Prati’s Brief mittheilte. Dazu bemerkte er, daß er nun, Dank seinem Partner, am Ende des Jahres ziemlich genau wieder in derselben Lage sein werde wie vor seinem Austritt aus dem Hause Rawlston & Co.

„Ich besaß damals achttausend Dollars,“ sagte er, „die durch einen Unglücksfall verloren gingen. Die achttausend Dollars habe ich wieder bekommen, das Unglück kann nicht wieder gut gemacht werden.“

Es war dies die erste Anspielung auf seine Vergangenheit, die Jenkins von ihm hörte.

„Alles kann wieder geheilt werden,“ tröstete er freundlich.

Büchner schüttelte den Kopf. „Wenn mir ein gesunder Zahn ausgeschlagen worden ist, so kann ich mir einen falschen einsetzen lassen, den Fremde für einen gesunden ansehen mögen; aber die Bekannten wissen, daß es ein falscher Zahn ist. Und wenn sie es auch vergessen wollten, ich müßte doch jeden Abend und jeden Morgen daran denken."

(Fortsetzung folgt.)




Das deutsche Jubiläumsschießen in Frankfurt am Main.

Von Emil Peschkau. 0 Mit Illustrationen von Fritz Bergen.

Ein Volksfest in des Wortes schönster Bedeutung ist in den ersten Julitagen in der alten Kaiserstadt am Main gefeiert worden. Nicht bloß ein „Fest“ in großartigem Maßstabe, ein Fest, das eine Fülle bunter Bilder, ein bewegtes Menschentreiben, fröhlich anmuthende Volksscenen bringt, das Hoch und Nieder, Arm und Reich bei heiterem Spiel vereint und das Alltagsleben für ein paar Stunden oder Tage hinter schimmernden Märchenschleiern entschweben läßt, sondern eine nationale Feier voll schöner großer Erinnerungen und nicht ohne praktischen Werth für die Zukunft. Hat sich das Ideal, das einst die deutschen Schützen zu einem Bunde vereinte, inzwischen auch verwirklicht, ist aus dem zerklüfteten Staatswesen auch längst ein einiges, mächtiges, großes Reich geworden, beseelt das Gefühl der Zusammengehörigkeit auch alle Bewohner dieses großen Reiches in Nord und Süd und Ost und West, so sind doch Gelegenheiten, bei welchen dieses Gefühl sich bethätigt, bei welchen es neue Nahrung empfängt und in lebhafteren Flammen emporschlägt, um so weniger gering zu schätzen, als ja alle diese Stämme in ihrem Wesen zum Theil so verschieden geartet sind, daß auch mit dem Trennenden der Charakteranlage und nicht bloß mit dem einigenden Band der Nationalität und Sprache gerechnet werden muß. Und deßhalb ist es auch in einer Zeit erfüllter Ideale sicher nicht ohne Bedeutung, wenn die äußerlich Geeinten sich auch innerlich näher treten, und es wird wohl keinen Theilnehmer an diesem Feste geben, der nicht gerührt und ergriffen wurde, wenn er sah, mit welchem Jubel gerade die Fernerstehenden begrüßt wurden, wie herzlich sich die stämmigen Gestalten, die von den blauen Gletschern der Alpen herkamen, zu den Männern fanden, deren zartgesäuseltes st und sp den Söhnen des Südens wie ein Weltwunder erscheint. Und zu dieser Vereinigung und Verbrüderung kam die Erinnerung an das erste Fest, das vor fünfundzwanzig Jahren den kurz vorher gegründeten deutschen Schützenbund in Frankfurt zusammenführte – der Gedanke an die ereignißreiche Spanne Zeit, der immer und immer wieder mit ernstem Klange aus den Festreden tönte und den auch die Jubiläumsgruppe des Festzuges und die ehrwürdigen Gestalten der „Jubiläums-Schützen" wach erhielten. Fünfundzwanzig Jahre! Ein furchtbares Gewitter ging damals dem Feste voran, ein Orkan, der aus dem Festplatz eine Stätte der Zerstörung machte und sogar Opfer an Menschenleben gekostet hatte. Ein Symbol dieser ereignißreichen fünfundzwanzig Jahre! Diesmal lachte die Sonne zu dem neunten Bundesschießen. Ruhig konnte die kleine Feststadt im Norden Frankfurts emporwachsen, und kein Wölkchen trübte den klarblauen Himmel, als die Gäste ihren Einzug hielten. Möchte auch das ein Symbol für die Zukunft sein! Dieser Einzug bildete natürlich den Höhepunkt des Festes nach außen hin. Nicht bloß ganz Frankfurt war an diesem Tag – dem ersten Juli-Sonntag – auf den Beinen; von allen Windrichtungen her brachten fast endlose Eisenbahnzüge die Bewohner der Umgebung, die Landleute vom Main, aus der Wetterau, dem Odenwald, die Städter aus Wiesbaden, Mainz, Darmstadt, Offenbach etc., und schon am frühen Morgen strömten in den festlich geschmückten Straßen unabsehbare Menschenmengen hin und wider. Dann, als der Festzug, der sich jenseit des Mains, in Sachsenhausen, aufgestellt hatte, über die alte Brücke herüberzog, war der Verkehr in den Straßen längst ins Stocken gerathen, und wie Mauern standen die Menschenmassen zu beiden Seiten der Fahrdämme.

Es waren aber auch unvergeßlich schöne Bilder, die sich da dem Auge boten: hier im alten Frankfurt die enge winkelige Gasse mit den alterthümlichen, schlank in die Höhe geschossenen Giebelhäusern, dort in dem neuen Stadttheil die lange Flucht prächtiger Paläste – Alles mit Guirlanden und Kränzen, mit Grün und Blumen, mit Fahnen und Fähnchen, mit Wappenschildern und Bildwerken geschmückt, und als schönster Schmuck in den zahllosen Fenstern ein reizendes Köpfchen neben dem andern. Dann der Regen von Blumen, der sich auf die Einziehenden ergoß, das Tücherschwenken und die freudigen Zurufe, die strahlenden Gesichter oben und unten, die Küsse, die von den galanten Schützen nach den Fenstern hinauf gesendet wurden, die fröhlichen Klänge der Musikkapellen, die farbigen Einzelbilder des Zuges und der milde, sonndurchglänzte Himmel darüber! Länger

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 507. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_507.jpg&oldid=- (Version vom 7.8.2023)