Seite:Die Gartenlaube (1887) 548.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Ein anderes Mal begegnete ihm bei Verlassen des Hauses vor der Hausthür ein Fremder. Derselbe fragt ihn sehr höflich, ob hier Professor Neander wohne und ob derselbe zu Hause sei? – Neander erwiedert höflich und scheinbar mit allem Bedacht: „Jawohl, er wohnt hier; klingeln Sie nur und fragen Sie, ob er zu Hause ist.“

Dem verstorbenen Komponisten Amilcare Ponchielli wird eine phänomenale Zerstreutheit nachgerühmt. Nach der Erstaufführung seiner „Promessi sposi“ eilte er auf die Bühne, um der Trägerin der Hauptrolle, der Sängerin Brambilla, die er später heirathete, sein Entzücken auszusprechen, und anstatt der Primadonna umarmte er eine alte Choristin. – In einem Koncerte, dessen Programm auch den „Stundentanz“ aus „Gioconda“ enthielt, wurde nach einer Nummer stark applaudirt. Ponchielli, aus seinen Träumen aufgeschreckt, verneigte sich dankend; man hatte aber Wagner’s „Tannhäuser-Marsch“ gespielt. In seiner Zerstreutheit passirte es ihm sogar, daß er einmal ein Polkamotiv orchestrirte und öffentlich aufführte, welches er unter seinen Notizen und Manuskripten fand, in der Meinung, es rühre von ihm her. Es war aber eine Polka von Strauß.

Von einem noch lebenden Staatsmann wird erzählt, daß ihm in Gesellschaften seine Zerstreutheit die ärgsten Possen spielt. So blieb er auf der Soirée in einem fremden Botschafterhôtel, nachdem sich alle Gäste entfernt hatten, allein mit dem Herrn des Hauses zurück, stets bestrebt, denselben zu unterhalten. Viertelstunde um Viertelstunde verging, der zerstreute Diplomat traf keine Anstalten, sich zu empfehlen. Die Unterhaltung wurde immer mühseliger und – langweiliger. Endlich nach einer peinlichen Stunde sagte er: „Wenn Excellenz befehlen, so lasse ich Ihren Wagen vorfahren!“ Der Unselige hatte bis dahin gemeint, er befinde sich in seinem Hause und müsse den Aufbruch des Botschafters in Ruhe abwarten.

Professor Mommsen’s Zerstreutheit, eine Folge seiner Vertiefung in die Arbeit, ist bekannt, man erzählt Wunderdinge davon; er soll z. B. einmal bei einem Friseur eine Kürzung seiner Philosophenfrisur veranlaßt haben, und als der Friseur die Operation für beendigt erklärte, sah Mommsen in den Spiegel und setzte sich wieder hin. Dabei gab er die trockene Weisung: „Sie sind zu kurz, ich wünsche sie länger!“ – Eben so passirt es dem gelehrten Herrn oft, daß er Briefe, die er bei seinen Ausgängen mit sich nimmt, um sie aufzugeben, am Abend in seinem eigenen Briefkasten an der Wohnungsthür wiederfindet.

Der Tabak und die Nerven. Man hat den Tabak vielfach als ein Volksgift bezeichnet, als ein Gift, das zwar eine gewisse Gewöhnung zuläßt, dessen ungeachtet jedoch im Laufe der Zeit seine üblen Wirkungen äußert. Von anderer Seite wurde dagegen der schädliche Einfluß des Tabakgenusses bestritten. Seitdem die Nervenschwäche eine so große Verbreitung unter den civilisirten Völkern erlangt hat, wurde das Rauchen vielfach mit derselben in Verbindung gebracht. Die Ansicht eines Specialarztes für Nervenleiden über diese Streitfrage dürfte darum für Freunde und Feinde des Rauchens gleich interessant sein. Dr. L. Löwenfeld schreibt unter Anderem in seiner soeben erschienenen Broschüre „Die moderne Behandlung der Nervenschwäche“ (Wiesbaden, J. F. Bergmann) ungefähr Folgendes:

Uebermäßiger Tabakgenuß vermag zweifellos das Nervensystem in nachtheiliger Weise zu beeinflussen; er führt insbesondere Störungen der Herzthätigkeit sowie eine eigenthümliche Unruhe und Appetitlosigkeit herbei. Mäßiges Rauchen wird dagegen unstreitig von sehr vielen Menschen ohne jedweden Schaden ertragen. Und nicht bloß dies! Mäßiger Tabakgenuß kann auch in verschiedenen Beziehungen sich nützlich erweisen.

Das Rauchen vermag bei vielen Personen Zustände gesteigerter nervöser Erregbarkeit zu mildern und an die Stelle lästiger Unruhe eine behagliche Gemüthsstimmung zu setzen. Neben den beruhigenden besitzt der Tabak aber auch anregende Eigenschaften: er ist im Stande, die geistige Arbeitsfähigkeit wie die körperliche Ausdauer zu erhöhen und in gewissem Sinne als Surrogat für Nahrungsmittel einzutreten. Bei nicht wenigen Menschen endlich übt der Tabak auf die Verdauung und Stuhlentleerung einen entschieden günstigen Einfluß aus.

Daraus ergiebt sich, daß wir nur das übermäßige Rauchen bekämpfen müssen. Nervenleidende sollen nur leichte Cigarren und von solchen im Allgemeinen nicht mehr als drei Stück täglich rauchen. Gänzliche Untersagung des Tabakgenusses muß aber vor allem in den Fällen eintreten, in welchen nervöse Störungen der Herzthätigkeit oder eine Neigung zu solchen vorhanden sind. *     

Grausame Strafen für Wilddiebe. Herzog Galeazzo Sforza von Mailand zwang den Dieb eines Hasen, denselben roh mit sammt dem ganzen Balge aufzuessen, an welcher Mahlzeit der arme Kerl gar jämmerlich gestorben ist. Herzog Vitolt von Littauen ließ die Verurtheilten lebendig in Bärenhäute einnähen und dann von Hunden hetzen und zerreißen. Der Erzbischof Michel von Salzburg nahm statt der Bärenhaut eine Hirschhaut, ließ den eingenähten Wilddieb auf den Markt bringen und dort zerreißen. Andere wurden lebend auf Hirsche geschmiedet, welche dann in Freiheit gesetzt wurden. So sah man 1666 in der Wetterau in einem Saatfeld einen Hirsch, auf welchem ein Mann in Ketten verwahrt saß, ganz blutig, mit zerrissenen Kleidern und zerfleischtem Leib, der ohne Unterlaß rief: „Ach, nehmt mir doch mein Leben, daß ich der unerträglichen Straf’, die ich nun in den dritten Tag ausgestanden, abkommen möge.“

Ebenso unmenschlich gingen die englischen Könige Heinrich II. und Richard I. mit Denjenigen um, die unberechtigter Weise gejagt hatten: es wurden ihnen nicht nur die Augen ausgestochen, sondern sie wurden auch noch auf andere bestialische Weise verstümmelt. Recht liebenswürdig war ein Herr am Rhein, der einen seiner Unterthanen, welcher ein Wildschwein erlegt hatte, zur Winterszeit in den Rhein jagte, wo er so lange stehen mußte, bis er eingefroren war. Trotzdem kam derselbe mit dem Leben davon, wenn er auch schwer an den Folgen dieser unmenschlichen Behandlung zu tragen hatte. Ein anderer Herr ließ einen Bauern aus demselben Grunde nackt ausziehen, an einen Baum binden und dort erfrieren. Die Gesetze kannten solche scheußliche Strafen nicht; es waren eben nur Willkürakte einzelner Herren, gegen welche die armen Bauern machtlos waren.

„Solche Wütheriche,“ sprach ein Eiferer gegen diese Grausamkeiten, „werden gemeiniglich dem Strick des höllischen Jägers zu Theil und ein fettes Wildbrät des Satans werden, wornach die bösen Geister ihre schwarzen Finger und Klauen lecken.“


Allerlei Kurzweil.


Schach.
Von Fr. Dubbe in Rostock.
SCHWARZ

WEISS

Weiß zieht an und setzt mit dem dritten Zuge matt.


Auflösung der Schach-Aufgabe auf S. 500.
Weiß: Schwarz: Weiß: Schwarz:
1. S g 3 – c 4 K d 4 – c 5 : 0 1. c 6 – f 5 :
2. D g 5 – e 3 : a) e 6 – f 5 : 0 2. D g 5 – f 5 : beliebig.
3. S c 4 – f 6 + K zieht. 0 3. S e 5 – c 6 + K d 4 – c 4 :
4. B, B setzt matt. 0 4. D f 5 – f 7 : (e 6) matt.

a) Weiß droht mit 3. D c 3 † oder g 3 † etc. – Auf 1. … g 7 – g 6 folgt 2. D d 8 †, K : S, 3. D c 7 : †, K d 4, 4. D c 5 matt. Falls 1. … c 7 – c 6 (c 5) so 2. D d 8 † nebst 3. D d 6 matt. Oder falls 1. … f 7 – f 6 so 2. S c 6 †, K c 4 :, 3. L c 6 : matt. – Die Vereinigung der beiden schönen Ideenspiele ist in höchst geschickter Weise und mit wenigen Mitteln prächtig durchgeführt. Ein feines Stück!


Räthsel.

Er kommt, er kommt, er ist herein,
Herz, klopfe nicht so sehr!
Es schwebt wie Frühlingssonnenschein
Die Freude um ihn her.
Des höchsten Glückes ganze Huld,
Die Alles macht genesen,
Wirst du mit heißer Ungeduld
Auf seinen Zügen lesen.
Denn immer offner liegt sein Herz,
Je weiter du gedrungen,
So daß die Freude fast ein Schmerz,
Wenn du ihn ganz verschlungen.

Drum liesest du nochmals zurück,
Ob nicht die Augen trügen,
Und trinkst dasselbe Himmelsglück
Nochmals aus allen Zügen,
Die alle zwar nur ausgewählt
Aus fünfundzwanzig Zeichen,
Zu Zauberworten doch vermählt,
Zu Bildern ohnegleichen.
„O Herrlicher, der ihn gesandt!
O weh, daß ich hier festgebannt!
Wie gern, zu danken, flög’ ich hin,
Weh, daß ich ohne Flügel bin!“
 J. G. Fischer.


Vorsetz-Räthsel.

Oftmals hast du’s gehört, doch nimmer erschaut es dein Auge;
Setze ein Zeichen ihm vor, sieh’, dann war’s König am Nil.


Kleiner Briefkasten.

(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

S. in W. Um einen wasserfesten Kitt für Glas zu bereiten, löst man zunächst Hausenblase in schwacher Essigsäure auf. Außerdem bereitet man sich eine Lösung von feinstem Mastix in hochgradigem (95 procentigem) Sprit. Beide Lösungen müssen möglichst koncentrirt hergestellt werden. Zum Gebrauch mischt man dieselben, bestreicht damit die Bruchflächen und drückt sie fest auf einander.

H. T. in Crefeld. Auf eingezogene Erkundigung hin wurde uns von der hiesigen kaiserlichen Ober-Postdirektion mitgetheilt, daß eine Annahme von weiblichen Personen zur Beschäftigung im Reichs-Telegraphendienst schon seit längerer Zeit nicht mehr stattfindet.

Diskretion, Wien. Leider nicht geeignet. Besten Dank für das Anerbieten.



Inhalt: Der lange Holländer. Novelle von Rudolph Lindau (Schluß). S. 533. – Mittagsruhe in der Sommerfrische. Illustration. S. 533. – Kleine Bilder aus der Gegenwart. Das fescheste Zeugl. Mit Illustration. S. 540. – Entdeckungsfahrten des deutschen Dampfers „Samoa“. VI. (Schlußartikel.) Längs der unbekannten Nordküste. b. Von Berlinhafen bis Humboldt-Bai. Für die „Gartenlaube“ mitgetheilt von Dr. O. Finsch (Bremen). S. 541. Mit Illustrationen S. 541. 542, 543 und 545. – Magdalena. Von Arnold Kasten (Fortsetzung). S. 543. – Blätter und Blüthen: Der Graf von Paris. S. 547. – Huldigung Karl’s V. in Gent. Von Hans Boesch. S. 547. Mit Illustration S. 536 und 537. – Zerstreutheit. S. 547. – Der Tabak und die Nerven. S. 548. – Grausame Strafen für Wilddiebe. S. 548. – Allerlei Kurzweil: Schach. S. 548. – Auflösung der Schach-Aufgabe auf S. 500. S. 548. – Räthsel. Von J. G. Fischer. S. 548. – Vorsetz-Räthsel. S. 548. – Kleiner Briefkasten. S. 548.



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1887, Seite 548. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_548.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2023)