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verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

daß der kleinere Theil sich zum größeren wie der größere zum Ganzen verhält. Soll ein Ganzes in ungleiche Theile getheilt werden, die doch zugleich die Einheit im Unterschiede bewahren, so ist dieses Verhältniß das logisch richtigste, wie es ästhetisch das wohlgefälligste ist; darum herrscht es in der Natur wie in der Kunst.

Ein Pythagoräer kehrte nach langer Fußwanderung durch eine öde Gegend in einem Wirthshause ein, wo ihn eine schwere Krankheit befiel, so daß er nach langem Siechthum nicht mehr im Stande war, dem Wirthe die Pflege und Zeche zu bezahlen. Kurz vor seinem Ende schrieb er ein seltsames Zeichen auf eine Tafel, die er dem Wirthe übergab, mit der Weisung, dieselbe vor seinem Hause aufzuhängen und darauf zu achten, ob ein Vorübergehender das Zeichen erkenne; der werde dann die Auslagen zahlen und sich dankbar erweisen für das, was an dem Verstorbenen geschehen sei.

Nach langer Zeit kam wirklich ein Pythagoräer vorüber, erkundigte sich nach dem Zeichen und bezahlte, als er den Hergang erfahren, die Schuld des Verstorbenen. Wegen dieses guten Dienstes, den das Gruß- und Erkennungszeichen der Pythagoräer dem Wirthe geleistet, soll das Pentagramm bei den Gastwirthen überhaupt zu Ansehen gekommen sein und daher die Sitte stammen, es in seiner ursprünglichen oder doch etwas modificirten Form als Wirthshausschild oder Bierzeichen zu benützen.

Menschenfresser unter deutscher Reichsflagge. Seitdem das Deutsche Reich Besitzungen in fernen Oceanen erworben, befinden sich unter seinem Schutze allerlei vielfarbige zahme und wilde Menschenexemplare, und selbst an Kannibalen fehlt es darunter nicht. R. Parkinson, ein Plantagenbesitzer auf der Insel Neu-Britannien, welche jetzt aus dem Englischen ins Preußische übersetzt worden ist und den Namen Neu-Pommern führt, hat seine Erlebnisse und Betrachtungen in einer Schrift „Im Bismarck-Archipel“ zusammengestellt (Leipzig, F. A. Brockhaus). Während er die unvergleichliche Fruchtbarkeit des Landes rühmt, kann er den Eingeborenen nicht ein gleich günstiges Zeugniß ausstellen; ohne gerade von besonderer Kriegslust beseelt zu sein, führen sie doch nicht selten Krieg mit einander und oft aus den unbedeutendsten Anlässen. Wird ein Hund gestohlen, der dem Eigenthümer nicht zurückgegeben oder nicht in Muschelgeldwerth ersetzt wird, so ist dies ausreichender Grund zu einer Kriegserklärung; weniger befremden wird es Alle, welche etwas von der „Schönen Helena“ und dem Trojanischen Krieg gehört haben, daß auch in Neu-Pommern die Entführung einer Gattin durch den Genossen eines benachbarten Stammes schon oft eine Kriegserklärung zur Folge hat. Dies ist auch der Fall, wenn ein Ehemann aus irgend einem Grunde seiner Gattin müde geworden ist und sie schimpflich zu ihren Verwandten zurückschickt. Die Kriege werden mit geschleuderten Steinen und Speeren, auch mit Feuerwaffen geführt; es fehlt nicht an jenen Herausforderungen und Verhöhnungen, wie sie die Homerischen Helden lieben; im Ganzen bleiben indeß die Kämpfer in respektvoller Entfernung. Wohl aber haben die Bewohner Neu-Britanniens die üble Gewohnheit, die Leichen der erschlagenen Feinde gelegentlich zu verzehren. Wenn ein solcher Leichnam heimgebracht worden ist, so versammeln sich auf ein mit der großen Holztrommel gegebenes Zeichen sämmtliche Bewohner des Dorfs und die Zertheilung beginnt. Der Leichnam ist Eigenthum Desjenigen, der ihn gebracht hat und der die einzelnen Stücke an die Umstehenden verkauft. Gewöhnlich sind der Theilnehmer so viele, Männer, Weiber und Kinder, daß höchst selten einer ein Stück erhält, das groß genug ist, um sich daran satt essen zu können. Der Kannibalismus ist eigentlich als ein Akt des Hasses und der Rache gegen den erschlagenen Feind und dessen Stammesgenossen anzusehen, wie denn auch die letzteren nicht eher ruhen, als bis sie wieder ihrerseits einen Mann aus dem feindlichen Stamme verspeist haben.

Ein Geständniß Ernesto Rossi’s. Der auch in Deutschland gefeierte italienische Künstler giebt unter dem Titel: „Vierzig Jahre Künstlerleben“ seine Memoiren, von denen soeben der erste Band erschienen ist, in seiner Muttersprache heraus; er hat sich jetzt sehr eifrig der schriftstellerischen Thätigkeit zugewendet; denn erst vor zwei Jahren ist ein Werk seiner Feder mit Lebenserinnerungen und kritischen Erläuterungen dramatischer Charaktere der deutschen Sprache angeeignet worden. Rossi weiß lebhaft zu erzählen und sagt sich selbst gelegentlich manches Gute nach; doch fehlt es auch nicht an offenherzigen Bekenntnissen. So erklärt denn Rossi selbst es für unkünstlerisch, daß ein Schauspieler seine Kunst ausübe in Gemeinschaft mit andern, die eine andere Sprache sprechen; sein künstlerisches Gewissen empöre sich dagegen – und doch müsse er sich immer wieder dies Opfer auferlegen; denn sein Versuch, mit einer italienischen Truppe Nordamerika zu durchreisen, sei gescheitert; immer wieder müsse er im fremden Lande mit fremden Schauspielern zusammenwirken.

Wie der Künstler darüber denkt, ist seine Sache; aber das Publikum, besonders das deutsche, sollte eigentlich sich solchen Sprachmischmasch nicht gefallen lassen, durch den ja jede Illusion zerstört wird. Wenn Edwin Booth in englischer Sprache, Rossi, Salvini, die Ristori in italienischer Sprache ihre Leidenschaften und Affekte in einer für das große Theaterpublikum unverständlichen Weise zum Ausdruck gebracht, dann werden sie von deutschen Schauspielern abgelöst, welche mit einer weniger genialen Verständlichkeit ihr Pensum in der wohlbekannten Muttersprache hersagen. Das erinnert an die bunten Flecke einer Harlekinsjacke; doch freilich, wer die großen Künstler des Auslandes kennen lernen will, der muß diesen kläglichen Mißstand mit in den Kauf nehmen. Uebrigens hat Rossi selbst das Bestreben gezeigt, ihn nach Kräften zu beseitigen; er hat ja Gutzkow’s „Königslieutenant“ in deutscher Sprache gespielt. Doch ein Künstler, der eine fremde Sprache spricht, ist wie ein ans Land geworfener Fisch: er zappelt, aber er schwimmt nicht mehr.

Transportable Gefängnisse im 16. Jahrhundert. Die Strafe des Einsperrens kannte man in früheren Zeiten noch nicht; wer sich gegen die Gesetze vergangen hatte, wurde an Leib und Leben und mit Verbannung gestraft. Erst eine humanere Zeit führte die Gefängnißstrafe ein. Es waren daher vorzugsweise nur Untersuchungsgefangene, welche die Gefängnisse der Vorzeit, meist scheußliche Aufenthaltsräume, bevölkerten. Herrschte nun ein starker Andrang, so erwiesen sich die Gefängnisse als unzureichend; wie man sich dann zu helfen suchte, geht aus einem Erlasse des Grafen Johann von Nassau vom 11. Juni 1583 hervor, in welchem zunächst konstatirt wird, daß in den gräflichen Häusern (Burgen), Städten und Flecken großer Mangel an Gefängnissen herrsche, „daher die Gefangenen uns aus anderen Aembtern häufig zubracht und unsere Diener, indem sie mit ihnen verhandlen, an anderen unseren nothwendigen Verrichtungen gehindert werden. Befehlen darauf Euch in Gnaden, daß ihr daran seid und verschaffet, daß in unserem Hause zu N. etliche solcher Custodien, die man uf den Nothfall von einem Orte verrücken und transferieren möge, von Holzwerk fast uf die Form eines Meisen Kars alsobald zurichten und verfertigen lasset. Auch wie und welcher Gestalt Ihr solches verrichtet habt, anhero in der Person berichtet.“ Es wurde also die Anfertigung transportabler Gefängnisse in der Form von Vogelhäuschen, wohl unseren heutigen Menageriekäfigen ähnlich, anbefohlen, die man je nach Bedarf da oder dort gebrauchen konnte. Soweit hat es das 19. Jahrhundert doch noch nicht gebracht!

Bulgarin im Festkleide. (Mit Illustration S. 589.) Anschließend an unsern Artikel „Bulgarien“, bringen wir das Bild einer Tochter dieses Landes, nach einem auf der diesjährigen Berliner Kunstausstellung befindlichen Gemälde von Professor Anton Weber in Berlin. Der Künstler, in Weimar, Dresden und Paris gebildet, gehört zu den geschätztesten Bildnißmalern Berlins, wie seine vortrefflichen Portraits beweisen, die er von unserem Kaiser und dem Kronprinzen sowie vom Herzog von Koburg etc. nach dem Leben geschaffen. Der Künstler zeichnet sich namentlich durch feine Charakteristik aus und so wußte er auch in unserem Bilde in graziöser Weiblichkeit das vornehme Selbstbewußtsein, das dem Balkanvolke eigen ist, auf gewinnende Weise zu schildern.

Schach.
Von Georg Chocholous in Bodenbach.

SCHWARZ

WEISS

Weiß zieht an und setzt mit dem dritten Zuge matt.
Auflösung der Schach-Aufgabe auf S. 548.
Weiß: Schwarz:
1. S g 2 – e 1 T h 6 – g 6:!
2. T f 3 – e 3 beliebig.
3. S resp. D setzt matt.

Varianten: a) 1. … S a 6, 2. D c 6 etc. – b) 1. … d 3, 2. D d 3: etc. – c) 1. … d 5, 2. D c 7 + etc. – d) 1. … S g 3:, 2. D a 2 etc. – Weiß droht nach dem ersten Zuge mit 2. T e 3 oder 2. T f 4; der Gegenzug T g 6: erzwingt 2. T e 3, denn auf T f 4 würde T g 3:! folgen.


Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht beantwortet.)

U. U. in Hamburg (mit 15 Mk. zur Unterstützung Hilfsbedürftiger) – Marie K. in St. Petersburg (mit 6 Rubel = 11 Mk. 10 Pf. für arme Kinder). – B–s in Kelberg a. d. Eifel (mit 3 Mk. 60 Pf. für die Armen). Wir danken Ihnen aufs Wärmste für diese Gaben, welche wir Ihrem Sinne gemäß verwendet haben. Möchte Ihre menschenfreundliche Gesinnung doch recht viele Nachahmer finden, denn das Elend, welches fast täglich mit herzzerreißenden Bitten an uns herantritt, ist sehr groß. Namentlich fehlt es uns an Mitteln zum Ankaufen von Krankenfahrstühlen. Jede Gabe, auch die kleinste – in Briefmarken – wird mit herzlichem Danke aufgenommen.

G. F. in Görlitz. Der Gedenktag der fünfzigjährigen Errichtung des Gutenberg-Denkmals ist in Mainz am 14. August festlich begangen worden. Ein Gutenberg-Album mit interessanten Beiträgen namhafter Künstler und Schriftsteller ist an diesem Tage erschienen.

Wulfhild. Der betr. Künstler lebt in Dresden.


Inhalt: Der Unfried. Eine Hochlandsgeschichte von Ludwig Ganghofer (Fortsetzung). S. 581. – Auf die Mensur. S. 587. Mit Illustrationen S. 584 und 585. – Hängende Fäden. Erzählung von A. Godin. S. 588. – Bulgarische Bilder. Von Karl Braun-Wiesbaden. S. 591. Mit Illustrationen S. 591, 592 und 593. – Der Hypnotismus und die Justiz. S. 594. – Blätter und Blüthen: Franz Liszt und die Frauen. S. 594. – Die Herbstfrische. S. 595. – Der wirkliche Komponist der Marseillaise. S. 595. – Der Invalide von 1813. S. 595. Mit Illustration S. 581. – Das Pentagramm als Wirthshausschild. S. 595. – Menschenfresser unter deutscher Reichsflagge. S. 596. – Ein Geständniß Ernesto Rossi’s. S. 596. – Transportable Gefängnisse im 16. Jahrhundert. S. 596. – Bulgarin im Festkleide. S. 596. Mit Illustration S. 589. – Schach. S. 596. – Auflösung der Schach-Aufgabe auf S. 548. S. 596. – Kleiner Briefkasten. S. 596.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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