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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Blätter und Blüthen.

Der König des Zululandes und sein Krokodilorden. Der Afrikareisende Augustus Einwald, welcher jetzt auf der fünften Forschungsreise nach dem Hererolande, Srambolande, Bamangwato und Sambesi und in das noch unbekannte Centralafrika begriffen ist, brachte im Jahre 1885 längere Zeit im Zululande zu, um die Kolonisirung desselben durch Deutsche ins Werk zu setzen. König Dinizulu, ein Sohn des bekannten Ketschwayo, ging darauf bereitwillig ein und hat Einwald zu dieser Besiedelung urkundlich eine Landstrecke überlassen. Der jugendliche, sehr intelligente König kannte die deutschen Zustände genau und sprach insbesondere auch mit großer Verehrung von dem mächtigen Kaiser Wilhelm und seinem unbesiegbaren Heere. Das Zululand ist das „Paradies von Afrika“, wie denn auch der Name Zulu „Kinder des Himmels“ bedeutet. Das Heer des Königs Dinizulu ist wohlgeordnet und in Regimenter und Divisionen eingetheilt. Das Land bietet unerschöpflichen Reichthum; so die Küste bei Port Natal Zucker, Korn, Hafer, Mais, Kohlen, Eisen und Gold. Der große Vortheil der Kolonisirung würde darin liegen, daß eine direkte Verbindung von der Sanct Lucia-Bay nach Angra Pequena geschaffen würde. Charakteristisch für den König Dinizulu ist es, daß er einen Orden gestiftet hat. Derselbe führt den Namen Krokodilorden, zerfällt in zwei Klassen und wird am grün-gelb-rothen Bande getragen. Ein solcher erster Klasse, der uns vorliegt, ist Eigenthum Einwald’s und ihm von Dinizulu persönlich überreicht worden. Er zeigt ein rundes goldenes Schild, in dessen oberem Felde ein Sekretärvogel mit einer Schlange im Schnabel, im unteren Felde ein Krokodil und im Mittelfelde Streifen in Grün und Roth dargestellt sind. Die Einfassung bilden vier mit grünem Krystall ausgefüllte Spitzen und vier Kriegsschilder aus weißem Email. Dazwischen treten acht goldene Speere, Assagais, hervor.

Krokodilorden des Zulukönigs, 1. Klasse.

Der Krokodilorden zweiter Klasse wurde, auf Einwald’s Befürwortung, in Folge einer erwiesenen Aufmerksamkeit, von Dinizulu einem Leipziger Buchhändler verliehen. Diese Dekoration hat Medaillenform und die Größe eines Fünfmarkstücks. Auf dem Avers befindet sich ein geschweifter Schild mit drei Feldern, deren oberes den Sekretärvogel mit der Schlange, das mittlere den Kriegsschild und das untere das Krokodil zeigt. Oben treten auf jeder Seite vier Speere hervor. Die Krönung des Schildes bildet eine Ananas zwischen zwei Straußenfedern, von einem Häuptlingsring umschlungen. Eingefaßt ist das Ganze auf einer Seite von der Kaffeepflanze und auf der andern von der Fächerpalme. Die Kehrseite der Medaille lehrt uns auch die Zulusprache kennen. Die hier befindliche Inschrift lautet: „Dinizulu inkos ka ilizwe amazulu Uku Ludwig Fischer ngokuba fanela. Emnyati 1885.“ Das heißt in der Uebersetzung: „Dinizulu, König des Zululandes, seinem Ludwig Fischer für Verdienste. Emnyati (Königskraal) 1885.“ Diese beiden sehr hübsch und heraldisch richtig ausgeführten Dekorationen des Zulu-Krokodilordens dürften die einzigen sein, welche nach Europa gekommen sind. Wie Augustus Einwald, der vorigen Herbst in Leipzig war, uns mittheilte, wird bei seiner Rückkehr von der jetzigen Reise, die auf 1889 festgesetzt ist, ihn der König Dinizulu mit einigen seiner vornehmsten Häuptlinge begleiten und auch in Leipzig Aufenthalt nehmen, von wo er eine gastliche Einladung erhalten und angenommen hat.

Der Philosoph von Königsberg. Von dem großen Immanuel Kant, welcher seiner Vaterstadt den Namen „Stadt der reinen Vernunft“ verschaffte, von diesem berühmtesten Denker des vorigen Jahrhunderts werden sich unsere Leser, selbst wenn sie mit seinen großen Werken vertraut sind, meistens doch kein in scharfen Umrissen gehaltenes Bild machen können. In seiner interessanten Schrift „Kulturbilder aus Altpreußen“ (Leipzig, Karl Reißner) giebt uns Alexander Horn nach den Berichten der Zeitgenossen ein wohlgetroffenes Portrait des Philosophen, das sich in den geschichtlichen und landschaftlichen Bilderfries, der uns des deutschen Ordens Fahrten und Sitten, des Volkes Eigenthümlichkeiten, des Landes Städte, Seen und Berge, vor Allem die Hauptstadt am Pregel vorführt, als fesselndes Medaillon einfügt. Da berichtet ein Besucher des „Patriarchen“:

„Er hat etwas Bewegliches, Feines, Freundliches um den Mund und um seine hellen blauen Augen. Er geht schon gebückt und sein Haarbeutel fällt ihm immer vor, weil er etwas schief ist. Beim ersten Besuche, Morgens halb acht Uhr, fand ich ihn im gelben Schlafrocke mit einer rothen seidenen polnischen Binde, in der Schlafmütze arbeitend. Er empfing mich sehr freundlich, sprach sehr viel – schwatzte beinahe meist von Kleinigkeiten, scherzte mit sehr viel Witz und sagte einige ganz originelle Bemerkungen über Schwärmerei und besonders über die gelehrten Damen und ihre Krankheiten. Er liest Logik öffentlich, täglich Morgens sieben Uhr, zweimal in der Woche physische Geographie. Sein Vortrag ist ganz im Tone des gewöhnlichen Sprechens und, wenn Sie wollen, nicht eben schön.

Stellen Sie sich ein altes kleines Männchen vor, das gekrümmt, in braunem Rocke mit gelben Knöpfen, eine Perücke und den Haarbeutel nicht zu vergessen, dasitzt; denken Sie noch, daß dieses Männchen zuweilen seine Hände aus dem zugeknöpften Rocke, wo sie verschränkt stecken, hervornimmt und eine kleine Bewegung vors Gesicht macht, wie wenn man Einem etwas so recht begreiflich machen will, so sehen Sie ihn auf ein Haar.“

Der größte Denker des 18. und der größte Feldherr des 19. Jahrhunderts, Kant und Napoleon, waren beide von auffallend kleiner Statur. Kant war kaum 5 Fuß groß, von flacher Brust; sein rechter Schulterknochen trat etwas vor; sein strahlendes blaues Auge erglänzte beim Vortrage; seine Haare waren blond, seine Gesichtszüge bis ins hohe Alter frisch und gesund; sein Gehör ungemein scharf; seine einfache regelmäßige Lebensweise hielt bis in sein höheres Alter größere Krankheiten von ihm fern. Er stand pünktlich Sommer und Winter 5 Uhr früh auf, schlief (nur Nachts) 7 Stunden. Nachmittags ging er eine Stunde spazieren, mochte das Wetter noch so schlecht sein; seine Kleidung war immer gewählt und anständig. Seine Spaziergänge, sein regelmäßiges Erscheinen auf dem Philosophendamm und sein Diener Lampe sind bekannt. Mit Hilfe eines Freundes, eines englischen Kaufmanns, hatte er sich ein bedeutendes Vermögen gesammelt, das ihn im Alter der Sorge überhob, obwohl mancher Student das Honorar schuldig blieb und Kant es nie gefordert hat. Seine Bescheidenheit und Liebenswürdigkeit achtete und ehrte in jedem Menschen dessen besondere Eigenthümlichkeiten, und niemals ist er schroff oder absprechend aufgetreten. Seine Vorlesungen hielt er pünktlich und hat in den Jahren 1775 bis 1780 und 1784 bis 1793 nicht eine einzige Stunde ausfallen lassen. Er saß auf geringer Erhöhung vor einem kleinen Pulte und sprach die ganze Stunde frei nach einem Notizenzettel, so leise, daß man Mühe hatte ihn zu verstehen, mit einem Geistreichthum, der den seiner Bücher weit übertraf, dabei mit einer Klarheit des Gedankenausdrucks, den alle seine Zuhörer einstimmig anerkannten. Selbst in seinen Tischgesprächen warf er massenweise geniale Gedanken hin, die oft verloren gingen, weil er nicht mehr darauf zurückkam.

Kant hatte ein kindliches Gemüth und hielt sich selbst für keinen großen Mann. Viele, die heute dicke Bücher über ihn schreiben, bilden sich weit mehr auf ihre Leistungen ein; doch Bescheidenheit ist stets eine Mitgift des wahren Genius.

Die Fasanenjagd. (Mit Illustration S. 661.) Ein klarer Oktobermorgen lacht über der parkartigen Landschaft; die wenig geschlossenen Baumgruppen und das dichte niedrige Gestrüpp prangen in buntem Blätterschmuck und auf den absterbenden Gräsern glitzern Reif und Thau. Aus der Ferne ertönt der heisere Ruf ka – kack. Der Fasanenhahn verräth seine Anwesenheit und lockt den Jäger. Der schmucke Vogel hat jetzt sein prächtigstes Kleid angelegt und um diese Zeit ist auch sein Fleisch am mundgerechtesten. Also auf mit dem Hühnerhund zur Fasanenjagd! Zu den interessantesten Jagden dürfte sie schwerlich gehören; denn das Wild, dem sie gilt, ist keineswegs schlau und klug. Der Hund eilt vorwärts auf der frischen Fährte; durch Busch und Gestrüpp folgt ihm der Jäger und bald ist das Wild gestellt im vollsten Sinne des Wortes. Der gut geschulte Hund bleibt bei dem Anblick des Vogels stehen, und auch dieser hält, vom Schreck gebannt, still und schaut mit starren Blicken seinen Feind an: eine seltsame Gruppe! Da knackt das dürre Reisig unter den Tritten des nahenden Jägers; der Fasan erwacht aus seiner Starrheit; er flieht gerade aus, ko … ko … ko … tönt sein Angstruf; er steigt mit schwerem Flügelschlag empor und für einen geübten Schützen ist der Schuß wahrlich kein Kunststück. Aber er muß sich beeilen; denn der Fasan weiß sich bald sicher in dem dichten Gestrüpp, und wenn er dasselbe erreicht hat, bietet die Jagd nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Wiederholt wird das Wild aufgetrieben; aber in dem Labyrinth von Dornhecken und niedrigen Büschen versteht dasselbe, den Hund und den Jäger unzählige Male zu täuschen. Dann wird die Fasanensuche mit einem Male ein schwieriges Waidwerk; dann erfordert auch sie kaltes Blut und mehr als eine andere die Kenntniß des Terrains.

Freilich, ein Fasan gleicht nicht dem anderen. Bei uns ist er ein fremder, von Menschen eingeführter und von Menschen gepflegter Vogel. Obwohl er in parkartigen Waldungen in Freiheit gesetzt wird, bleibt er in der Regel keineswegs sich allein überlassen. In der Brutzeit sucht man mit Hunden das Terrain ab und sammelt aus den Nestern die Fasaneneier, welche daheim auf dem Hühnerhofe oder in der Fasanerie die Truthenne ausbrütet; denn für das junge Fasanengeschlecht ist diese eine viel sorgsamere Mutter als die Fasanenhenne.

Der Aufenthalt im Geflügelhofe schärft keineswegs die Sinne unseres Vogels, und wenn er auch später freigelassen wird, so haftet ihm doch immer etwas von dem träumerischen Charakter unseres Hühnervolkes an: er bleibt ein halbgezähmter Vogel, welcher dem Jäger ein leichtes Spiel bietet.

Hier und dort findet man jedoch Fasanen, die schon seit Generationen in der Freiheit großgewachsen sind, und es unterliegt keinem Zweifel, daß diese im Kampf ums Dasein gestählten und vorsichtig gemachten Naturen ein schwer zu erlegendes Wildgeflügel abgeben.

Auf alle Fälle aber ist die Aufzucht eines größeren Bestandes von Fasanen stets mit vieler Mühe verbunden, und der Fasan bleibt immer ein „theurer Braten“, der mehr kostet, als er werth ist. *

„Gelehrte Bauern“. Die Chronik früherer Zeit und der Gegenwart berichtet uns gleichmäßig von gelehrten Bauern. In dem Dorfe Rothenacker bei der freundlichen Kreisstadt Schleiz hat von 1606 bis 1671 jene einzigartige, phänomenale Erscheinung in der Gelehrtengeschichte des 17. Jahrhunderts gelebt, welche kurzweg als „der gelehrte Bauer“ bezeichnet wird. Nikol Schmidt, genannt Künzel, seines Zeichens zeitlebens ein Bauer, war mit 51 meist orientalischen Sprachen mehr oder weniger vertraut; er sprach dieselben entweder oder er besaß in der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 667. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_667.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)