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verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

No. 41.   1887.
      Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.



Lisa’s Tagebuch.

Erzählung von Klara Biller.
(Fortsetzung.)


Den 15.  

Wer ist Herr Heinrich?“ fragte ich Tante heut’ Morgen.

„Ich weiß nicht, von wem Du sprichst.“

„Ich meine Herrn Heinrich von Onkels Bild …“

„Ach – den Sterngucker. Da mußt Du Onkel fragen, der hält auf ihn.“

Tante also nicht? Ich schwieg, obgleich ich gern etwas über Herrn Heinrich erfahren hätte.

Es ist ein langer Brief von Cäcilie aus Neapel gekommen, und Tante ist in sehr guter Laune. Sie las ihn mir vor: „Daraus kannst Du sehen, daß der gebildete Mensch mit Nutzen reist.“

Ein Stich! Sie findet meine Erziehung etwas vernachlässigt. Ach – ich weiß, Cäcilie ist sehr gebildet! Sie kennt alle Baustile und das ist so bequem, wenn man in alten Schlössern herumspaziert; sie ist auf Thürme geklettert und weiß, wie viele Stufen jeder hoch ist. Und sie schildert ihrem Papa auch die „Meisterwerke aller Malerschulen“, die sie in den Museen betrachtete. Wie viel Zeit muß sie übrig haben! Wenn Natti und Dimitri einmal zusammen reisen, da wird’s nicht so lange Briefe geben …

„Präge Dir das ein, mein Kind,“ sagt Tante am Schluß, „damit Du auch einmal so gut beschreiben lernst.“

„Wenn ich mich verheirathe, werde ich keine Hochzeitsreise machen.“

„Warum nicht?“

„Weil ich mich schon schrecklich darauf freue, mir eine Wohnung einzurichten, wie Natti, und weil ich es viel hübscher finde, hinein zu ziehen, wenn sie fertig ist, statt auszureißen, als hätte man seine Ausstattung gestohlen. Warum macht man eigentlich Hochzeitsreisen?“

„Weil – weil man sich auf die wichtigen Pflichten vorzubereiten hat, die man bei Gründung eines Hausstandes übernimmt.“

„Und dazu muß man auf Thürme klettern und alte Bilder ansehen, wie Cäcilie?“

Aber Tante, die immer ärgerlich ist, wenn man nicht von Allem entzückt ist, was Cäcilie thut, ging nach der Küche, als habe sie mich nicht gehört.


Den 16. Vormittags. 

„Warum nennt Tante Herrn Heinrich Sterngucker?“ fragte ich Onkel, während er seine Palette aufsetzte.

„Sterngucker? – ach so! Er ist Astronom, wenn Dir das lieber ist.“

„Mir ist das doch ganz gleichgültig, ich wollte nur wissen …“

„So – jetzt wollen wir sehen, ob Du Deine Sache so gut machst wie vorgestern …“ er war schon wieder beim Malen, und da war’s mit der Unterhaltung vorbei. Zwei Stunden gesessen. Sehr steifen Hals – Ameisen in den Füßen. Dann mit Göschen’s Kindern – sie wohnen nebenan – Dritten abschlagen und Wilder Mann im Garten gespielt. Alles wieder in Ordnung. Großen Appetit jetzt; wollte, wir äßen bald. Ein Wagen fährt vor – es klingelt. O weh, gewiß Besuch! Und heut’ giebt’s Citronenauflauf, der zusammenfällt, wenn er steht. Da wird Fanni schön schimpfen …


General Graf August v. Werder.


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1887, Seite 669. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_669.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2023)